Was bedeutet der Vormarsch der KI für Führungskräfte? Kommen jetzt die Robo-CEOs? Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, analysiert, welche Führungsaufgaben KI übernehmen kann, wo KI eine Entscheidungshilfe sein kann und welche Leadership-Tätigkeiten KI nie ausführen können wird.
ChatGPT, das Tool des US-Unternehmens OpenAI, an dem unter anderem Microsoft beteiligt ist, macht die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz mittlerweile auch schon für Nicht-Digitalexperten greifbar – und lässt am Horizont erkennen, wohin die KI-Reise gehen könnte.
Ein Aspekt wurde bei der Diskussion bisher aber eher ausgeklammert: Führungsaufgaben sind auf den ersten Blick kaum vom Vormarsch maschineller Intelligenz bedroht. Aber ist das wirklich so?
NetDragon Websoft, Hersteller von Online-Spielen mit Sitz in Hong Kong, hat den menschlichen CEO einer Tochterfirma kurzerhand durch einen KI-Chef ersetzt. Der Maschinen-CEO trifft nun genau jene Entscheidungen, die angeblich nur Menschen treffen können – etwa welche unternehmerischen Risiken eingegangen werden können und wie effiziente Arbeitsplätze gestaltet sein sollten. Und die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen: Die Kennzahlen des Unternehmens haben sich im Vergleich zum Markt sehr gut entwickelt.
Einzelfall oder Trend? Tatsächlich sind bestimmte Bereiche der klassischen Führungsarbeit dazu prädestiniert, KI zumindest in Teilbereichen in Anspruch zu nehmen.
Welche Leadership-Aufgaben kann KI, und welche nicht?
Prinzipiell kann eine Maschine ureigene menschliche Fähigkeiten nicht ersetzen, sehr wohl aber gezielt unterstützen. So kann KI etwa bei der Auswertung von Daten – im Speziellen großer Datenmengen – und bei der strukturierten Vorbereitung von Entscheidungen zum Einsatz kommen. Kreativität und Einfühlungsvermögen aber sind zutiefst menschliche Eigenschaften, die auch für Führungskräfte weiterhin von Bedeutung sein werden.
Wie könnte der Einsatz von KI bei unterschiedlichen Managementaufgaben konkret aussehen bzw. wo kann KI die menschliche Führungskraft zumindest teilweise ersetzen? Dazu am Beispiel der wichtigsten Aufgaben von Führungskräften:
1. Strategie und Planung
Künstliche Intelligenz ist ein Tool – nicht mehr und nicht weniger. Die Auswertung von Daten durch KI, bei Bedarf auch innerhalb kurzer Zeit, kann die Grundlage strategischer Entscheidungen sein, die letztlich aber nur Menschen treffen könnten. Schließlich umfasst die Strategie auch Werte, Visionen und Überzeugungen, die von der jeweiligen Organisation definiert und verfolgte werden müssen.
2. Organisation
In Bereichen, in denen Standardisierung und Optimierung nötig sind, kann KI viel Gutes tun. Maschinen können strukturiert arbeiten, haben jedoch dort Grenzen, wo es um Ideen, um Innovation, um das Denken außerhalb der Norm geht. Es kommt in Unternehmen immer auch auf die Kombination von Faktoren an, die Menschen entsprechen, beispielsweise Emotion und Verständnis für Beziehungen. Spontan auf ein geändertes Umfeld zu reagieren und Herausforderungen in Chancen umzuwandeln, das können Menschen besser.
3. Finanzen und Controlling
In diesem Bereich bietet der Einsatz von KI vielfach Möglichkeiten, weil große, oftmals sperrige Daten ausgewertet werden müssen und wichtige Details in dieser Datenmenge verborgen sein könnten, die als Grundlage für Entscheidungen nicht selten entscheidend sind. Dennoch blieben Erfahrung und menschliches Fingerspitzengefühl, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, unersetzlich. Routinierte Wirtschaftsprüfer mit 30 Jahren Berufserfahrung erkennen etwa oft mit einem Blick, wo es hapern könnte.
4. Human Resources
Maschinen helfen hier schon seit längerem, etwa indem sie Lebensläufe und Motivationsschreiben nach bestimmten Schlagworten durchsuchen und eine Vorauswahl treffen bzw. darüber entscheiden, wer in die nächste Runde kommt. Maschinen sind weniger voreingenommen als Menschen, was im Personalwesen durchaus ein Vorteil sein kann. Letzten Endes braucht es in diesem Bereich aber wiederum menschliche Entscheidungen, auch weil das Zwischenmenschliche, also die sprichwörtliche „Chemie“ passen muss. Das, oder, wenn es um die Motivation von Mitarbeitern oder die Vermittlung der Vision des Unternehmens geht, ist nichts, was Maschinen überlassen werden kann.
5. Kommunikation
Die Vor- und Aufbereitung der Grundlagen für eine Entscheidung kann eine KI übernehmen, beispielsweise die Analyse von Kundendaten. Doch die Kommunikation selbst – nach innen und nach außen – muss von Führungskräften ausgehen. Transparente, verständliche Kommunikation und der aktive Umgang mit Feedback und (konstruktiver) Kritik sind nur von Menschen, und nicht maschinell zu bewältigen. Überall dort, wo es um zwischenmenschliche Beziehungen, Vertrauen, oder Wertschätzung geht, werden Menschen unersetzlich bleiben. Denken Sie etwa an Mitarbeiter- oder Verkaufsgespräche.
KI vs. Mensch in Ausnahmesituationen
Pandemie, Wirtschaftskrise oder Krieg: Auch in Krisenlagen wird die KI ein Tool bleiben, das unter anderem früh vor etwaigen Gefahren warnen kann. Doch welche Schlüsse daraus gezogen werden und wie die Krisenkommunikation abläuft – das bleibt Führungskräften aus Fleisch und Blut vorbehalten.
Manchmal braucht es eine paradoxe Intervention, also eine Entscheidung, die genau das Gegenteil von dem ist, was normalerweise in einer derartigen Situation zur Anwendung kommt – einfach um die Scheuklappen des täglichen Lebens abzulegen und wieder bereit für Neues zu sein. Erklären Sie mir bitte, wie das eine KI bewerkstelligen soll.
Generell sollten Führungskräfte – wie im übrigen Arbeitskräfte oder Studierende auch - sich auf das konzentrieren, was Maschinen eben nicht können: Empathie, Einfühlungsvermögen, kritisches Denken, oder soziales Verständnis.
Plädoyer für die menschliche Führungskraft
Furcht vor der KI ist jedenfalls nicht angebracht. Schon bei der Einführung von Computern war es ähnlich. Es gibt keinen Weg zurück, nun geht es um den sinnvollen Einsatz und der Gestaltung nach eigenen (menschlichen) Wünschen. Wir haben als Menschen so viele Aspekte, die uns gegenüber Maschinen überlegen machen.
Und es gibt einen weiteren Aspekt: Der zukünftige Einsatz von KI spielt für Europa eine große Rolle. Europa könnte auf diesem Feld einen differenzierten Zugang finden und sich dabei von den USA und China abheben: Nicht die „the winner takes it all“-Mentalität und nicht den völligen Überwachungsstaat, sondern die Mitarbeiter ins Zentrum stellen: für eine Technologie, die dem Menschen dient, und nicht umgekehrt. Stichwort Digitaler Humanismus oder Corporate Digital Responsibility, wie dieser europäische Ansatz auch genannt wird. Wir wollen neue Technologien nutzen und zugleich unseren Werten folgen. Und genaue hier kommt menschlichen Führungskräften eine zentrale Rolle zu.
WU Executive Academy
Die WU Wien, eine der weltweit führenden Business-Hochschulen, bündelt in der WU Executive Academy ihr Programmportfolio im Bereich „Executive Education“. Zu diesen zählen MBA, Master of Laws und Professional Master Programme, das Universitätsstudium Diplom BetriebswirtIn, Universitätslehrgänge, kompakte Weiterbildungsprogramme und Custom Programs. KI ist an der WU Executive Academy bereits in vielen Lehrangeboten ein wichtiger Teil der Digitalökonomie, der auch konkret angewandt wird. Mit durchschnittlich 750 Graduate Students und ca. 900 Führungskräften, Fachleuten und High-Potentials aus über 75 Ländern, die jährlich an den Programmen teilnehmen, gehört die WU Executive Academy zu den führenden Weiterbildungsanbietern in Zentral- und Osteuropa.