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Haselsteiner: „Ohne Konjunkturprogramm wird es nicht gehen"

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13 min

Russland raus, mehr Westen rein - Strabag-Chef Klemens Haselsteiner orientiert sich neu

©trend/Lukas Ilgner
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Strabag-Chef Klemens Haselsteiner im trend-Interview über die Notwendigkeit eines grünen Konjunkturpakets – und seinen neuesten Schachzug, um den russischen Oligarchen Oleg Deripaska loszuwerden.

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Nach einem erfolglosen Versuch, Ihren russischen Mitaktionär Oleg Deripaska bzw. seine Gesellschaft Rasperia loszuwerden, unternehmen Sie nun einen neuen Anlauf. Bis 2026 soll ein Schiedsgericht in Amsterdam Klarheit bringen, ob dieser Anlauf legal ist. Warum sollte es diesmal klappen?

Klemens Haselsteiner

Die Struktur der geplanten Transaktion ist nicht vergleichbar mit dem gescheiterten Abtausch von RBI-Russland-Anteilen gegen die Rasperia-Anteile. Zweiteres wäre ein Rechtsgeschäft in Russland gewesen, Ersteres ist ein Verfahren in Europa. Es bezieht sich auf österreichisches Recht. Eine sanktionskonforme Umsetzung eines eventuellen Titels wird in diesem Fall nicht dazu führen, dass Herr Deripaska oder eine andere sanktionierte Person Geld bekommt.

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Den RBI-Deal sollen die Amerikaner zu Fall gebracht haben. Fürchten Sie das nicht auch?

Klemens Haselsteiner

Wir stimmen uns mit allen relevanten Behörden ab und haben auch von der OFAC (Office of Foreign Asssets Control, US-Sanktionsbehörde, Anm.) eine Stellungnahme erbeten.

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Obwohl Sie kein nennenswertes USA-Geschäft haben?

Klemens Haselsteiner

Das ist eine Anerkennung der Macht des Faktischen.

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Zugleich klagt Rasperia Sie und die ­anderen Strabag-Kernaktionäre in ­Kaliningrad. Am 30. Oktober gibt es den nächsten Verhandlungstag. Was kann das bringen?

Klemens Haselsteiner

Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Dass die Russen aber versuchen könnten, Fakten zu ­schaffen, ist unbestritten. 

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Haben Sie kein Vertrauen in die Unabhängigkeit der russischen Gerichte?

Klemens Haselsteiner

Nicht vollumfänglich.

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Wegen Deripaska kommen Sie derzeit kaum mit anderen Themen durch, etwa mehr Nachhaltigkeit bei öffentlichen Beschaffungsvorgängen, digitale Standards für die Baubranche, weniger bürokratische Förderungen etc. Hört wenigstens die Politik Ihre Botschaft

Klemens Haselsteiner

Die Mühlen der Politik mahlen langsamer, als man das als Wirtschaftsunternehmen gewohnt ist. Man muss Wünsche wiederholen. Ich merke jetzt aber gesteigertes Interesse und sogar einen gewissen ­Konsens, was die Notwendigkeit der Transition betrifft. 

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Konkret heißt das, dass es im nächsten Regierungsprogramm neue Beschaffungsregeln geben soll, in die z. B. Nachhaltigkeitskriterien einfließen sollen

Klemens Haselsteiner

Wir müssen die öffentliche Beschaffung in den Dienst der Sache stellen, ja. Es gibt dazu zwar viele politische Willensbekundungen. Aber kaum jemand setzt diese Willensbekundungen auch in harte Kriterien um, etwa dass man Primärrohstoffe nur einsetzen darf, wenn in einem definierten Radius keine Sekundärrohstoffe aufzutreiben sind. Theoretisch haben wir ein Bestbieterprinzip, in der Praxis ist das Billigstbieterprinzip erhalten geblieben. In Großbritannien und der Schweiz ­funktioniert das hingegen hervorragend.

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Versteht das die österreichische Politik nicht oder ist sie mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt?

Klemens Haselsteiner

Man hat mit den Grünen in der Regierung jetzt schon ­gemerkt, dass ihnen Nachhaltigkeit bei Bauprojekten ein Anliegen war. In einer neuen Regierungskonstellation wissen wir nicht,
ob das Thema weitergetrieben oder – schlimmstenfalls – ignoriert wird. Für mich persönlich ist die Klimawirtschaft ­alternativlos.

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Fallen Österreich – und Europa – in Sachen Nachhaltigkeit zurück?

Klemens Haselsteiner

Ich habe mir in Alpbach ­erlaubt, darauf hinzuweisen, dass die EU mit dem Green Deal nicht die einzige Antwort ist, diesen Prozess politisch zu begleiten.

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Stichwort Inflation Reduction Act (IRA). 

Klemens Haselsteiner

Was die USA im Bereich mit dem IRA in Sachen Erneuerbaren-Ausbau hin­stellen, ist beeindruckend. Aber auch in China geht der Ausbau rasant voran. Ich möchte jedenfalls nicht, dass wir in fünf Jahren aufwachen und feststellen, dass wir in Europa das Schlusslicht sind. Egal ob Bau, Bildung oder Gesundheitswesen: Es fällt uns wahnsinnig schwer, zuzugeben, dass andere es besser machen. Wir können auch von den Chinesen lernen und kopieren.

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In China gibt es keine Opposition im Parlament und keine Bürgerinitiativen, die den Infrastrukturausbau verzögern. Wollen wir das kopieren?

Klemens Haselsteiner

Ich meine nicht das politische Modell inklusive der Haltung gegenüber Bürgern und Arbeitern, sondern die gesellschaftliche Grundhaltung, dass Kopieren nicht als verwerflich gilt. Das ist eher ein kulturelles als ein politisches Thema. Niemand hindert uns, etwa ein erfolgreiches Bildungssystem nach dem Vorbild Estlands zu kopieren. In den USA, die mindestens so individualistisch sind wie wir, macht man ein Anreizsystem, das den Namen verdient, und überlässt den Rest der Privatwirtschaft. Wir sollten uns nicht auf unserem hohen Ross ausruhen und meinen, unser Green Deal sei der Weisheit letzter Schluss.

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Wie soll man diese Grundhaltung verändern?

Klemens Haselsteiner

Wir müssen wieder lernen, Kompromisse einzugehen. NIMBY – Not In My Backyard – wird jedenfalls nicht ­gehen: Ein Windkraftwerk vor dem eigenen Haus lehnen viele ab, obwohl sie prinzipiell für die Energiewende sind. Aber anscheinend liegen Kompromisse nicht im Zeitgeist. Wenn man nicht zu 100 Prozent das bekommt, was man sich vorstellt, gibt es heute einen großen ­Bahöl (wienerisch für Wirbel, Anm.). Und alles, was über ein 20-Sekunden-TikTok-Video hinausgeht, ist für viele eine Überforderung. Die Welt wird ­immer komplexer, aber die Erklärungen werden immer einfacher.

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Nun sagen uns immer mehr CEOs, dass die nächste Regierung genau deshalb ­einen langfristigen, auf mindestens zehn Jahre ausgelegten Plan fassen sollte, um Themen wie Energiepolitik, Klimapolitik, Migration usw. planen und steuern zu können. Sind Sie auch dafür?

Klemens Haselsteiner

Natürlich. Wie das gelingen kann – da bin ich aber überfragt. Meines Wissens gab es aber in den 1950ern und 1960ern auch bei uns durchaus so langfristige Pläne, über die politischer Konsens herrschte.

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Nun braucht es sicher zur Stützung der Konjunktur auch kurzfristige Initiativen, die eine neue Regierung angehen muss. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen? 

Klemens Haselsteiner

Ohne Konjunkturprogramm wird es nicht gehen, auch wenn es die Strabag nicht direkt betrifft. Das 2023 verabschiedete Bauprogramm ist im Grunde in Ordnung. Das Geld kommt aber noch nicht in einem Ausmaß an, dass es auch in konkrete Bauaufträge mündet.

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Derzeit reden alle von einem Sparpaket, Sie wollen mit neuen Staatsausgaben die Verschuldung erhöhen?

Klemens Haselsteiner

Zu Tode sparen wird uns auch nicht retten. Ich bin de facto nicht religiös, war aber als Kind Ministrant. Da habe ich die Geschichte aus dem Buch Mose gehört: In den ­sieben fetten Jahren wird für die sieben mageren Jahre gespart. Wir hatten jetzt eher 15 fette Jahre, und es wurde nicht gespart – das muss ich zur Kenntnis nehmen. Dennoch müssen wir jetzt, in den mageren Jahren, investieren.

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Ein zweites Konjunkturpaket für die Bauwirtschaft?

Klemens Haselsteiner

Ich denke darüber hinaus. Wir haben größere Themen zu lösen, etwa die Probleme der energieintensiven Industrie und der Autozulieferer. Eine Investition in eine nachhaltige, klimafitte Wirtschaft mit entsprechender Forschung ist eine Investition in die Zukunft. So ein Paket, das schnell kommen müsste, würde grüne Jobs bringen. Und bei der Art, wie Förderungen verteilt werden, könnte man ja andere kopieren, Stichwort IRA und Steuergutschriften.

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Ist dieser Vorschlag ein Solovorstoß? Aus der Industriellenvereinigung ist die Strabag ja 2016 ausgetreten.

Klemens Haselsteiner

Das ist meine persönliche Meinung. Ich habe auch einige Forderungen der IV gehört, die waren allerdings nicht mit mir abgestimmt … Wir sind seit zweieinhalb ­Jahren übrigens wieder Mitglied der IV.

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Sie haben die Autozulieferer genannt. Die europäische Autowirtschaft ist mit ihrer Transition bisher wenig erfolgreich – ist auch das die Schuld der Politik?

Klemens Haselsteiner

China und Indien haben die Weichen schon in Richtung E-Mobilität gestellt. In den Emerging Markets ist das Thema entschieden. Bei uns gibt es hingegen politische Kräfte, die den Verbrenner bis zum Schluss – und darüber hinaus – hochhalten wollen. 

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Sie fliegen im November nach Chile, die Strabag ist in mehr als 50 Ländern aktiv. Ist die Idee eines global tätigen Konzerns in Zeiten der Deglobalisierung und der bedrohten Handelswege eigentlich noch zeitgemäß?

Klemens Haselsteiner

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Das Baugeschäft ist am Ende des Tages fast immer ein sehr lokales Geschäft, wir haben keine komplexen, weltweiten Lieferketten. Wenn ich im Hochbau eine Villa oder ein Fünf-Sterne-Hotel baue und dafür italienischen Marmor brauche – dann ja. Aber die große Masse ist lokal. Wir brauchen keine Tanker, die übers Rote Meer fahren.

Klemens Haselsteiner

Nach der gescheiterten Hinwendung zu Russland werden Sie aber nun das Geschäft in den Ländern des Westens noch stärker forcieren, richtig?

Klemens Haselsteiner

Ja. Weil uns Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wichtig sind, führt unser Weg in den Westen. Indien, die größte Demokratie der Welt, ist kulturell weit weg, wiewohl ein interessanter Markt. Wir sind dort mit unserer Einheit für Telematiksysteme und Tunnelausstattung tätig.

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In derart erhitzten Zeiten wie diesen – trauen Sie sich in einem Geschäft, das so politiknahe ist wie die Bauwirtschaft, ­politische Äußerungen zu tätigen? 

Klemens Haselsteiner

Es ist generell nicht meine Aufgabe, solche Äußerungen zu machen. Wir sind aus Prinzip apolitisch, ich will mich nicht politisch exponieren. Der Staat ist unser größter Auftraggeber, und er wird tendenziell wichtiger. Es gibt aber Strömungen, die man als Wirtschafts­treibender für nicht in Ordnung befinden sollte: etwa Migrationsfeindlichkeit. Ich bin persönlich eher der Multikulti-Fraktion zuzuordnen, und da die Strabag ­Arbeitskräfte in und aus vielen Ländern der Welt beschäftigt, ist sie de facto ein Multikulti-Unternehmen. 

trend

Die FPÖ ist schädlich für die Wirtschaft, hat Ihr Vater kurz vor der Wahl gesagt hat – würden Sie das auch so sagen?

Klemens Haselsteiner

Es werden von dieser Seite Vorbilder genannt, die ich für Österreich als keine tauglichen Vorbilder erachte – insbesondere auch aus wirtschaftlicher Sicht.

trend

Sie meinen die Orbán-Orientierung der FPÖ? 

Klemens Haselsteiner

Könnte sein.

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