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ISTA-Chef Martin Hetzer: "Wir haben in Europa und Nordamerika von allen das beste Wachstumspotenzial"

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10 min

ISTA-Chef Martin Hetzer: "Spenden an uns sind keine Nothilfe, sondern Investitionen in die Zukunft der Gesellschaft."

©ISTA / Rigaud
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Im Jänner zum Präsidenten bestellt, spielt der Molekularbiologe Martin Hetzer in der internationalen Top-Liga der Forschungsinstitutionen. Der aus den USA zurückgekehrte Forscher spricht im trend-Interview über seine Pläne und Visionen. Und da hat Hetzer einiges im Talon.

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Sie bemühen sich sehr um mehr Sichtbarkeit des Institutes of Science and Technology Austria (ISTA) in der Öffentlichkeit. Um finanzielle Mittel anzulocken oder um der Gesellschaft den positiven Impact von Wissenschaft begreiflich zu machen?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Mir geht es darum, dass die Leute das Institut in seiner Gesamtheit verstehen. Dass wir nicht nur im Labor forschen, sondern ein vielfältiges Ökosystem aufbauen, das Spitzentalente nach Österreich holt, durch Spin-offs Unternehmen gründet oder auch der Vermittlung von Wissenschaft dient. Ich möchte, dass die Bevölkerung in Österreich stolz darauf ist, dass eine kühne Vision politisch gut umgesetzt wird. Wir sind dankenswerterweise bis 2036 durch öffentliche Mittel abgesichert. Aber Forschung ist teuer, und so müssen zusätzlich mindestens 400 Millionen Euro an Eigenmitteln aufbringen.

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In seinem Marketing bescheinigt sich das ISTA Weltklasseniveau. Wie wird das gemessen?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Das misst sich in erster Linie an der Qualität der Leute. Woher kommen sie, und wohin gehen sie, falls sie uns verlassen? Wenn da ein Austausch zwischen viel älteren Institutionen mit höherer Reputation wie etwa dem MIT oder der ETH stattfindet, was der Fall ist, dann sagt das viel aus. Übrigens kommen nach dem Brexit mehr Forscher von Cambridge nach Klosterneuburg als umgekehrt. Weitere wichtige Kriterien sind der Impact von Publikationen, die Zahl der Patente und der Spinoffs. Global wettbewerbsfähig zu sein, ist nicht mehr nur ein Ziel. Das ISTA hat das mittlerweile geschafft.

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Sie sagen, das Wachstumspotenzial des ISTA sei größer als anderswo. Warum?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Weil die Kombination aus Planungssicherheit durch eine langfristige öffentliche Finanzierung plus Drittmitteln und Zuwendungen von Privaten bzw. Unternehmen in dieser Größenordnung einzigartig ist. Innerhalb von Europa und Nordamerika zählen wir deswegen bereits zu den großen Forschungseinrichtungen und wollen uns bis 2036 noch einmal verdoppeln.

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Sie haben lange in Kalifornien gearbeitet. Sind Ihre Möglichkeiten hier nicht begrenzter als in den USA?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Nein. In den USA müssen die Mittel für Forschungsarbeit oft bis hin zum eigenen Gehalt großteils durch Fundraising aufgetrieben werden. Deswegen herrscht dort hoher Druck und auch viel Angst. Die staatliche Förderung in Europa bietet mehr Sicherheit und längerfristige Stabilität, was sich positiv auswirkt.

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Trägt Druck nicht zur Effizienz bei? Es gibt ja genügend Beispiele dafür, dass die wärmende Stube des Staates auch träge macht ...

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Der Outputvergleich zeigt das nicht, da schneiden europäische Forschungseinrichtungen gut ab. Entscheidend ist die Auswahl der richtigen Leute, die von ihren Ideen angetrieben sind. Der Druck in den USA zwingt aber oft zu Kollaborationen über Fachgrenzen hinweg. Das ist ein Vorteil, den wir durch möglichst kleine Forschungsgruppen zu erreichen versuchen. Ebenfalls Aufholbedarf besteht in Europa in der Vermarktung: Präsentationen von Forschern beginnen hier oft mit komplexen Erklärungen der eigenen Methode, bevor am Schluss noch schnell erwähnt wird, was man damit anfangen könnte. Ein Amerikaner sagt zuerst, welches Problem er lösen möchte, und dann, wie man dorthin kommen könnte.

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Für hiesige Verhältnisse betreibt auch das ISTA professionelles Fundraising. Wen soll Ihre Capital Campaign vorrangig ansprechen?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Ziel sind Privatpersonen, Privatstiftungen, Family Offices, aber auch Unternehmen wie Verbund, von dem wir fünf Millionen Euro als reine Zuwendung bekommen haben, die an keinerlei Konditionen geknüpft ist. Dafür ist ein hoher Bekanntheitsgrad schon wichtig. Wir präsentieren uns aktiv, um die Leute für uns zu begeistern. Sie sollen an uns glauben und Spenden an unsere Stiftung nicht als Nothilfe verstehen, sondern als Investition in die Zukunft der Gesellschaft. Wenn wir dabei in Österreich erfolgreich sind, ist das auch international ein wichtiges Signal.

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Wollen Sie den Radius Ihrer Fundraising-Aktivitäten über die Grenzen hinaus erweitern?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Ja, daran arbeiten wir. Zumindest in anderen europäischen Ländern wollen wir jedenfalls private Gönner ansprechen. Philanthropie hat für uns einen hohen Stellenwert. Auch weil dadurch das Risiko von Unternehmen für Projektkooperationen mit uns reduziert wird.

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Das ISTA macht keine Auftragsforschung. Wie können solche Kooperationen dann aussehen?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Wir sind sehr interessiert, gemeinsam mit Unternehmen etwas zu erreichen. Keine Auftragsforschung anzunehmen, heißt nicht, dass wir nicht zusammen mit Partnern Probleme lösen wollen. Forschung kann einerseits mehr Risiko eingehen, andererseits haben Unternehmen diverse Ressourcen, die uns fehlen. Wir arbeiten z. B. an ganz neuen Energiespeichern, da wird es irgendwann Zusammenarbeit brauchen, um die Sache auf den nächsten Level zu heben. Oder: Um biomedizinische Erkenntnisse nutzbar zu machen, brauchen wir die Pharmaindustrie für klinische Studien. Es gibt schon Vorgespräche für unterschiedliche Kooperationen.

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Wie weit sind Sie mit der Erschließung weiterer Finanzierungsquellen?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Wir haben mit xista ein Unternehmen gegründet, das sich der wirtschaftlichen Komponente wissenschaftlicher Entdeckungen widmet. Xista berät bei der Gründung von Spin-offs unseres Instituts und leistet über einen Venture-Capital-Fonds auch Anschubfinanzierung. Dieser Fonds, der sich übrigens auch an Start-ups anderer Universitäten beteiligen kann, sammelte bislang rund 45 Millionen Euro, wobei sich auch hier u. a. Unternehmen und Family Offices eingebracht haben. 20 Millionen Euro wurden schon in Ausgründungen investiert, was in Summe 140 Millionen Kapital von externen Investoren und durch Förderungen ausgelöst hat. Im Falle eines Exits fließen die Erlöse aus unseren Anteilen in die Stiftung. Nach US-Vorbild wollen wir dort nach und nach Kapital aufbauen, dessen Erträge unsere Forschungen finanzieren.

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Erzielen Sie schon nennenswerte Beträge aus der Verwertung der Forschungsarbeit am ISTA?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Im Moment sind wir dabei, ein Patentportfolio aufzubauen und abzusichern. Dessen Verwertung ist dann der nächste Schritt. Noch erzielen wir daraus keine größeren Erlöse. Das soll sich aber rasch ändern. Wir werden dafür diverse Role Models entwickeln. In Österreich hat unser Zugang ja bis dato keine große Tradition.

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Abschließende Frage: Sie betonen häufig die Bildungsaktivitäten des ISTA. Wollen sie damit der weit verbreiteten Wissenschaftsskepsis entgegentreten?

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Unsere Programme unter der Marke VISTA sollen insbesondere der Wissenschaftsbildung von Schülern dienen und generell den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern. In Österreich hat Kultur hohen Stellenwert und hohe Medienpräsenz. Ich würde gerne vermitteln, dass Wissenschaft genauso spannend ist und die gleiche Aufmerksamkeit verdient hat. Aber wir führen keinen Kreuzzug gegen die von Ihnen angesprochene Skepsis. Da ist die Politik gefordert. Immerhin glaubt in Österreich die Mehrheit an die Evolutionstheorie, während sie in einigen US-Bundesstaaten aus religiösen Gründen nicht einmal unterrichtet werden darf.

© Peter-Rigaud / ISTA

Steckbrief

Martin Hetzer, ISTA-Präsident

Beruf
ISTA-Präsident
Beschreibung

Martin Hetzer ist Molekularbiologe. Seit Jänner 2023 ist er der neue Präsident am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Maria Gugging. Davor war der aus Klosterneuburg stammte Wissenschaftler lange Jahre in den USA.

Zuletzt forschte Hetzer als Vice President am Salk Institute in San Diego, einer der global renommiertesten Adressen auf diesem Gebiet.

Das Interview ist aus trend. edition+ vom Dezember 2023.

Über die Autoren

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