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Mythos Luxus

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Luxus: Wer mit dem Wort eine eindeutige, in Stein bzw. Marmor gemeißelte Vorstellung verbindet, hat schon verloren, meint Helmut A. Gansterer.

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Über den beweglichsten Begriff der Ökonomie und Geistesgeschichte.

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Wer mit dem Wort „Luxus“ eine eindeutige, in Stein bzw. Marmor gemeißelte Vorstellung verbindet, hat schon verloren. Heutzutage ist das praktisch unmöglich geworden. Das Luxuriöse hat sich in dem Teil der Welt, in dem wir leben dürfen, vielfach verzweigt.

Ein grosso modo umfassender demokratischer Wohlstand hat erfreulicherweise das für freien Konsum erforderliche Geld in kleine und kleinste Kanäle gelenkt. Die große Zahl der Begünstigten hat den Begriff „Luxus“ in seinen einstigen Grundfesten erschüttert und in hundert Subbegriffe zerfasert.

Als das Wirtschaftsmagazin trend, eines der dauerhaftesten erfolgreichen Produkte unserer Zeit, vor mehr als einem halben Jahrhundert gegründet wurde, war dies noch anders. Luxus war damals ein fernes Lied, das nach alten Gesellschaftsverhältnissen klang, nach absoluten Herrschaftsstrukturen, nach Monarchien und Diktaturen und Despoten, die mit den Lebensumständen des Volks nicht zu tun hatten. Da dies über Jahrhunderte als gottgewollt angesehen wurde, gab es auch keinen Neid, eher untertänige Bewunderung, die die Fantasie selbst der Ärmsten bei Laune hielt. Kaum ein Mann, der einst nicht auch Dschingis Khan verehrte. Man konnte verstehen, dass er auf freie Wahl seiner Damen pochte.

Zumal er nicht nur 1.600 Nachkommen zeugte, sondern diese auch füttern konnte. Die Zweiteilung der Welt hat sich lange gehalten und noch in Spuren der jüngeren Vergangenheit bewahrt bis zur langlebigen Queen Elisabeth II. Selbst als die Monarchie nur noch schmückendes Beiwerk war (mit tollen PR-Werten fürs Land), war dafür gesorgt, dass die Königin die reichste Engländerin blieb. Und die Spleens des Königshauses fanden weiterhin Beifall.

Pars pro toto wäre hier das Beispiel der uralten, mächtigen, englischen Daimler-Limousine zu nennen, die für öffentliche Ausfahrten die erste Wahl blieb. Ihr kabinettgroßer Innenraum ist ein Kontrast zum elendsten Chaffeursplatz aller Zeiten. Der Chauffeur, logo ein Mann des Volks, sitzt ganz dicht am Lenkrad. Der Oberkörper wird von der starren Rückenlehne makellos aufrecht gehalten. Ein vorzeitiger Bandscheiben-Ruhestand wird vom Königshaus billigend in Kauf genommen und mit einem Pensionsbonus versüßt.

Was Luxus betrifft, ließ die Aufklärung in Österreich lange auf sich warten. Ich erkannte dies anhand einer Kollegin der frühen trend-Jahre, deren Innenwelt gut zu Frauenzeitschriften passte. Sie wusste beispielsweise alles über das Taj Mahal, das der Mogul einst als ewiges Denkmal für seine Lieblingsfrau Munoz errichten ließ. Und der dabei 20.000 indische Bauarbeiter verschlissen hatte.

Dennoch war die Kollegin begeistert, als sie hörte, dass mich eine meiner ersten, opfervollen Weltreisen als damaliger trend-Boss nach Akra führte. Sie gab mir einen unvergesslichen Satz mit auf den Weg: „Der Mogul war ein Mann, der noch wusste, wie man eine Frau beweint.“

Bald waren im einsetzenden Nachkriegs-Wirtschaftswunder der 60er-, 70er- und 80er-Jahre auch erfolgreiche Österreicher in der Lage, sich mit der süßen Last des Luxus zu beschäftigen. Diese Phase ist erstaunlich schlecht dokumentiert. Selbst Prof. Horst Knapp, der erste namhafte trend-Kolumnist, hat dieses Thema nie aufgegriffen. Auch sein wunderbares Sachbuch „Wirtschaft von A–Z“, das glasklar-verständliche Aufklärungsbuch dieser Zeit, umschiffte den Begriff Luxus.

In seinen eigenen „Finanznachrichten“, die er verlegte, hatte der flatterhafte Luxus sowieso nichts zu tun. Mein Freund und Kollege Helmut Hanusch, der dazumal wichtigste Mitarbeiter von Prof. Knapp, hatte sogar die Ehre, die von den Unternehmern als präzises Selbstzeugnis geschätzten „Bilanzbesprechungen“ zu verfassen. „Unseriöse“ Themen wie Luxus überließ Hanusch gern dem Freund, da er mich ohnehin als Luftikus sah, der für alles Abartige zu haben war.

Die Frühreichen schadeten dem Image des Unternehmertums, ehe die extrem tüchtigen Klein- und Mittelunternehmer für eine erfreuliche Umkehr sorgten.

Fazit: „Luxus“ musste für diesen Essay neu erforscht werden. Der übliche und bewährte Weg ist die Chronologie. Man geht flussaufwärts zu den Quellen und arbeitet sich von dort in die Gegenwart vor.

Aber welche Quellen? Als Nachkriegskind hatte ich keine Ahnung vom Krieg und der anfangs brutalen Nachkriegszeit. Ich musste schnell die letzten noch lebenden Augenzeugen interviewen. Und stieß dabei auf ein finsteres Kapitel der österreichischen Unternehmergeschichte.

Die Ersten, die eines „Geldluxus“ teilhaftig wurden, waren die Unternehmer und Topmanager unserer wenigen Großkonzerne privater und verstaatlichter Natur. Ein geschlossener Kreis Gleichgesinnter, ergänzt durch Großbankiers, die damals als Finanziers und oft Teilhaber der Mammuts auftraten.

Heute muss leider gesagt werden, dass diese Frühreichen dem Image des Unternehmertums schadeten und dessen Verhältnis zum Volk nachhaltig trübten, ehe später die braven, bescheidenen und extrem tüchtigen Klein- und Mittelunternehmer (KMU, derzeit rund 300.000) für eine erfreuliche Umkehr sorgten.

Der Hochmut und die Neureichen

Damals, so erzählt einer der Zeitzeugen, habe ihn das Treiben der ersten österreichischen Reichen an das heutige Monte Carlo erinnert. Dort gibt es, vor dem Hotel de Paris samt Casino, den täglichen Korso der so genannten „Reichen und Schönen“: Eine Versammlung steuerbegünstigter Neureicher und attraktiver junger Damen mit hohem arbeitslosen Einkommen, die sich mühsam aus den niedrigen Ferraris und Aston Martins wälzen und dabei die Spitzendessous blitzen lassen, zum unbeschreiblichen Jubel des einfachen, gaffenden Volks, das es auch in Monaco gibt, da der Jetset viele Bedienstete braucht.

„Wenn man“, wie der Zeitzeuge sagt, das Casino von Monte Carlo gegen das Haus der Industrie auf dem Wiener Schwarzenbergplatz tauscht, war es dort in den armen Nachkriegsjahren ähnlich. Nur halt ohne Frauen und schöne junge Männer. Es dominierten würdige wohlgenährte Großindustrielle. Die Auffahrt ihrer ausnahmslos schwarzen S-Klasse-Mercedes (es gab noch keinen BMW-Siebener oder Audi A8) wurde von einem dankbaren, armen Publikum akklamiert. Was den Hochmut der ersten Neureichen im Land befeuerte.

Sie fühlten sich als große Arbeitgeber geschätzt, wenn nicht gar geliebt, machten aber einen großen Fehler. Mit dicker Zigarre im Fonds ihres Mercedes sitzend gewährten sie Journalisten wie mir lange Interviews. Sie enttäuschten total. Ich war, wie es mein Naturell ist, auf Good News hungrig, hörte aber nur Klagen über ihr bitteres Los als Unternehmer. Damals kursierte erstmals der Spruch „Jammern ist der Gruß der Kaufleute“.

Zwei spezielle Herrschaften sind mir in besonderer Erinnerung. Eher negativ der Industriellenpräsident Hans Igler. Er opferte viel von seiner Energie, um den Golfclub Krieau freizuhalten von Krethi und Pleti. Der andere war der attraktive CA-General Heinrich Treichl. Obwohl auch er viel von sich hielt, zeigte er hohen Sachverstand. Und ich bewunderte seine Vitalität als Neunziger (er wurde am Ende 101 Jahre alt), als wir parallele Vorträge in der italienischen Abbazia Rossato hielten.

Lange vorher überlebte ich sogar ein ironisches, wenn auch feinfühlig geschriebenes trend-Porträt von Heinrich Treichl, das meine trend-Kollegen für ein Wagnis hielten. Es trug den Titel „Elegant terrible“. Ihm gefiel es. Auf seine Eitelkeit war Verlass. Sie gehörte zu ihm wie die Flecken zum Leoparden.

Mit seinen Söhnen fühlte ich mich freundschaftlich verbunden, mit Michael kurz, mit Andreas längerfristig, soweit dies als unabhängiger Journalist halt ging.

Andreas, eher ein Kontrast zum Vater, blickt auf eine radikal moderne, auch international erfolgreiche Karriere zurück. Michael, von fiebrigen Ambitionen getrieben, wanderte bald nach England aus. Er führte dort ein fast königliches Anwesen, in dem sein Vater sich als Gast pudelwohl fühlte.

Good News: Der Begriff „Luxus“ hat sich gewandelt, und zum Besten. Mittlerweile steht er trotz Demokratie vielen Bürgern zur Verfügung. Und hat an Reputation gewonnen. Mittlerweile weiß man, dass Luxus auch zum Wohlstand und sozialen Frieden beiträgt. Viele Companys erzielen ihre eigentlichen Profite aus den Luxus-Editionen ihrer billigen Massenprodukte. Das Motto dafür: „Der Durchschnitt schenkt uns Bestand, das Elitäre den Wert.“

Auch die persönlichen Einstellungen haben sich gewandelt. Der immaterielle Luxus ist im Vormarsch. Zum Beispiel ein gutes Gewissen hinsichtlich Klimaschutz und Menschenrechten.

Das ist ein erfreulicher, derzeit offener Prozess, trend wird fortlaufend berichten.

Meinen klugen Leserinnen und schönen Lesern entbiete ich den vertrauten Abschiedsgruß: Be good, next time, same station.

Der Essay ist trend. PREMIUM vom 12. Juli 2024 entnommen.
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