Wie die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Bionik, 3D-Druck, Robotik und weitere neue Technologien und Behandlungsmethoden, digitale eHealth Lösungen und optimierte Prävention die Gesundheit und die Lebenserwartung verbessern.
- Gesundheitssysteme im Wandel
- Lebenserwartung und gesunde Lebenserwartung
- Die Kosten der Gesundheitsversorgung
- Prävention und Selbstoptimierung
- Vorsorgeuntersuchung: Der Gesundheits-Check
- eHealth und EHDS: Europäischer Gesundheitsraum
- Visual Computing und KI-gestützte Diagnostik
- Bioscience, Biofundries und Robotik
- Bionische Prothesen mit künstlicher Intelligenz
- 3D-Druck im Gesundheitssektor
Verfassung der Weltgesundheitsorganisation WHO
Gesundheitssysteme im Wandel
Jeder Mensch hat der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge ein unveräußerliches Recht auf Gesundheitsversorgung. Diese Versorgung sollte effektiv, sicher und erschwinglich sein.
In Österreich ist diese Versorgung im Gegensatz zu manch anderen Ländern glücklicherweise gegeben. Das heimische Gesundheitssystem ist zwar kostspielig, aber es funktioniert und hat auch die Prüfung durch die COVID-19-Pandemie so recht und schlecht bestanden. Die Pandemie hat auch gezeigt, wie bedeutend Gesundheit ist für die Entwicklung, den Wohlstand und die nationale Sicherheit ist.
Forscher schätzen die Wahrscheinlichkeit einer neuen Pandemie in den nächsten 25 Jahren auf 47–57 Prozent. Der Klimawandel, die zunehmende Erderwärmung und das Bevölkerungswachstum könnten das Risiko noch erhöhen. Eine weitere Gefahr liegt in der zunehmenden Zahl von Krankheitserregern mit Abwehrmechanismen gegen gängige Medikamente – Stichwort Antibiotikaresistenz. Werden Antibiotika und andere antimikrobielle Arzneimittel wirkungslos, lassen sich Infektionen nur schwer und schlimmstenfalls gar nicht behandeln. Auch Standardeingriffe wie zentrale Venenkathether, Kaiserschnitte oder künstliche Hüften könnten dann tödlich verlaufen.
Das Gesundheitswesen steht somit vor enormen Herausforderungen und gleichzeitig sowohl technologisch als auch organisatorisch vor einem kompletten Umbruch. Neue Technologien ermöglichen bessere und schnellere Diagnosen, neue Behandlungsmethoden und innovative Kollaborationen, auch über Staatsgrenzen hinaus. Zusammen mit einer optimierten Prävention soll das Ziel erreicht werden, dass Menschen nicht nur länger leben, sondern auch länger gesund leben.
Die COVID-19-Pandemie war in vieler Hinsicht ein Weckruf und ein Kickstarter, Innovationen und Technologien im Gesundheitsbereich – etwa Telemedizin oder den Einsatz von künstlicher Intelligenz – voranzutreiben. Nie zuvor in der Geschichte wurde so viel Geld in die medizinische Forschung gesteckt wie in den Pandemie-Jahren. Nie zuvor wurden binnen so kurzer Zeit Impfstoffe entwickelt, mit deren Hilfe hunderttausende Leben gerettet werden konnten. Mit den neuartigen mRNA-Impfstoffen wurde dabei auch eine neue Kategorie von Impfstoffen generiert, die noch beim Kampf gegen viele weitere Krankheiten erfolgreich eingesetzt werden können.
Die Pandemie hat die Forschungs- und Innovationssysteme aber auch an ihre Grenzen geführt. Es wurde deutlich, wie dringend nötig Investitionen in die Gesundheitsversorgung, und besonders in die digitale Gesundheitsversorgung sind. IT-Netze und IT-Systeme sind unabdingbar für effiziente und effektive Lösungen: für Kontaktnachverfolgung, Warn-Apps und elektronische Impfpässe, für Online-Arzttermine und den Austausch von Patientendaten zwischen Krankenhäusern, für die Koordination von Schutzausrüstung wie Masken und von Intensivbetten.
Lebenserwartung und gesunde Lebenserwartung
Die Menschen leben immer länger. Laut Statistik Austria lag in Österreich im Jahr 2022 die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern bei 78,99 Jahren und die der Frauen bei 83,73 Jahren. Die Lebenserwartung bei Geburt in Österreich ist somit seit dem Jahr 1951 bei Männern um 16,6 Jahre und bei Frauen um 16,0 Jahre gestiegen.
Ein Gutteil dieser höheren Lebenserwartung ist jedoch der seit den 1950er Jahren stark gesunkenen Säuglingssterblichkeit zuzuschreiben. Konkretisiert auf die Lebenserwartung der über 60 Jahre alten Österreicherinnen und Österreicher hat sich deren Lebenserwartung im Mittel um rund sieben Jahre verlängert (siehe Grafik).
Doch eine höhere Lebenserwartung bedeutet nicht auch gleichzeitig, dass sich die Menschen ihres hohen Alters auch erfreuen können und in den gewonnenen Lebensjahren auch gesund und vital sind.
Das zeigt die gesunde Lebenserwartung der Menschen in Österreich. Sie gibt an, wie viele Jahre eine Person in einem bestimmten Alter noch in guter Gesundheit ohne Beeinträchtigungen leben können wird. Diese gesunde Lebenserwartung liegt in Österreich deutlich unter der allgemeinen statistischen Lebenserwartung, und zwar bei Männern nur bei 63,1 Jahren und bei Frauen auch nur bei lediglich 64,7 Jahren.
Das bedeutet, dass Männer bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 78,99 Jahren rein statistisch nahezu die letzten 16 Jahre ihres Lebens mit gesundheitlichen Einschränkungen leben müssen. Bei Frauen, die im Mittel 83,73 Jahre alt werden, ist dieser Wert mit etwas über 19 Jahren sogar noch deutlich höher.
Einen direkten Zusammenhang gibt es auch zwischen der gesunden Lebenserwartung der Menschen und der Schulbildung. Die Statistik zeigt, dass die Lebenserwartung - und besonders auch die gesunde Lebenserwartung sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit dem Bildungsgrad deutlich steigt. Während etwa Männer mit Hochschulabschluss durchschnittlich 83,2 Jahre alt werde und sich davon 71,6 Jahre sehr guter Gesundheit erfreuen können, liegt die Lebenserwartung bei Männern mit Pflichtschulabschluss bei nur 76,7 Jahren und die gesunde Lebenserwartung gar nur bei 54,1 Jahren. Bei Frauen sind die Verhältnisse ähnlich. Frauen mit Hochschulabschluss werden im Schnitt 86,4 Jahre alt, wovon 70,9 gesunde Jahre sind. Bei Frauen mit Pflichtschulabschluss sinken die Werte auf 82,7 Jahre bzw. 56,0 Jahre (siehe Tabelle)
Übersicht: Lebenserwartung und Bildungsniveau
Bildung | Lebenserwartung | Gesunde Lebenserwartung | |
---|---|---|---|
Männer | Hochschule | 83,2 Jahre | 71,6 Jahre |
Männer | Höhere Schule | 81,2 Jahre | 68,5 Jahre |
Männer | Lehre, mittlere (Fach-)Schule | 79,1 Jahre | 62,4 Jahre |
Männer | Pflichtschule | 76,7 Jahre | 54,1 Jahre |
Frauen | Hochschule | 86,4 Jahre | 70,9 Jahre |
Frauen | Höhere Schule | 85,4 Jahre | 69,3 Jahre |
Frauen | Lehre, mittlere (Fach-)Schule | 84,5 Jahre | 66,5 Jahre |
Frauen | Pflichtschule | 82,7 Jahre | 56,0 Jahre |
Lebenserwartung und gesunde Lebenserwartung nach Bildung
Die Kosten der Gesundheitsversorgung
Die höhere Lebenserwartung und die erheblich darunter liegende gesunde Lebenserwartung, die sogar unter dem offiziellen Pensionsantrittsalter von 65 Jahren liegt, haben auch ihren Preis. Während die medizinische Betreuung der Menschen unter 40 Jahren pro Jahr im Durchschnitt Kosten von 1.800 € pro Person verursacht, sind die Ausgaben für Menschen zwischen 50 und 59 schon doppelt so hoch. Bis zum 75. Lebensjahr verfünffachen sie sich bereits auf 9.000 € und bei den über 90 jährigen liegen die durchschnittlichen Gesundheitskosten pro Person bereits bei rund 27.000 € pro Jahr.
Die steigende Lebenserwartung der in Österreich lebenden Menschen und die im Lauf des Lebensalters zunehmenden Kosten für die gesundheitliche Betreuung lassen sich auch aus der Entwicklung der Gesundheitsausgaben herauslesen. Diese sind etwa von der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2020 von 20,98 Mrd. € auf 46,23 Mrd. € gestiegen. Aufgrund der Pandemie-Bekämpfung gab es im Jahr 2021 einen weiteren deutlichen Anstieg auf 52,12 Mrd. €. Rund 12 % des gesamten österreichischen BIP entfallen somit auf Gesundheitsausgaben. Etwa drei Viertel davon werden von der öffentlichen Hand getragen, ein Viertel wir privat finanziert.
Übersicht: Öffentliche und private Gesundheitsausgaben (in Mrd. €)
2000 | 2005 | 2010 | 2015 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Ausgaben gesamt | 20,982 | 26,064 | 32,296 | 38,380 | 46,232 | 52,120 |
Öffentl. Ausgaben | 15,711 | 19,081 | 23,824 | 27,867 | 34,889 | 40,205 |
Private Ausgaben | 5,270 | 6,982 | 8,472 | 10,513 | 11,343 | 11,915 |
Entwicklung der Gesundheitsausgaben 2000 - 2020 und 2021
Prävention und Selbstoptimierung
Geschlecht und Bildungsstand sind natürlich nicht die einzigen Faktoren, die für die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen entscheidend beeinflussen. Grundsätzlich hat es davon unabhängig jeder und jede selbst in der Hand, dem eigenen Körper etwas Gutes zu tun und somit den Gesundheitszustand positiv zu beeinflussen.
Der große Trend dafür ist Self-Tracking und Selbstoptimierung, die permanente Überwachung der eigenen Fitness- und Gesundheitswerte mit Smart Watches, Fitnessarmbändern und anderen Wearables (tragbaren Geräten), in Kombination mit Fitness-Apps.
Seine Ursprünge hat der Trend im Spitzensport, wo Leistungssportler Mitte der 1980er Jahre begonnen haben, ihre Herzfrequenzen zu messen und anhand der so gewonnenen Informationen ihre Trainings zu optimieren. In den 2020ern ist der Trend längst in der breiten Masse angekommen und wird längst nicht nur genutzt, um beim Sport die Leistung zu optimieren, sondern auch im ganz normalen Alltag.
Am weitesten verbreitet sind diese Fitness-Tracker am Handgelenk, getarnt als ganz normale Armbanduhren. Egal ob von Apple, Garmin, Samsung oder einem anderen Hersteller. Die Mini-Computer zeichnen – gekoppelt mit dem Smartphone – alle Bewegungen und Aktivitäten auf und geben über die mit ihnen verknüpften Apps Informationen über den eigenen Gesundheits- und Fitnesszustand und wie dieser verbessert werden kann. Vom einfachen Schrittzähler, der überwacht, ob man sich genug bewegt, zur "Body Battery", die den Energielevel anzeigt, der laufenden Herzfrequenzmessung, der Schlafanalyse, Stresslevel-Messung, Atem- und Konzentrationsübungen bis zum Kalorienzähler, der Überwachung des Wasserkonsums oder des Menstruationszyklus.
Der Trend zur Selbstoptimierung ist ganz im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention, die auch auf der politischen Gesundheits-Agenda an oberster Stelle stehen. Das Ziel der Politik ist, die Erkrankungsrisiken der Menschen zu reduzieren und gesundheitsschädliches Verhalten zu vermeiden. Dafür wurde mit dem Gesundheitsförderungsgesetz auch ein rechtlicher Rahmen geschaffen und jährlich stellt der Bund auch für die Umsetzung von Gesundheitsförderungs-Aktivitäten ein Budget von 7,25 Millionen Euro zur Verfügung. Doch es gibt für den Gesetzgeber wohl nichts Besseres als wenn die Menschen die Prävention mittels Self-Tracking selbst in die Hand nehmen. Auch weil er dann datenschutzrechtlich aus dem Schneider ist.
Vorsorgeuntersuchung: Der Gesundheits-Check
Im Jahrbuch für Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft in Österreich, das jährlich von Sanofi-Aventis in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) veröffentlicht wird, betont Sanofi Österreich Geschäftsführer Wolfgang Kops: "Wer selbst für die eigene Gesundheit vorsorgt, kann sein Wohlbefinden verbessern, Krankheiten vermeiden und die Anzahl der gesunden Lebensjahre steigern."
Und WKÖ Generalsekretär Karlheinz Kopf hebt die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Vorsorgemedizin und Gesundheitsförderung hervor: Gesundheitsvorsorge ist gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels wesentlich. Wenn es uns gelingt, dass wir nicht nur immer älter werden, sondern auch mehr gesunde Lebensjahre verbringen, kehren auch weniger Menschen der Arbeitswelt vorzeitig den Rücken."
Die Vorsorgeuntersuchung ist dafür ein wichtiges gesundheitspolitisches Instrument. Im Rahmen der Untersuchung haben alle Personen über 18 Jahre mit Wohnsitz in Österreich die Möglichkeit, einmal im Jahr einen von der Krankenkassa finanzierten, umfangreichen Gesundheits-Check durchzuführen. Dem Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen zufolge rechnet sich das, hat doch die Vorsorgeuntersuchung einen wesentlichen Anteil an der in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Lebenserwartung,
Im Rahmen der Primärprävention steht dabei die Vermeidung von gesundheitlichen Risiken im Vordergrund. Im Rahmen der Sekundärprävention geht es bei dem auch Gesundenuntersuchung genannten Check um die Früherkennung von Krankheiten. Chronische Erkrankungen oder Krankheiten mit schleichenden Symptomen sollen bereits im Frühstadium erkannt werden, was die Heilungschancen erheblich verbessert. Ein Schwerpunkt liegt bei Vorsorgeuntersuchungen daher auch Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen, die in Österreich die häufigsten Todesursachen sind.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen hierzulande bei Frauen über 65 Jahren und bei Männern über 45 Jahren die Haupttodesursache dar. Bei 47 Prozent der Frauen und bei 38 Prozent der Männer werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Todesursache angegeben.
Erhebungen der Statistik Austria zufolge erkranken in Österreich jährlich etwa 42.000 Menschen an Krebs, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Für beide Geschlechter stellen bösartige Tumorerkrankungen, nach den Herz-Kreislauferkrankungen, die zweithäufigste Todesursache dar.
Seit der Einführung einer einfachen Abstrichuntersuchung (PAP-Abstrich) konnte etwa die Sterblichkeitsrate bei Gebärmutterhalskrebs in den letzten zwei Jahrzehnten um 50 Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus hat die frühzeitige Behandlung von Bluthochdruck dazu beigetragen, dass die Todesfälle durch Schlaganfall seit 1980 um 45 Prozent zurückgegangen sind.
eHealth und EHDS: Europäischer Gesundheitsraum
Die Jahre der Corona-Pandemie waren für die Menschen weltweit eine enorme Belastung. Im Bereich der Gesundheit und der Medizintechnik wurden vom Kampf gegen das Corona-Virus jedoch Innovationen angestoßen, von denen die Menschheit noch lange profitieren wird.
Ein wesentlicher Punkt dabei sind die Fortschritte, die im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens und eHealth gemacht wurden. Ob Telemedizin – elektronischer Arztbesuch mit Video-Konsultation –, elektronische Gesundheitsakte (ELGA) und Medikationsübersicht mit Hilfe des digitalen Rezepts.
Oder die Digitalisierung im Bereich der Labore, wo neue Supercomputer klinische Daten schneller als je zuvor analysieren und so aus der medizinischen Forschung schneller neue Medikamente, Therapien oder Diagnoseverfahren entstehen lassen und Innovationen beschleunigen.
Die Nutzung digitaler Technologien hat während der COVID-19-Pandemie erheblich zugenommen. Komplexe Vorschriften und unterschiedliche Strukturen und Verfahren in den EU-Mitgliedstaaten haben jedoch auch Grenzen aufgezeigt, besonders was den transnationalen Zugriff auf Gesundheitsdaten und ihren Austausch betrifft. Zudem werden die Gesundheitssysteme nun immer häufiger Ziel von Cyberangriffen.
Mit der eHealth-Initiative soll das vernetzte Arbeiten im medizinischen Bereich nicht nur innerhalb Österreichs, sondern auf europäischer Ebene nutzen zu können. Im Mai 2022 hat die Europäische Kommision eine Verordnung zur Schaffung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten – den European Health Data Space EHDS – vorgestellt, um das volle Potenzial dieser Daten im Dienste der Gesundheit nutzen zu können.
Als zentraler Baustein der europäischen Gesundheitsunion soll der europaweit vernetzte EHDS die Gesundheitsversorgung der Menschen in ganz Europa verbessern. Ein entscheidender Knackpunkt dabei ist der Schutz persönlicher Daten und eine sichere Übertragung medizinischer Daten. Denn medizinische Daten sind absolut persönlich und vertraulich und müssen geschützt werden, vor unbefugten Lesezugriffen, und besonders auch vor Cyber-Angriffen. Einzelpersonen müssen zudem die Kontrolle über ihre eigenen Gesundheitsdaten behalten.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, die den EHDS als historischen Schritt bezeichnet, betont: "Diese Daten, auf die unter Gewährleistung strikter Garantien für den Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit zugegriffen wird, werden auch Wissenschaftlern, Forschenden, Innovatoren und politischen Entscheidungsträgern, die an künftigen lebensrettenden Behandlungsmethoden arbeiten, von hohem Wert sein."
Damit der EHDS Realität werden kann ist eine allerdings weitere Digitalisierung auf in allen EU-Mitgliedsstaaten erforderlich. Gleichzeitig sind interoperable EU-weite Infrastrukturen erforderlich, um die grenzüberschreitende Nutzung von Gesundheitsdaten in der EU zu ermöglichen. 12 Mrd. € werden dafür in den einzelnen Mitgliedsstaaten aus dem Aufbau- und Resilienzfonds investiert, gut eine weitere Milliarde Schießt die EU hinzu-
Visual Computing und KI-gestützte Diagnostik
Virtual reality, Künstliche Intelligenz, Hochleistungsrechner, Cloud- und intelligente Middleware - alle modernen Register der IT sollen künftig genutzt werden, um Entwicklungen im Bereich der Gesundheit voranzutreiben. Auch im Bereich der bildbasierten Diagnostik.
Noch vor 50 Jahren – in den 1970er Jahren – gab es außer Röntgenaufnahmen keine bildgebenden Verfahren. Ärztinnen und Ärzte waren in gewisser Hinsicht blind, sie konnten nicht in die Körper der Menschen hineinschauen. Die Computertomografie (CT) und die Magnetresonanztomografie (MRT) haben neue Möglichkeiten eröffnet. Die bildbasierte Diagnostik ist heute eine der grundlegenden Techniken zur Erkennung von Erkrankungen. Die immer bessere Verfügbarkeit und Qualität von bildgebenden Verfahren erhöht die Qualität der Diagnostik, aber auch die Menge an Daten, die zu bewältigen sind.
"Ein grundlegender Wandel in der Methodik zur Entwicklung neuer digitaler Tools findet durch die massiven Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz zur Unterstützung von bildbasierten Diagnosen statt", weiß Katja Bühler, Wissenschaftliche Leiterin & Head of Biomedical Image Informatics des VRVis – Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung, Österreichs größter Forschungseinrichtung auf dem Gebiet des Visual Computing. Sie arbeitet im VRVis unter anderem daran , vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz für bildbasierte Diagnoseprozesse im klinischen Alltag zu verankern.
Auch dafür ist der europäische Gesundheitsraum EHDS bedeutend. Wenn etwa ein Gesundheitstechnologieunternehmen wie das VRVis in Zukunft ein neues KI-basiertes Instrument entwickelt, das Ärzten hilft, Laborbilder zu überprüfen und Diagnose- und Behandlungsentscheidungen zu treffen. Dafür muss die KI trainiert werden und die aktuellen Bilder mit denen vieler anderer früherer Patienten vergleichen. Über den EHDS kann das Unternehmen einen sicheren Zugang zu einer großen Zahl medizinischer Bilder bekommen, um den Algorithmus zu trainieren.
Bioscience, Biofundries und Robotik
Bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der Suche nach medizinischen Lösungen, insbesondere der raschen Impfstoffentwicklung, haben digitale und biomedizinische Technologien eine entscheidende und unübersehbare Rolle gespielt. Zukunftstechnologien, die auch weiterhin dazu beitragen können, die gesundheitliche Resilienz von Gesellschaften zu steigern, sind das Bioingenieurwesen, Bioscience, und die Robotik.
Bioscience versucht, Biotechnologie noch stärker ingenieurwissenschaftlich auszurichten. Ein Schwerpunktbereich ist dabei die Industrieproduktion. Dank eines technologischen Durchbruchs der jüngeren Zeit, den sogenannten Biofoundries, lässt sich die Zeit zwischen Idee und Produkt deutlich verkürzen. Zugleich werden die Verlässlichkeit und Reproduzierbarkeit der medizinischen Biofertigung verbessert.
Biofoundries sind hochautomatisierte Anlagen, die durch einen koordinierten Einsatz von Laborrobotern detaillierte, komplexe Workflows abarbeiten. Roboter übernehmen dabei repetitive Tätigkeiten, Hochdurchsatz-Technologien produzieren enorme Datenmengen, die mit Hilfe von Big-Data-Methoden und zunehmend auch künstlicher Intelligenz ausgewertet werden.
Daniel Schindler, Leiter der Biofoundry MaxGenesys am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (MPIterMic): "Das bedeutet effizienteres Arbeiten. Man kann damit Dinge machen, die der Mensch selbst gar nicht schaffen könnte. Beim manuellen Pipettieren passieren etwa in diesen Größenordnungen Fehler; die Maschine kann man programmieren und dann sind die Transfers genau. "
Die auf Boten-RNA (mRNA) basierenden Impfstoffe wie die COVID-19 Impfstoffe von Pfizer und Moderna eignen sich ebenfalls besonders für die Entwicklung in Biofundries. Laborroboter können diese Impfstoffe auch schnell an neue Mutationen anpassen.
Der Biofundry-Trend beeinflusst auch die Rolle des Menschen in der Forschung. Der Paradigmenwechsel: Heute werden Menschen noch durch Automationssysteme wie Pipettier-Roboter oder Mikro-Kultivierungs-Systeme unterstützt. Im automatisierten Labor der Zukunft werden Roboter alle Labor-Arbeitsschritte übernehmen. Menschen werden dann nur noch als finale Bewerter von Informationen und Entscheidungsinstanz für Prozesse agieren, und auch das mit Unterstützung von Augmented Reality und anderen Technologien.
Bionische Prothesen mit künstlicher Intelligenz
Von den einfachen Prothesen früherer Tage ist die Medizintechnik inzwischen meilenweit entfernt. Der aktuelle technologische Stand sind maßgeschneiderte, bionischen Produkte, die Bewegungen und Funktionen echter Extremitäten nachahmen und über die noch vorhandenen Muskeln und gesteuert werden.
Die von Ottobock entwickelte, mit Hilfe künstlicher Intelligenz lernende Myo Plus Prothesensteuerung für Handprothesen übernimmt dabei auch die neuronalen Impusle aus dem Gehirn zur gedanklichen Steuerung der Prothesen. Die adaptive Steuerung kann Patienten mit einer ein- oder auch beidseitigen Unterarmamputation helfen, ihre Prothese intuitiv über ihre Gedanken zu steuern. Damit werden exakte Bewegungen künstlicher Gliedmaßen, Hände und Finger, Realität.
Thomas Fuchsberger leitender Oberarzt am Klinikum Traunstein erklärt: "Denkt ein Mensch an eine bestimmte Handbewegung oder einen Handgriff, sendet das Gehirn dazugehörige Nervensignale an die Muskulatur. Daraufhin führen die Muskeln die Bewegung oder den Handgriff aus. Nach einer Amputation ist die Hand und deren Funktion immer noch im Gehirn angelegt. Amputierte können sich weiterhin vorstellen, ihre Hand zu bewegen. Auch die Signale werden weitergesendet, jedoch fehlt das entsprechende Organ für die Umsetzung des Befehls."
Mit acht Elektroden misst die Myo Plus Mustererkennung dabei die eingehenden Signale am Unterarm und erkennt daraus Muster, die charakteristisch für einzelne Bewegungen sind. Über komplexe Algorithmen erlernt die Maschine schließlich, die Signale und Muster zu klassifizieren und zu verstärken, so dass sie einer Prothesenbewegung zugeordnet werden können.
So werden auch komplexe Bewegungen möglich, wie das Binden eines Schuhbands, das Drehen eines Türknopfes oder der Griff nach einer Wasserflasche. Die Prothesensteuerung erkennt das zugehörige Bewegungsmuster und gibt der Prothese den Befehl, den jeweiligen Griff oder die Rotation automatisch auszuführen. Das Training der Prothese für einzelne, präzise Aufgaben erfolgt über eine ergänzende Smartphone-App.
3D-Druck im Gesundheitssektor
Eine weitere Revolution im Bereich der Prothesen stellt der Einsatz von 3D-Drucktechnolologien dar. Binnen kurzer Zeit haben sich 3D-Druckverfahren zu einer Möglichkeit entwickelt, Implantate, Prothesen oder Orthesen wie etwa Stützschienen herzustellen, die exakt auf die Anatomie der jeweiligen Patienten zugeschnitten sind. Zudem können auch entsprechende Werkzeuge erstellt werden, mit denen sogenannte restaurative Behandlungen mit Schrauben oder Platten präziser platziert und durchgeführt werden können.
Durch diese neuen Möglichkeiten ist die personalisierte Präzisionsmedizin auf dem Vormarsch, mit Vorteilen sowohl für die Patienten als auch für die Ärzte. Für die Patienten eröffnen sich neue Therapiemöglichkeiten, für die Mediziner wird es einfacher, komplexe Fälle zu lösen und bessere Behandlungsergebnisse zu erzielen.
3D-gedruckte Anatomiemodelle
Bildgebende Diagnoseverfahren, MRT- und CT-Bildern, kombiniert mit 3D-Drucktechnologien ermöglichen es, Anatomiemodelle zu erstellen, die exakt der Anatomie der Patienten entsprechen. Solche Modelle können bei chirurgischen Eingriffen als Vorlage genutzt werden. Neue, biokompatible 3D-Druckmaterialien ermöglichen außerdem die schnelle Herstellung neuer Operationswerkzeuge, mit denen die Dauer von Operationen reduziert und die Genauigkeit bei komplizierten Eingriffen erhöht wird.
Neue Medizinprodukte und Instrumente
3D-Druck wird in der Medizintechnik intensiv für das Rapid Prototyping genutzt, der Herstellung von präzisen Prototypen aus einem sogenannten digitalen Zwilling. Darunter versteht man ein am Computerbildschirm generiertes Modell, das alle notwendigen Parameter wie etwa Größe, Form, Belastbarkeit oder bei Gelenken Beweglichkeit erfüllt. Durch den Einsatz der 3D-Druck wird der Designprozess enorm beschleunigt und von etlichen Wochen auf wenige Tage reduziert. Die Teile können anschließend binnen weniger Stunden gedruckt und fertiggestellt werden.
Erschwingliche und exakte Prothesen, Einlagen und Orthesen
3D-Druck und der Einsatz neuer Druckmaterialien ermöglichen es, binnen kurzer Zeit und kostengünstig Prothesen für den Alltagseinsatz herzustellen. Das gleiche gilt für Einlagen oder Orthesen aus dem 3D-Drucker
Bioprinting, Gewebezüchtung und 3D-Organe
Ein wichtiges Forschungsfeld in der Medizintechnik ist der Einsatz von Bioprinting zur Herstellung von Geweben oder Organen, die bei Transplantationen verwendet werden können. Dabei werden mit Hilfe von sogenannter Biotinte gewebeähnliche Strukturen geschaffen werden oder Ersatzgewebe in Laboren gezüchtet.
Die Hoffnung ist, dass in Zukunft so patientenspezifisches Gefäßgewebe geschaffen werden kann und damit etwa Herz-Kreislauf-Krankheiten behandelt werden können, ohne dass es zu gefürchteten Reaktionen des Immunsystems kommt. Der Biodruck voll funktionsfähiger innerer Organe wie Herz, Niere und Leber klingt noch wie Zukunftsmusik. Allerdings machen hybride 3D-Drucktechniken sehr schnelle Fortschritte. Im April 2019 ist es einem Forschungsteam an der Universität von Tel Aviv bereits gelungen, ein erstes 3D-Herz aus biologischen Materialien eines Patienten herzustellen.
Im medizinischen 3D-Druck wird zudem an der Möglichkeit zur Herstellung synthetischer Blutgefäße geforscht, die der exakten Form, Größe und Geometrie der betroffenen Gefäße entsprechen.
Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten zur medizinischen Kooperation und Schwächen in den Gesundheitssystemen auszumerzen.
Die Lebenserwartung der Menschen steigt weiter an, doch die zwischen der Lebenserwartung und der gesunden Lebenserwartung gibt es eine große Diskrepanz. Diese stellt große Herausforderungen an die Gesundheitssysteme.
Die Finanzierung der Gesundheitssysteme wird immer kostspieliger. Prävention und Selbstoptimierung können Kosten massiv senken und schaffen Lebensfreude.
Der Europäische Gesundheitsraum EHDS soll das Wissen der Medizin und der medizinischen Forschung europaweit bündeln und Innovationen am Gesundheitssektor vorantreiben.
Neue Technologien wie Visual Computing und KI-gestützte Diagnostik ermöglichen die präzise Früherkennung.
Der Einsatz von Biofundries und Labor-Robotik ermöglicht die Rationalisierung von medizinischen Tests und trägt zur raschen Einführung neuer Medikamente, Impfstoffe und Therapien bei.
Bionische Prothesen und Prothesen und ganze Organe aus dem 3D-Drucker schaffen neue Perspektiven in der Medizintechnik.