
Künstliche Intelligenz und Cloud befeuern die Nachfrage nach Rechenzentren. Was diese Industrieimmobilie komplex und interessant macht.
Beim „Super Tuesday“ in der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft (ÖAG) diskutierte am 22. April eine hochkarätige Runde über eine Immobiliengattung, die zwar extrem systemrelevant ist, in der breiten Öffentlichkeit aber wenig wahrgenommen wird: Rechenzentren. Debattiert wurde über die Frage, wie dieser globale Megatrend Österreich streift.
Klemens Eiter, Finanzvorstand der Porr, berichtete über seine Erfahrungen als Generalunternehmer für die Errichtung von Rechenzentren: „Glasfaseranbindungen und Energieversorgung sind ein großes Thema. Viele Projekte in Europa warten noch auf die Zusagen von Energieversorgern.“ Der Strombedarf und die Netze sind mit den vielen Aspekten der Energiewende (E-Mobilität, PV-Anlagen etc.) schon heute gefordert. Und, so Eiter: „In Europa wird anders gebaut. Die Vorgaben für Brandschutz sind hoch und andere als etwa in den USA. Dort gibt es weniger Regulatorien, es geht schneller.“
Markus Colle, CEO der Styr Group, die als Anlagenbauer im Rechenzentrumsbau tätig ist, wies ebenfalls auf die Energie als Standortfaktor hin. „Standortrelevant wird sein, wie mit der Abwärme umgegangen wird. Die Politik sollte bei Widmungen künftig darauf achten, woher der Strom kommt und wohin die beim Rechnen entstehende Wärme geht.“ Colle sieht in Österreich zwei Arten von Datencentern entstehen: „Die kleinen und mittleren, und die großen. Beim Bau der großen sind viele internationale Unternehmen involviert, die lokale Wertschöpfung ist hier relativ gering.“
Dass das Rechenzentrumsgeschäft vor allem ein globales ist, bestätigt auch Porr-Mann Eiter: „Wir bauen hier eher nur für 20 bis 25 Megawatt*. Die Großen, die sich über die Börse finanzieren, bauen ebenfalls in Europa. Prognosen schätzen, dass sich die Investitionen bis 2030 verdreifachen. Nicht nur KI, sondern auch die Auslagerung von Servern schafft einen großen Bedarf. Die Nachfrage ist jetzt schon da, die KI kommt erst noch dazu. Das Geschehen dominieren ein paar große wenige Börsenkonzerne wie Equinix oder DLR.“
Alexander Windbichler, Gründer und CEO von Anexia, betreibt in Österreich und den USA Rechenzentren. Er appelliert für mehr lokale Aktivitäten. „Es ist wichtig, dass Rechenzentren in Österreich sind. Ein Rechenzentrum ist wie eine Botschaft. Die sich aus der geopolitischen Lage ergebenden Risiken müssen unbedingt gestreut werden.“ Windbichler wünscht sich auch eine saubere Kapazitätsplanung: „Rechenzentren stehen bei Immobilienentwicklern gerade hoch im Kurs. Wir müssen aufpassen, dass die Rechenzentrumskapazitäten tatsächlich auch genutzt und nicht nur blockiert werden.“


Klemens Eiter, CFO, Porr (zugeschalten); Florian Slezak, Cloud Region Lead Western Europe, Microsoft Österreich GmbH; Alexander Windbichler, CEO, Anexia GmbH, Member of the Board, CISPE; Moderatorin Monika Rosen, Vizepräsidentin ÖAG; Markus Colle, CEO, Styr-Group; Ina Werner, Teamleiterin Smart Infrastructure, Siemens AG Österreich.
© BeigestelltEinig war sich die Runde, dass der Bau und Betrieb von Rechenzentren ein komplexes Unterfangen ist, in das Energieversorger ebenso eingebunden werden müssen wie die Politik, die mit Widmungen dafür sorgen könnte, dass Anlagen etwa dort errichtet werden, wo die Abwärme in ein Fernwärmenetz eingespeist werden könnte. Das Vorzeigebeispiel von Digital Realty, das mit seiner Abwärme die in unmittelbarer Nähe liegende Klinik Floridsdorf versorgt, lässt sich leider nicht so einfach an jedem beliebigen Standort wiederholen. Ina Werner, Teamleiterin von Smart Infrastructure bei Siemens Österreich verwies auf KI-gestütztes Gebäudemanagement „Mit Sensoren kann der Kühlbedarf direkt bei den Servern abgestimmt werden, allein damit bis zu 40 Prozent Energie eingespart werden“.
Hier einige Videoeindrücke vom ÖAG - Super Tuesday über Rechenzentren.
Microsoft sperrt im Sommer auf
Ein US-Konzern rüstet seine Kapazitäten in Europa massiv auf. Microsoft hat in den letzten eineinhalb Jahren 20 Milliarden Dollar in Datencenter investiert. Eine Region in diesem europäischen Netzwerk konnte sich die Wiener Niederlassung sichern. Geopolitische Stabilität und verfügbarer Grünstrom (in dem Fall vom Verbund) waren wichtige Kriterien.
Konkret sind es drei Standorte rund um Wien, die bald die Cloud-Region Österreich bilden und im Sommer offiziell ans Netz gehen. Dass nach der ersten Ankündigung 2020 die Errichtung länger als geplant dauerte, hatte vor allem mit der weltweit starken Nachfrage nach leistungsfähiger Hardware zu tun. Auf die Kapazitäten in den Microsoft-Rechenzentren zugreifen werden u.a. andere Rechenzentrumsbetreiber, Unternehmen, die ihre eigene Infrastruktur dorthin übersiedeln und eine Reihe von Microsoft-Partnern.
* Die Leistung von Rechenzentrum wird am Stromverbrauch gemessen.