Die Revolut-Gründer Nik Storonsky (l.) und Vlad Yatsenko schwören die Mitarbeiter auf weiteres Wachstum ein.
©RevolutDie britische Banking-App Revolut wächst erstaunlich schnell und ist dabei auch noch profitabel. Nun verstärkt das Fintech auch in Österreich seine Aktivitäten. Was man davon erwarten kann.
Als Nik Storonsky seine Mitarbeiter auf dem letztjährigen Sommerfest anfeuerte, empfand das mancher Beobachter wie ein Déja-vu. Größer und besser soll Revolut werden und weltweit alle etablierten Banken schlagen, gab der Gründer und CEO des britischen Fintechs als Prämisse vor. Traditionelle Bankhäuser wie die Deutsche Bank mit 31,9 Milliarden Euro Marktkapitalisierung oder Barclays mit 40 Milliarden hat Revolut mit einer aktuellen Bewertung von zuletzt 41 Milliarden Euro jedenfalls bereits hinter sich gelassen. Der Letzte, der solche Ambitionen laut äußerte, war Markus Braun, seines Zeichens CEO des Finanz-Start-ups Wirecard, das vor vier Jahren wie ein Kartenhaus zusammenbrach und noch heute die Gerichte weltweit beschäftigt.
Mega-Einhorn
Abgesehen vom rasanten Wachstum und derselben Branche scheinen die Unternehmen aber nur wenige Gemeinsamkeiten zu haben. Tatsächlich konnte das vom gebürtigen Russen Storonsky und seinem Partner Vlad Yatsenko im Jahr 2013 gegründete Fintech den Umsatz in den letzten fünf Jahren auf zuletzt 2,2 Milliarden US-Dollar verzehnfachen und ist bereits das dritte Jahr in Folge profitabel. Damit unterscheidet sich Revolut von Konkurrenten wie dem deutschen N26 oder dem schwedischen Klarna. Nach einer Kapitalrunde letzten Sommer ist es sogar das wertvollste Fintech Europas. Die Briten sind inzwischen in mehr als 160 Ländern der Welt aktiv und haben mehr als 45 Millionen Kunden.
Seit sieben Jahren ist die Digitalbank auch in Österreich präsent, bislang agierte man aber eher unauffällig. Doch seit einigen Monaten ist es vorbei mit der Zurückhaltung und es wird hierzulande vor allem auf Social Media aggressiv für die App geworben. Das bestätigt auch Wiktor Stopa, Head of Growth bei Revolut, zuständig unter anderem für die D-A-CH-Region. „Wir wissen, dass wir neben unserer globalen Strategie auch deutlich lokaler sein müssen. Das heißt, wir wollen tiefer in das lokale Banking in den einzelnen Märkten vordringen,“ erläutert der Deutsche. Aber nicht nur irgendwie rein, sondern massiv. „Wir wollen in allen Ländern, in denen wir aktiv sind, mit den lokalen Banken konkurrieren können“, so Stopa. Das lokale Wachstum lässt man sich auch einiges kosten. Aktuell beträgt das Marketingbudget für Europa angeblich rund 450 Millionen Euro, wobei große Länder wie Deutschland oder Frankreich prioritär behandelt werden. In Deutschland wurde vor Kurzem der Profi-Fußballer Mario Götze als Testimonial für Revolut gewonnen. Außerdem arbeitet das Start-up viel mit Influencern zusammen. „Ich habe auch für Österreich schon viele Ideen, wer den lokalen Flavour am besten verkaufen kann, aber eines ist sicher: Wir wollen etwas Neues, Frisches machen, nicht einfach nur unser Logo neben einen Sportler packen“, sagt der Revolut-Manager.
Revolut versteht sich heute als App „für alle deine Finanzen“, oder wie es Storonsky gerne formuliert, als „Super-App“. Ursprünglich hat das Start-up mit gebührenfreien internationalen Geldtransfers begonnen, dann kam Payment dazu, und nun bietet Revolut mit diversen Konten nahezu jede Bankdienstleistung an. Auch Trading und Krypto. In Europa operiert das Fintech mit einer Banklizenz aus Litauen, die vergleichsweise leichter zu bekommen ist als etwa in Deutschland oder Österreich. Unseriöser ist das deswegen aber nicht, denn auch so unterliegt das Fintech der europäischen Einlagensicherung. Erst im Sommer ist nach einer dreijährigen Wartezeit noch eine britische Lizenz hinzugekommen. „Litauen ist bei Fintechs hoch im Kurs, auch wegen gut ausgebildeter Mitarbeiter zu vergleichsweise niedrigen Kosten“, erläutert Ulrich Hoyer, Bankenexperte von zeb. Eine Stärke der Briten ortet der Experte in der „coolen Optik und der sehr guten User Experience“ der App. Für all jene, die sich dennoch an der litauischen IBAN stoßen, kommt die Neobank nun auch mit regionalen IBANs auf den Markt, zuletzt etwa in Deutschland. Österreich könnte folgen.
Wachstumsschmerzen
Ein Konto kann man bei Revolut in drei Minuten eröffnen, bei Zahlungen oder Währungsumrechnungen sind die Gebühren durchwegs niedrig. Dass bei dieser Geschwindigkeit der Expansion auch die Sicherheit und das Service mitunter leiden, ist bei Fintechs nichts Ungewöhnliches. Auch N26 kann davon ein Lied singen, dort war über Monate ein Aufseher im Haus, um das Geschäft aus der Nähe zu überwachen. Revolut kämpft aktuell vor allem in Großbritannien mit Cyberbetrügern, wie die BBC kürzlich ausführlich berichtete. Dabei arbeiten 4.000 von 10.000 Mitarbeitern nur daran, die Kunden und ihr Geld vor derartigen Angriffen zu schützen. Das hat dazu geführt, dass im Jahr 2023 die Betrugsfälle immerhin um 20 Prozent reduziert werden konnten. Auch der nahezu rein digitale Kundensupport steht häufig in der Kritik. „Der Support funktioniert bei uns über Chat-Assistenten, möglichst ohne Telefonate. Darauf müssen sich die Leute einlassen. Wir möchten sie dahin kriegen, dass sie die Probleme mit Anleitung alleine lösen“, erklärt Stopa das System. Nur in Ausnahmefällen wäre ein Telefonat mit einem Mitarbeiter möglich, so der Revolut-Manager. Von Bankfilialen hält das Fintech überhaupt nichts: „Die klassische Bankfiliale spielt in unserer Welt keine Rolle“, ist Stopa sehr eindeutig. Und auch bei den Gebühren tickt Revolut anders als traditionelle Banken. „Es ist heute nicht mehr zeitgemäß, dass einige Banken ohne Gegenleistung quartalsweise unverhältnismäßig hohe Gebühren einheben“, ist Stopa überzeugt.
Vor ein paar Jahren noch hätte diese Art des Bankings wohl kaum jemanden interessiert. Das hat sich mittlerweile aber geändert, weiß Bankenexperte Hoyer: „Vor zehn Jahren hätte ich das Potenzial der Kunden, die ausschließlich Banking-Apps nutzen, auf einen kleinen einstelligen Prozentsatz der Bevölkerung geschätzt. Heute liegt er bei 20 bis 25 Prozent. Tendenz steigend.“ Das gilt aber nicht nur für Revolut, sondern auch für andere Challenger-Banken oder Apps traditioneller Banken.
Von diesen ist in Österreich „George“ der Erste Bank führend. Angst vor der jungen Konkurrenz hat man dort nicht. „Wir sind sogar froh, dass es Challenger-Banken wie Revolut gibt. Sie sind für uns eine ständige Herausforderung“, sagt Isabella Frey von George Labs. Man beobachte sie aber und befinde sich im regen Austausch mit ihnen. George selbst, so Frey, würde jedenfalls um zehn Prozent pro Jahr wachsen. Aktuell zählt man in den sieben Märkten der Erste Bank bereits zehn Millionen Kunden. Produkttechnisch unterscheiden sich die beiden Apps auch. Während Revolut etwa Features wie Kryptohandel anbietet, liegt der Fokus von George mehr auf „Financial Health“. Und auch Stopa ist überzeugt: „Der Kuchen ist groß genug, dass alle Anbieter gut nebeneinander existieren können.“
Wohin diese expansive Reise der Briten in den nächsten Jahren noch führt, darüber wird aktuell nur gemunkelt. Ein für 2022 in Aussicht gestellter Börsengang wurde auf Eis gelegt. Nun soll nächstes Jahr in den USA ein weiterer Versuch unternommen werden, ist zu hören. Dabei ist jedenfalls schon jetzt sicher: Investoren und Aufseher werden dort sicher genauer hinsehen als bei Wirecard.
Dieser Artikel ist in der trend.PREMIUM Ausgabe vom 25. Oktober 2024 erschienen.