
Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer der Rundfunk- und Telekom-Regulierungsbehörde RTR, über Glasfaser, Kupfer und KI mit Restrisiko – und warum er hofft, dass sich Europa bei der Infrastruktur endlich auf die eigenen Füße stellt.
Wir sind in einer Videokonferenz und haben offensichtlich unterschiedliche Bild- und Tonqualität. Standort und gewählter Tarif bestimmen das natürlich mit. Von hohen Bandbreiten im ganzen Land sind wir ein gutes Stück entfernt. Warum sind die Breitbandmillionen noch immer nicht überall angekommen?
In der Breitbandversorgung haben wir tatsächlich ein Land-Stadt-Gefälle. Gerade in den städtischen Gebieten haben wir Nachholbedarf. Von den vergebenen 2,5 Milliarden Förderungen sind noch 1,5 Milliarden Euro Fördervolumen offen, die oft erst noch verbaut werden müssen.
Warum passiert das nicht? Unter dem aktuellen Budgetdruck wird künftig nicht mehr selbstverständlich sein, dass die weiter fließen.
Wir wissen, dass im Budget nicht viel Geld vorhanden sein wird für neue Förderungen. Das Wort Evaluierung umschreibt das treffend. Die aktuell vergebenen Bundesförderungen liegen bei rund 2,5 Milliarden Euro. Die Hälfte ist noch nicht verbaut. Dadurch sehen wir sie auch noch nicht in den Ausbaustatistiken. 2024 hat sich aber die Ausbauzahl verdreifacht im Jahresvergleich. Es passiert also schon einiges.
Was könnte die Regierung idealerweise beitragen, wenn es nicht mehr die Förderungen sind?
Mein Wunsch an die Regierung ist nicht groß. Oft sind es die kleinen Dinge, etwa Verfassungsänderungen, die große Wirkung hätten, aber nichts kosten. Unsere föderalistische Struktur ist bei Ausbauverfahren manchmal hinderlich. Was nutzen die besten Förderungen, wenn ich fünf Jahre für Genehmigungsverfahren verliere.
Zur Person
Klaus M. Steinmaurer ist Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Telekommunikation und Post und wurde 2024 für eine zweite Amtszeit bestellt. Der Jurist mit IT-Background war von 1996 bis 2019 in lokalen und internationalen Managementrollen in der Telekombranche tätig. Er ist im Gremium der europäischen Regulierungsbehörden BEREC sowie Fachautor und Lehrbeauftragter zu Telekomrecht.
Was nutzen die besten Förderungen, wenn ich fünf Jahre für Genehmigungsverfahren verliere.
Glasfaser ist unbestritten die Technologie für die kommenden Jahrzehnte, sie wird aber nur zu einem Fünftel* genutzt. Ist es den Verbrauchern zu teuer oder der Mobilfunk einfach zu gut?
Unsere ausgezeichnete Mobilfunkinfrastruktur und der hohe Anteil an Cubes (Anm. mobile Router), die vielen Haushalten reichen und die einfach hingestellt werden, sind sicher ein Grund. Ein weiterer ist die vorhandene Kupferinfrastruktur, die bereits in der Erde liegt, und deren Kapazität mit Vectoring in den letzten Jahren noch einmal erweitert wurde.
Aus Sicht der Telekomprovider nachvollziehbar, dass sie noch länger auf etablierte Technologie setzen, wenn sich die Glasfaser nicht verkauft. Was können Sie als Marktaufseher tun?
Ein bisschen Soft Power haben wir schon, und mit der begleiten wir die Technologiewechsel. Im Mai holen wir alle Marktteilnehmer zusammen, um über einen Copper Switch-off zu beraten, also das Auslaufen der Kupfertechnologie mittelfristig mit den Markteilnehmern gemeinsam zu planen. Einige EU-Länder sind da schon sehr weit, wie Spanien beispielsweise; bei anderen wird das bis 2030 möglich sein. Das ist bei uns aber unrealistisch. Wir müssen aber jetzt anfangen zu planen, damit wir infrastrukturell nicht ein Entwicklungsland werden. Spanien, Portugal oder Litauen sind da schon viel weiter.
Das klingt aber dramatisch, nach globalem Süden …
Sie dürfen eines nicht vergessen. Die digitale Infrastruktur hat eine zweite Bedeutung: Digitale Infrastruktur ist die Mutter der Digitalisierung. Wir werden keine Datencenter betreiben können, wenn die Basisinfrastruktur wie Anbindung und Strom nicht passen. Wir müssen die Infrastruktur der Zukunft in einem gesamtstrategischen Konzept denken und nicht nur Voest und große Industrie im Auge haben. Ohne den digitalen Teil sind wir irgendwann draußen aus dem Spiel.
Die KI wird tatsächlich immense Ressourcen brauchen. In Ihrem Haus wurde vom letzten Digitalisierungsstaatssekretär Tursky noch eine KI-Servicestelle eingerichtet. Was macht die eigentlich?
Die macht richtig viel, und da sind wir stolz darauf, weil es das erst in wenigen Ländern gibt. Wir haben mit wenigen Mitteln, aber Topleuten vieles umgesetzt. Zum einen bieten wir niederschwellige Beratung an, zum anderen koordinieren wir Anfragen von Unternehmen und Anbietern. Wir reden mit Krankenhausträgern genauso wie mit einer Microsoft oder Oracle oder mit einem mittelständischen Unternehmen.
Bekommen die Anwender neben Beratung auch eine Art TÜV für ihre KI-Anwendungen?
Bescheide können wir keine ausstellen. Aber wenn etwa das Krankenhaus in Steyr ein KI-Programm für eine Analyse einsetzen will, geben wir eine erste Einschätzung ab. Wir sollten das Thema KI positiv angehen, nicht mit Überregulierung schon vorab erschlagen. In den Unternehmen sollte der Mindset sein: „Wir haben ein gewisses Restrisiko. Gehen wir es ein!“ Alle werden KI einsetzen, der Installateur genauso wie das Hotel.
In Ihrer Behörde ist auch eine Schlichtungsstelle angesiedelt. Gemessen am Volumen, den der Telekommarkt ausmacht, mit Millionen Kunden, gibt es wenig zu verhandeln. Ist das schlicht besser geworden über die Jahre?
Bei der Schlichtung haben wir als RTR eine gute Soft Power. Die meisten Probleme entstehen im Bereich „Vertragsschwierigkeiten“, wo die Verbraucher, salopp gesagt, nicht wissen, was sie gekauft haben. Aber die Betreiber bieten hier meist schnell Lösungen an.
Täuscht der Eindruck, dass bei Betrugsmaschen, etwas Rufnummernmissbrauch, mittlerweile viel mehr Handlungsbedarf besteht?
Der Eindruck täuscht nicht. Wir können aber nicht einfach eine Nummer abdrehen, bekommen aber durch unsere Meldestelle sehr schnell ein Lagebild. Wenn innerhalb eines Tages 250 Meldungen zu Nummern aus UK eintreffen, schrillen die Alarmglocken. Hier helfen uns die Medien, in dem sie auf die Masche aufmerksam machen und die Verbraucher sensibilisieren. Wieder ein Beispiel für unsere Soft Power.
Wir müssen die Infrastruktur der Zukunft in einem gesamtstrategischen Konzept denken und nicht nur Voest und große Industrie im Auge haben. Ohne den digitalen Teil sind wir irgendwann draußen aus dem Spiel.
Ideologisierte Messenger-Überwachung
Die Messenger-Überwachung ist gerade in Begutachtung gegangen. Der richtige Schritt?
Wir müssen bei diesen Eingriffen entscheiden, wieviel Freiheit ist mir ein Stück Sicherheit wert. Den Wunsch des DSN verstehe ich, und der ist technisch auch wunderbar zu lösen. Insofern sollten die Regelungen natürlich am letzten Stand sein. Die Polizei sagt, wir sind auf einem Auge blind. Tatsächlich sind sie heute wahrscheinlich auf beiden Augen blind. Wir sind technisch betrachtet noch am Stand vor 2015. Leider ist das Thema ideologisiert und oft fehlt eine vernünftige Diskussion.
Die Polizei sagt, wir sind auf einem Auge blind. Tatsächlich sind sie heute wahrscheinlich auf beiden Augen blind.
Rabatte, Pönalen und die Causa Servicepauschale
Bei der letzten Mobilfunkfrequenzauktion gab es Rabatte für den Ausbau entlegener Gebiete: Ihre Behörde untersucht das, unter anderem heuer wieder. Wo wird besonders hingeschaut?
Wir haben 2023 einige Pönalen verhängt. Für 2026 geht es um die Straßen- und Bahnversorgung. Da schauen wir heuer genau hin.
40.000 Euro Strafe klingen nicht besonders viel.
Das mag schon sein, aber spätestens bei der dritten Überprüfung wird’s dann zu teuer. Dann wäre es billiger gewesen, den Mast zu bauen. Alle Betreiber bemühen sich sehr. Nur einer hat es vielleicht am Anfang ein bisschen zu locker genommen.
Zur Causa Servicepauschale meinten Sie einmal, dass die Gerichte auch die volkswirtschaftliche Perspektive einrechnen sollten. Warum haben Sie sich da so klar positioniert?
Wenn tatsächlich entschieden werden sollte, dass bis zu einer Milliarde zurückgezahlt werden muss, fehlt dieses Geld dem Markt und wird nicht investiert. Unternehmen brauchen Rechtssicherheit, ein Entgelt, das rechtskonform war, auf bis zu zwanzig Jahre zurückzuverlangen, ist heikel. In England kann man gut beobachten was passiert, wenn die Investoren runterfahren und nur mehr das Notwendigste machen.
Der Diskontmarkt im Mobilfunk hat sich etabliert und ist für Haushalte mit geringen Einkommen ein wichtiges Angebot. Wie stellen Sie als Regulator sicher, dass der Wettbewerb erhalten bleibt?
Wir monitoren den Markt laufend. Wenn wir feststellen, dass der MVNO-Markt „an der kurzen Leine“ gehalten wird, etwa durch fehlende Großhandelspreise oder Ausschluss von Technologien, können wir Lösungen vorschlagen. Wenn die nicht freiwillig gefunden werden, kommt die zweite Stufe der Daumenschrauben, etwa Auflagen bei der nächsten Frequenzauktion. Drei Infrastrukturanbieter und dazu ein paar MVNO sind genau die richtige Anzahl für unseren Markt, um einen Wettbewerb sicherzustellen. Ohne die MVNOs hätten wir ein Preisproblem, das ist erwiesen. Wir sind aber nicht die Bösen, die strafen. Wir sind eine Behörde, die mit einem modernen Ansatz einen Markt entwickeln hilft.
Ohne die MVNOs hätten wir ein Preisproblem, das ist erwiesen.
Geopolitik als Booster
Digitale Souveränität scheint in Europa gerade von einer Idee zu einem strategischen Plan zu reifen. Sind wir wirklich schon reif für mehr technologische Unabhängigkeit?
Wir müssen uns noch nicht weiter abhängig machen, von russischer Energie und amerikanischer Technologie. Beide Länder sind nicht mehr vertrauenswürdig. Wir haben ein Jahrzehnt verloren, weil wir uns zu sehr darauf verlassen haben. Die jetzige geopolitsche Lage kann aber ein Booster sein. Wir müssen uns auf die Füße stellen und ein Gegengewicht schaffen: Datencenter, Clouds und europäische Satellitennetze aufbauen. Wenn wir es schaffen, auch nur zehn Prozent Marktanteil bei Rechenzentren und Cloudservices nach Europa zu holen, wäre das schon grandios. Wir reden nicht von 100 Prozent, wir reden einfach davon, Alternativen zu haben. Viel europäisches Geld, das an amerikanischen Börsen lauft, könnte in Europa investiert werden. Wir müssen das Momentum nutzen, das durch Druck von außen entstanden ist. Wichtig ist, dass Digitale Souveränität sowohl für Europa als auch hier in Österreich als politisches Ziel klar ausgesprochen wird. Alles andere folgt.
Wir müssen uns auf die Füße stellen und ein Gegengewicht schaffen: Datencenter, Clouds und europäische Satellitennetze aufbauen.
* Die sogenannte Take-Up-Rate beschreibt den Anteil der genutzten Glasfaseranschlüsse. Zuletzt waren in Österreich nur 20 Prozent der möglichen Anschlüsse verkauft.