Der KI-Manager: Digitalökonom, Autor und Speaker Martin Giesswein hat im Selbstversuch ausprobiert, inwiefern seine eigene Arbeit bereits von KI-Tools übernommen werden kann. Szenen eines Experiments.
Vor einem Jahr startete ich ein Experiment: Ich wollte mich als Führungskraft und Unternehmer durch Künstliche Intelligenz überflüssig machen. Für meine typischen Aufgaben wählte ich die aktuell besten KI-Tools aus und überließ ihnen die Arbeit.
Mitarbeiter:innengespräche mit KI-Coaching
Gespräche sind wichtig und nehmen viel Zeit in Anspruch. Da möchte ich alles richtig machen. Vor schwierigen Gesprächen habe ich mich von Sprach-KIs coachen lassen, meist während meiner Zug- und Autofahrten. Die KI simulierte anhand meiner Beschreibungen das Gesprächsverhalten des jeweiligen Kollegen und gab mir Anregungen für eine motivierende Gesprächsführung und effektive Fragetechniken. Auch ich selbst stehe mit dem Wissen aus meinen Büchern als Chat-KI für meine Kolleg:innen und Klient:innen zur Verfügung.
Verwendete Werkzeuge:
Mein Hallosophia KI-Klon: giesswein.hallosophia.com
Meetings ohne mich
Einen großen Teil meiner Zeit beanspruchten Online-Meetings, bei denen ich aber keine fachliche Hauptrolle hatte. Ich schickte im Vorfeld einer Videokonferenz nur mehr meine Agendapunkte und einen KI-Klon, ich selbst blieb aber immer öfter fern. Meine menschlichen Kolleg:innen diskutierten, erarbeiteten Lösungen und verteilten Aufgaben – ohne mein physisches Dabeisein. Wenige Minuten nach den Meetings hatte ich eine KI-Zusammenfassung des Gesagten und die zugewiesenen Tasks in meinem Posteingang.
Verwendete Werkzeuge:
Vorträge, Konzepte und Präsentationen erstellen
Wann immer ich eine guten Business-Gedanken hatte, sprach ich die frischen Ideen in mein Smartphone und ließ die Texte von der KI transkribieren (verwendetes Tool: sonix). Die spätere detaillierte Recherche zum Thema wurde mir durch perplexity.ai erleichtert. Diese KI gibt zu jedem ihrer Vorschläge einen Weblink an. So konnte ich schnell die Quelle und die Richtigkeit überprüfen.
Die von mir definierten Inhalte lud ich in KI-Tools wie Gamma.app oder PowerPoint mit Co-Pilot und sparte so 1-2 Stunden pro Präsentation oder Vortragstext.
Abbau von Datensilos: Ein ERP an einem Sonntag
Zusammen mit einem Logistikunternehmen stellte sich mein Team der Herausforderung, die Funktionen ihres Bestell- und Liefersystems mit Hilfe von KI nachzubilden. An einem einzigen Sonntag konfigurierten wir ein rudimentäres ERP-System mit GPT von openai. Dieses war in der Lage, Kunden über Lieferzeiten und Produktverfügbarkeit zu informieren und sogar Ersatzprodukte je nach Lagerbestand vorzuschlagen.
Um die Aufgabe bewusst komplexer zu gestalten, verteilten wir die Daten auf drei verschiedene Datenbanken. Trotz dieser Hürde hat die generative KI alle Kundenanfragen korrekt beantwortet. Diese "synthetische KI" birgt ein großes Potenzial, um die leidigen Datensilos in unseren Unternehmen zu überwinden.
Team-Building mit KI
Statt Flöße zu bauen und über Teiche zu paddeln, haben wir uns für ein KI-gestütztes Teambuilding entschieden. Mit Hilfe von Midjourney, RunwayML und Suno verwandelten wir uns in kurzen Videos im Marvel-Stil in Superheld:innen, inklusive passendem KI-Soundtrack. Neben dem Teamgeist wurde so auch jede Menge KI-Know-how geschaffen.
CEO-Fraud 2.0
Um das Thema Betrugsversuche mit Hilfe von KI zu beleuchten, habe ich in Trainings an der WU Executive Academy meinen täuschend echt wirkenden KI-Avatar mit geklonter Stimme eingesetzt (verwendetes Tool: heygen). Gemischt mit echten Videos von mir mussten die Teilnehmenden ihre detektivischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und die gefälschten Versionen entlarven.
Auch wenn Videokonferenzsysteme immer mehr Sicherheit bei der Identifizierung bieten: Letztendlich müssen wir Menschen entscheiden, ob unser Gegenüber ein Mensch oder eine Bertüger:in mit KI-Unterstützung ist.
Wurde ich als Manager ersetzbar?
Das Fazit des Experiments: Die KI hat mich nicht ersetzt, aber meine Produktivität wurde massiv gesteigert. Obwohl die eingesetzten Systeme (noch) nicht perfekt sind, habe ich im letzten Jahr durchschnittlich 5 Stunden pro Woche eingespart. Zeit, die ich für mein Unternehmen oder meine Familie nutzen kann.
Bis die KI einen Manager:in gänzlich ersetzen kann, wird es noch lange dauern. Aber einzelne Managementaufgaben kann eine KI schon heute übernehmen.