Martin-Hetzer, seit Jänner 2023 Präsident vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA).
Die Bestellung von Martin Hetzer zum Chef des ISTA könnte den Impact des heimischen Spitzenforschungsinstituts nochmals steigern. Denn er ist nicht nur Topwissenschaftler, sondern auch offen für die Wirtschaft und gut im Werben um privates Kapital.
Man kann sich Martin Hetzer gut in Kalifornien vorstellen: sportlicher Typ, eine gewisse Gelassenheit, offene Art. Das Surfboard, dass er in den USA lieben lernte, steht jetzt als Reminiszenz im Büro. Seit der 56-Jährige zurück in Österreich ist, hat er seine Outdoor-Aktivitäten vom Meer in die heimischen Berge verlegt.
Eigentlich ist Martin Hetzer aber Wissenschaftler. Und zwar ein höchst erfolgreicher. Der Molekularbiologe war Vice President am Salk Institute in San Diego, einer der global renommiertesten Adressen auf diesem Gebiet. Seit Jänner 2023 steht er als Präsident dem Institute of Science and Technology Austria (ISTA) vor, der Nummer eins hierzulande.
Seine Kür - im Auswahlgremium saßen zwei Nobelpreisträger - ist einerseits eine Überraschung. Denn wer als österreichischer Wissenschaftler in den USA reüssiert, kehrt selten zurück. "Es haben einige gefragt, ob ich verrückt bin", lacht Hetzer. Dass er aus Klosterneuburg stammt, wo auch das ISTA steht, ist mehr Zufall, als es die Entscheidung beeinflusste. Zum anderen gibt es wohl kaum eine Bestellung in diesem zu Ende gehenden Jahr, die einen größeren Impact auf den Standort hätte, auch aus wirtschaftlicher Sicht.
Für österreichische Verhältnisse ist das ISTA schon bisher einmalig: größtenteils öffentlich finanziert -trotzdem mischt die Politik nicht mit. So gelang es, Hunderte junge und toptalentierte Forscher aus der ganzen Welt hierher zu holen. 1.100 Mitarbeiter aus 80 Ländern arbeiten derzeit in Maria Gugging bei Klosterneuburg. Das Durchschnittsalter der Professoren liegt bei knapp über 30. Das Institut, 2009 gegründet, genießt mittlerweile hohe internationale Reputation.
Mit Hetzer sollte es noch mehr Schwung gewinnen. Er ist ein hochseriöser Wissenschaftler (mit Schwerpunkt Zellalterung), hat aber auch einen amerikanischen Zugang zu Marketing, Verwertung von Forschung, Kooperationen mit der Wirtschaft und zum Bemühen um private Geldmittel.
Vieles davon brachte schon sein Vorgänger Thomas Henzinger auf Schiene, war aber zurückhaltender gegenüber der Öffentlichkeit. Hetzer hat in San Diego gelernt, dass Erfolg nicht nur die Arbeit hinter verschlossenen Labortüren, sondern auch viel öffentliche Wahrnehmung braucht.
Der Spendenkaiser
3,3 Milliarden Euro haben Bund und Land Niederösterreich bis 2036 zugesagt. Mindestens 400 Millionen muss das ISTA selbst an Drittmitteln aufstellen. Eine wichtige Quelle dafür sind die ERC Grants des Europäischen Forschungsrats. Obwohl um diese mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotierten Förderpreise für junge Forscher beinharter Wettbewerb herrscht, konnten schon 78 Prozenten aller ISTA-Professoren Gelder erhalten. 47 Prozent der Anträge waren erfolgreich. Damit liegt man europaweit vorne und konnte über 100 Millionen nach Klosterneuburg lenken.
Ein weiterer Pfeiler ist die Stiftung, die Spenden von Privaten, Familiy Offices oder Unternehmen sammelt. Schon 2010 gab die Familie Bertalanffy nach dem Verkauf ihrer Pharmafirma Ebewe an Novartis zehn Millionen Euro. 2022 hinterließ die verstorbene Wiener Unternehmerin Magdalena Walz dem ISTA 25 Millionen. Der ehemalige Mayer-Melnhof-Chef Michael Gröller findet sich ebenso unter den Gönnern wie die Familie Essl (bauMax) oder die Voestalpine. Verbund spendete fünf Millionen.
Martin Hetzer, der 2023 sogar zum österreichischen Fundraiser des Jahres gekürte wurde, baut auf diese Erfolge eine Capital Campaign auf, die hierzulande neue Dimensionen erreichen soll. Derzeit beträgt der Kapitalstock der Stiftung über 100 Millionen Euro.
Die Erträge fließen in die Forschungstätigkeit und die dafür nötige Infrastruktur. Philanthropie sei wichtig, "weil mit dem Geld riskante Projekte möglich werden, die der Staat nicht fördern kann", betont Hetzer.
Unter der Marke xista wurde außerdem ein Venture Capital Fund geschaffen, an dem sich laut xista-Chef Markus Wanko ca. 30 private und öffentliche Investoren sowie Unternehmen beteiligt haben. 45 Millionen Euro stehen bislang für Spin-offs des ISTA und andere Start-ups zur Verfügung. Gelingen später Exits, fließen die Gewinne aus den ISTA-Anteilen in die Stiftung.
Auftragsforschung wird in Maria Gugging nicht gemacht. Aber Hetzer und Wanko wollen Kooperationen mit Unternehmen ausbauen. Bei der Verwertung von Patenten und technologischen Entwicklungen unterstützt ebenfalls xista.
Alles in allem wurden per Ende 2023 schon rund 250 Millionen Euro an Drittmitteln lukriert - die Vorgabe der Politik wird sich somit locker sehr deutlich übertreffen lassen.
Internationale Top-Liga
Präsident Hetzer sagt, das ISTA, das nach dem Vorbild des Weizmann-Instituts in Israel konzipiert wurde, habe unter allen Mitbewerbern in Europa und Nordamerika eines der größten Wachstumspotenziale. Das Ziel ist eine Verdopplung von 78 auf 150 Forschungsgruppen und auf rund 2.000 Mitarbeitende bis 2036. Aktuell wachsen etwa die Bereiche Chemie, Physik, Computerwissenschaften, Life Science, Astrophysik und Klimawissenschaften stark. "Jetzt geht es darum, uns von jenen Institutionen unterscheiden, die jeder kennt."
Gemeint sind die Ivy-League-Topuniversitäten und das MIT in den USA bzw. ETH Zürich oder Cambridge in Europa. Klingt aufs Erste vermessen, aber das Fachmagazin "Nature" nennt das ISTA größenbereinigt bereits die Nummer drei in Europa und Nordamerika.
Den Stellenwert der Klosterneuburger untermauert auch, dass sie, was den Austausch von Forschern betrifft, schon in dieser Liga angekommen sind. "Das ISTA ist deswegen noch weniger bekannt, weil es keine normalen Studenten hat, sondern nur Doktoranden, Post-Docs und Professoren", meint Claus Raidl, früherer Industriemanager und bis Oktober Vorsitzender des ISTA-Kuratoriums: "In fünf, spätestens zehn Jahren wird man und in einem Atemzug mit Harvard, MIT oder ETH nennen. Da bin ich sicher."
Um nicht nur Weltruf zu erlangen, sondern die Bedeutung des Instituts auch im Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung besser zu verankern, was wahrscheinlich die schwierigere Aufgabe ist, wurde die Marke VISTA geboren. Mit ihr will Martin Hetzer Erkenntnisse aus der Forschung durch Wissensvermittlung und Bildungsinitiativen vom Schulalter weg in die Gesellschaft tragen.
Der Artikel ist der trend. edition+ Ausgabe vom 22.12.2023 entnommen.