Trend Logo

Die Architekten der Quantencomputer

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
9 min

Wolfgang Lechner, Professor für Theoretische Physik, und Magdalena Hauser sind mit ihrem Unternehmen ParityQC auf Erfolgskurs.

©PARITY QC
  1. home
  2. Business
  3. Technologie

Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner sind Ausnahme-Unternehmer. Innerhalb weniger Jahre haben sie ParityQC zu einer der wertvollsten und profitabelsten Quantencomputerfirmen in Europa gemacht. Erst kürzlich stieg mit B&C der erste Risikokapitalgeber ein.

von

Für ihren Außenauftritt haben sich Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner gewisse Regeln auferlegt. Sie kommunizieren über eine gemeinsame E-Mail-Adresse und treten bei Start-up-Events oder Interviews ausschließlich gemeinsam auf. Wenn das nicht gewünscht ist, sagen sie lieber ab. „Wir sind beide Co-Geschäftsführer und leiten das Unternehmen gemeinsam. Diese Co-Lead-Struktur zieht sich bei uns durch das gesamte Unternehmen und jede Ebene“, erklärt Hauser.

Sie und Lechner kennen einander seit mittlerweile fast zehn Jahren. „Ich war zuerst für die Investorenseite mit Hermann Hauser für die Hermann Hauser Investment GmbH (HHI) tätig. Kurz vor der Gründung hat Wolfgang dann gefragt, ob ich auf die ParityQC-Seite wechseln wollen würde“, erzählt die 35-Jährige. Im Jänner 2020 erfolgte dann die Eintragung des Spin-offs der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ins Firmenbuch.

Seitdem treten Lechner und Hauser im Doppelpack auf. Was oft mit viel Organisationsaufwand verbunden ist, hat sich beim Near Future Summit 2023 in Zürs als strategische Weitsicht erwiesen. „Als Houska-Preisträger waren wir zu einem Vortrag bei einem B&C-Event eingeladen. Im Rahmen des Events haben wir im Gespräch sofort einen direkten Fit zu uns gesehen und deshalb über ParityQC und eine mögliche Beteiligung gesprochen“, verrät Lechner.

Das Treffen in Zürs wurde dann zum Startpunkt für eine Partnerschaft der besonderen Art, die vor wenigen Wochen publik wurde. Vier Jahre nach Gründung geht mit der B&C Innovation Investments (BCII) – einer Tochtergesellschaft der größten österreichischen Industrieholding, der B&C-Gruppe in Wien – der erste Risikokapitalgeber bei Parity Quantum Computing (ParityQC) an Bord. „Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viele internationale Anfragen bekommen, waren hier aber immer sehr zurückhaltend mit ausländischen Investoren. Uns ist es sehr wichtig, ein europäisches Unternehmen zu bleiben“, erklärt Magdalena Hauser. Das ist somit gelungen. Neben Lechner (48,6 Prozent) und Hauser (7,7 Prozent) sind der bekannte Tiroler Serienunternehmer, Tech-Investor und Onkel von Magdalena Hauser, Hermann Hauser (20 Prozent), die Universität Innsbruck und die Österreichische Akademie der Wissenschaften investiert. Die BCII hält 3,75 Prozent der Anteile.

Die B&C-Gruppe ist vor allem für ihre Mehrheitsbeteiligungen an den börsennotierten Unternehmen Lenzing, Semperit und Amag bekannt, für die derzeit nach einem strategischen Investor gesucht wird. Darüber hinaus investiert man aber bereits seit einigen Jahren in Technologieunternehmen unterschiedlicher Reifegrade (siehe Kasten nächste Seite) mit Relevanz für die Industrie.

ParityQC ist die erste Beteiligung im Bereich Quantencomputer. „Wir haben uns den Markt sehr genau angesehen, der jetzt schon im Milliardenbereich liegt. ParityQC ist als Vorreiter in der praktischen Anwendung sehr gut aufgestellt, dieses Potenzial zu nutzen“, sagt Julia Reilinger, Geschäftsführerin von BCII, und ergänzt einen weiteren Aspekt: „Das Schöne an ParityQC ist, dass Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner das Thema Diversität leben. Sie treten immer zu zweit auf. Wir haben alle Gespräche mit beiden Geschäftsführern gemeinsam geführt. Für uns ist das ein sehr zukunftsträchtiges Modell, das viele Pluspunkte in der Due Diligence gesammelt hat.“

Kein Millionenschwerer Rucksack

Dass ein forschungs- und kapitalintensives Tech-Unternehmen, das zu einem Global Player in der Zukunftstechnologie der Quantencomputer werden will, so lange ohne Venturekapital klarkommt, ist mehr als ungewöhnlich. Doch Hauser und Lechner verfolgen auch hier ihren ganz eigenen Ansatz: Sie sehen ParityQC nicht als Start-up, sondern als Unternehmen. Somit ergibt sich für sie ein grundlegend anderer Zugang zur Finanzierung ihrer Vision. „Wir haben von Anfang an darauf geachtet, dass wir ein Produkt schaffen, das Umsätze generiert. Wir wollten nicht mit einem millionenschweren Rucksack an Investments starten, wie das bei Start-ups üblich ist“, sagt Lechner.

Heute kann ParityQC bereits erprobte Anwendungen vorweisen und ist seit 2023 als eines der wenigen Quantenunternehmen der Welt profitabel. Zu den Kunden gehören der japanische Hardwarekonzern NEC und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Wir haben in den vergangenen Jahren viele internationale Anfragen bekommen, waren hier aber immer sehr zurückhaltend mit ausländischen Investoren. Uns ist es sehr wichtig, europäisch zu bleiben.

Magdalena HauserCEO ParityQC

Lücke füllen

Im Bereich der Quantencomputer übernimmt ParityQC eine besondere Rolle. „Wir sind das einzige Quantenarchitekturunternehmen weltweit“, sagt Lechner. Das Geschäftsmodell sei vergleichbar mit dem der britischen ARM Holding: Das Unternehmen stelle Baupläne für Mikrochips her, baue diese aber nicht selbst, sondern lizenziere sie. „Im Bereich Quantencomputer hat so etwas gefehlt. Wir füllen dieses Vakuum“, sagt er. Das Produkt von ParityQC besteht aus mehreren Komponenten: den Bauplänen und einem Betriebssystem, das Hardwareherstellern erlaubt, die Architektur zu nutzen, ohne selbst Software bauen zu müssen.

Quantencomputer zählen zu den künftigen Schlüsseltechnologien. Überall dort, wo es um Optimierungsfragen geht, sollen sie zum Einsatz kommen: im Bereich der Logistik, der Finanzen, der Medizin oder der künstlichen Intelligenz. „In den vergangenen zwölf Monaten hat es zahlreiche Fortschritte in der Entwicklung gegeben – insbesondere bei der Fehlerkorrektur von Qubits. Dadurch verkürzt sich die Zeitspanne, bis die ersten einsatzfähigen Quantencomputer vorliegen werden. Wir gehen jetzt von 2027/28 aus statt von 2030“, sagt Lechner.

Seine Zuversicht schöpft der Gründer auch aus mehreren erfolgreichen Kundenprojekten. So hat der japanische IT-Konzern NEC, mit dem man schon seit 2021 zusammenarbeitet, erst kürzlich den ersten Quantenprozessor auf Basis der ParityQC-Architektur vorgestellt. Und in einigen Wochen gibt es bereits einen weiteren Meilenstein zu feiern. Dann wird am Deutschen Zentrum Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg – im Konsortium mit NXP Semiconductors Germany und dem deutschen Spin-off eleQtron – der erste Quantencomputer-Demonstrator präsentiert, der auf der Architektur von ParityQC basiert. Darauf aufbauend soll dann eine größere Variante entwickelt werden. „Eine Besonderheit ist, dass alle beteiligten Partner aus Europa kommen. Das zeigt, dass wir hier technologisch souverän agieren können“, sagt Hauser.

Weit vorne

Weltweit tobt ein Wettlauf um die Vorreiterrolle im Bereich der Quantencomputer. Dabei zeigt sich eine interessante Entwicklung: Während die privaten Investitionen in Quantencomputer-Start-ups im vergangenen Jahr global gesunken sind, stieg der

Anteil der öffentlichen Hand, geht aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung McKinsey hervor. Demnach flossen bis heute weltweit rund 42 Milliarden Dollar staatliches Geld in den Sektor – davon mit Abstand am meisten in China. In Österreich liegen die öffentlichen Investitionen bis heute bei 127 Millionen Dollar.

Erfreulich ist zudem: Europäische Quantencomputer-Start-ups konnten sich vom globalen Trend entkoppeln. Laut PitchBook investierten private Geldgeber 2023 mehr als 360 Millionen Euro in den Bereich, das entspricht einem Plus von knapp 50 Prozent.

Das Ranking der wertvollsten europäischen Quantencomputer-Start-ups wird von Terra Quantum mit einer Firmenbewertung von 572 Millionen Euro angeführt, gefolgt von Pasqal (560 Millionen Euro), IQM (489 Millionen Euro), Riverlane (156 Millionen Euro) und Multiverse Computing (100 Millionen Euro). Parity- QC ist nicht gereiht, weil die Firmenbewertung nicht offengelegt wurde. Bekannt gegeben wurde nur, dass es sich um einen neunstelligen Betrag handelt.

Im Gespräch ist Lechner dann doch etwas offener: „Das Investment zeigt, dass in Europa wieder ein großes Quantencomputerunternehmen dazugekommen ist.“ Im aktuellen Ranking von PitchBook liege man weit vorne. Wie weit genau, will er aber erst zu einem späteren Zeitpunkt verraten.

Das frische Geld dient laut Magdalena Hauser vor allem dazu, Talente zu akquirieren und die Expansion voranzutreiben – Frankreich und die USA gelten als vielversprechende Märkte.

Über die Autoren

Logo
Abo ab €16,81 pro Monat