Brigitte Bach ist seit Anfang 2024 ist Sprecherin der Geschäftsführung des Austrian Institute of Technology.
©AIT/PETER RIGAUDDer Lebensstandard im Hochlohnland Österreich werde nur durch den Export innovativerer Produkte zu halten sein, meint die Geschäftsführerin im Austrian Institute of Technology, Brigitte Bach. Forschung müsse also noch stärker gefördert werden.
Warum wurden die Technologiegespräche des AIT von Alpbach nach Wien verlegt? Erwarten Sie dadurch mehr Wahrnehmung?
Es war eine meiner ersten Entscheidungen als Geschäftsführerin im AIT-Team, die Technologiegespräche nach 40 Jahren nach Wien zu holen. Denn ja, wir werden hier mehr Aufmerksamkeit haben. Und wir können mehr Gäste aufnehmen. Bei den Technology Talks im Oktober hatten wir fast 900 Besucher im MuseumsQuartier. Ein toller Erfolg! Wien ist für internationale Gäste hochattraktiv und auch wesentlich leichter zu erreichen. Die Veranstaltung soll aber auch eine Brücke zu den Bundesländern schlagen, die wie 2025 einladen, werden, sich stärker zu präsentieren.
Hat es auch mit dem neuen Konzept des Forums Alpbach zu tun?
Früher bestand eine vertikale Struktur: Gesundheits-, Wirtschafts-, Technologiegespräche etc. Jetzt gibt es horizontale Blöcke, das passt für uns nicht mehr so gut. Wir brauchen einen Slot von eineinhalb Tagen, an denen wir alle Top-Speaker und CEOs der Unternehmen ansprechen zu können.
Zur Person
Brigitte Bach, geb. 1965, promovierte in Technischer Physik und Astronomie an der TU Wien. Nach Forschungsjahren im Bereich Energie zog sie 2018 in den Vorstand der Wien Energie ein. Ab 2021 im Vorstand der Salzburg AG. Seit Anfang 2024 ist Bach Sprecherin der Geschäftsführung des AIT.
Die Grundlagenforschung in Österreich wird oft gelobt. Das AIT ist für angewandte Forschung zuständig. Wie schaut da die Qualität im internationalen Vergleich aus?
Österreich ist vielfach auch in der angewandten Forschung sehr gut. Das AIT zum Beispiel in der Mikrobiom-Forschung (Mikroorganismen mit bestimmten Eigenschaften, Anm.), in der Quantenkommunikation, bei intelligenten Netzen oder Leistungselektronik. Momentan beschäftigen wir uns intensiv damit, durch künstliche Intelligenz die Forschung per se zu verändern – um schneller zu sein und die Industrie noch besser unterstützen zu können. Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen Grundlagenforschung und der Industrie. Wir entwickeln Technologien weiter, damit sie in innovative Prozesse oder Produkte umgesetzt werden können.
Von der Politik verlangen Sie abermals eine Steigerung der Forschungsquote. Braucht es noch mehr öffentliche Mittel?
Seit dem Jahr 2000 stieg die Quote von 1,9 auf 3,3 Prozent, was sehr positiv ist. Eine Erhöhung auf vier Prozent halte ich trotzdem für wichtig. Warum? Spitzentechnologie ist ein Marathon im Sprinttempo. Wenn ich mich nur kurz zurücklehne, zieht links und rechts sofort die Konkurrenz vorbei. Länder wie Südkorea, die USA oder China, Finnland, Dänemark oder die Niederlande sind alle sehr gut unterwegs. Gerade in einer schwierigen wirtschaftlichen Phase wie jetzt dürfen wir Zukunftsinvestitionen nicht zurückfahren, sondern müssen massiv Schwung aufnehmen. Unsere Forderung von vier Prozent würde eine Erhöhung von 1,6 Milliarden Euro auf 6,8 Milliarden für drei Jahre bedeuten. Das klingt viel – ist es allerdings im Verhältnis zu den wirklich großen Ausgabenblöcken aber nicht.
Unter dem Diktat der leeren Kassen wird das dennoch nicht einfach zu bewerkstelligen sein, oder?
Die gesamte Forschungscommunity appelliert an die Politik, zu verstehen, dass Forschung unsere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit steigert. Wir sollten genau nicht mit dem Rasenmäher drübergehen, weil wir hier einen Hebel haben, um aus der Rezession in Richtung eines Aufschwungs zu kommen.
Gibt es Belege, dass das Geld bei uns im internationalen Vergleich effizient eingesetzt ist?
Was bedeutet Effizienz? Zum Beispiel, dass man entlang der Innovationskette gut aufgestellt ist, dass die Instrumente von der Grundlagenentwicklung über angewandte Forschung bis hin zur industriellen Umsetzung gut ineinanderspielen. Und das tun sie. Das zeigt sich etwa bei der Dekarbonisierung: Im Forschungsverbund New Energy for Industry wurde eine Hochtemperaturwärmepumpe für Trocknungsprozesse in der Lebensmittelbranche entwickelt, um Gas zu ersetzen. Das AIT ist dann mit Wienerberger den Weg weiter zur Trocknung von Ziegeln gegangen – bis hin zu einem völlig dekarbonisierten Ziegelwerk in Oberösterreich, das Ende November eröffnet wird. Das ist unsere Rolle: von der theoretischen Betrachtung zum Produkt. Übrigens setzt sich diese Story jetzt in der nächsten Branche fort. Das Pharma-Unternehmen Takeda verwendet auch schon eine Wärmepumpe, um Heißdampf zu erzeugen. Und ein Hersteller aus Österreich könnte so große Wärmepumpen international vermarkten.
Tatsache bleibt: Europa ist nicht innovativ genug …
Wir sind im Verhältnis zu den USA sehr stark reguliert, da lässt sich sicherlich noch einiges verbessern. Ein anderes Thema ist, ob Forschungsinfrastruktur ausreichend gefördert wird. Sprich: große, entsprechend ausgestattete Labore, die wirklich einen Unterschied machen und international mitspielen. Da besteht ebenfalls Nachholbedarf. Außerdem hinkt Europa in der Digitalisierung hinterher, weshalb das AIT ganz gezielt auf künstliche Intelligenz für Produktionsprozesse, Qualitätssicherungsprozesse usw. setzt.
Ökonomen und Manager beklagen oft, dass in Österreich die Umsetzung guter Forschung in marktfähige Produkte nicht oder zu langsam klappt. Richtig? Und, wenn ja, warum?
Ich glaube, so allgemein kann man es nicht sagen. Wenn wir nicht von Start-ups, sondern von KMU und der großen Industrie sprechen, dann gibt es viele kollaborative Projekte mit anderen europäischen Partnern, die sehr gut funktionieren. Aber man hört zu wenig darüber, weil es aufgrund der Anzahl der Partner oft schwierig ist, entsprechend zu kommunizieren. Zweifellos problematisch ist, dass wir in Österreich und in ganz Europa zu wenig privates Kapital haben, um Produkte von Start-ups rasch hochskalieren zu können. Darum kommt uns leider vieles in die USA abhanden. In gewisser Weise haben aber auch KMU und große Betriebe ein ähnliches Problem.
Es hapert also nicht an den Schnittstellen?
Ich glaube, in diesem Punkt sind wir nicht so schlecht. Nehmen Sie die Infrastrukturanalyse des AIT für den Verband Oesterreichs Energie, die für eine ganze Branche ganz konkret mit Zahlen darlegt, wer wann wozu wie viel in die Netze investieren muss, damit die Energiewende gelingt. Zweifellos stimmt aber die Analyse, in welchem Zustand wir uns aktuell in Europa befinden. Der Report von Mario Draghi und viele andere Befunde zeigen, dass wir in Europa ein enormes Produktivitätsproblem haben. Und während Europa nach dem Zweiten Weltkrieg extrem gut aufgeholt hat gegenüber den USA, fallen wir seit den 1980er-Jahren zurück. Gleichzeitig graben uns Innovation-Leader wie Südkorea und weitere Länder immer stärker die Märkte ab. Die Frage ist: Wie kommen wir da raus?
Und die Antwort lautet?
Indem wir durch Forschung, Technologie, Innovation die Produktion intelligenter und kosteneffizient machen – und sie dekarbonisieren. Das muss man gemeinsam denken und nicht – wie bisher oft – getrennt betrachten. Der Schlüssel ist, branchenübergreifend die Produktionsprozesse der Zukunft unter Einsatz von künstlicher Intelligenz anzuschieben.
Politiker möchten Österreich ebenfalls zu einem Innovation-Leader machen. Realistisch oder nur ein Marketing-Gag?
Ich halte das für realistisch – und für ein absolutes Muss. Österreich ist ein Hochpreis- und Hochlohnland. Wenn wir diesen Standard halten wollen, müssen wir zu den Innovation-Leaders aufschließen, weil wir nur mit den besten und teuersten Produkten im Export das erwirtschaften können, was wir brauchen. Auch wenn Sie zweifeln: In vielen Bereichen ist Österreich wirklich exzellent.
Zum Beispiel?
Unter anderem in der Batterientechnologie, bei Leichtmetallen oder der Quantenverschlüsselung, um für das AIT zu sprechen. Zudem sind wir auch, was wenige wissen, der präferierte Servicepartner für die internationale Atomenergiebehörde, wenn es um Cybersecurity geht. Wir spielen Cyberattacken durch, um die IT-Sicherheit zu überprüfen. So etwas bieten wir auch Unternehmen an, und wir testen generell deren digitale Prozesse, um sie zu optimieren. Da besteht, besonders vor dem Hintergrund der KI, großer Bedarf.
Und Nachholbedarf, wie Sie schon sagten …
Richtig. Das hat in Österreich auch mit der Wirtschaftsstruktur zu tun. Kleine oder mittelgroße Firmen tun sich nicht so leicht, dafür Experten und Know-how zu holen. Deswegen muss man eben stark in KI-Programme für ganze Branchen investieren: Luft- und Raumfahrt, Automobil, Robotik, Verteidigung, Pharma, Gesundheitswesen zählen aus meiner Sicht zu den wichtigsten. Am AIT arbeiten wir zum Beispiel für die metallverarbeitende Industrie in Österreich am Einsatz künstlicher Intelligenz in der Qualitätssicherung. Das Land hat eine Menge guter Nischenplayer, und wir können es uns nicht leisten, viele von ihnen zu verlieren. Deswegen brauchen wir Innovation für noch bessere Produkte. Ein einzelnes Unternehmen kann sich aufwendige und teure Entwicklungen meist nicht leisten. Aber wie bei der erwähnten Wärmepumpe können Technologien erforscht und dann für unterschiedliche Branchen adaptiert zur Verfügung gestellt werden.
Neben dem Bund ist die Industriellenvereinigung Ihr Eigentümer. Dort sind viele Mitglieder der Meinung, man wäre wettbewerbsfähiger, wenn man bei der grünen Transformation wieder vom Gas geht. Sind Sie da nicht im Zwiespalt?
Nein, wir sind sehr gut abgestimmt mit der Industrie. Ich glaube, die Dekarbonisierung ist technisch machbar. Wir müssen nur kluge Pfade finden und dürfen sie nicht getrennt von Wettbewerbsfähigkeit denken. Es gibt nur mehr wenige Prozesse, wo man nicht weiß, wie es anders funktionieren könnte. Die Forschung hat viele Lösungen gefunden. Jetzt geht es darum, sie kostengünstig zu implementieren. Man muss Wege legen, die dem Verlauf der Technologielernkurven in den Branchen entsprechen. Ziel muss stets sein, dass durch Technologie die Kosten sogar sinken.
Österreich ist nicht die allererste Adresse für Spitzenforscher und ambitionierte Talente. Was muss passieren, um das Land attraktiver für diese Leute zu machen?
Die wesentlichste Voraussetzung ist, dass man wissenschaftlich bzw. technisch sehr gut ist. Exzellenz zieht Exzellenz an. Und es gibt einige heimische Institutionen, für die das zutrifft. Bei uns fragen immer wieder Leute an, die schon einen ERC-Grant (EU-Förderung für Forscher, Anm.) haben, ob sie kommen können. Österreich ist ja auch ein schönes Land mit sehr guter Lebensqualität. Genauso wichtig ist die Unternehmenskultur. Die entwickeln wir im AIT dahingehend weiter, internationale Spitzenkräfte bestmöglich integrieren zu können, mit einem besonderen Augenmerk auf Frauen.
Probiert es die Elite nicht zuerst an der ETH in Zürich, in Kalifornien oder Singapur? Und kommt man nur, wenn’s dort nichts wird?
Nein, das ist nicht mehr so. Österreich braucht sich nicht zu verstecken. Ich beteilige mich nicht am Bashing in Richtung Forschungspolitik. Wir stehen gut da, dürfen uns aber nicht ausruhen, weil wir sonst bald hinterherlaufen. Auch die Forschungsinfrastruktur hat einen starken Magnetismus auf die Community. Wir haben kürzlich ein Top-Batterielabor hochgefahren und dadurch den hoch renommierten Batterieforscher Stefano Passerini als Senior Expert für Energiespeicherung bekommen.
is vor Kurzem war das Gesicht des AIT nach außen hauptsächlich der Aufsichtsratsvorsitzende Hannes Androsch. Jetzt sind in erster Linie Sie das, Frau Bach. Wie soll Ihre Handschrift aussehen?
Wir erarbeiten in der Dreier-Geschäftsführung intensiv, wohin wir das Unternehmen verändern wollen. Inhaltlich geht es um die Themen, die wir angesprochen haben. Wir wollen aber auch eine neue Kultur etablieren: weniger hierarchisch, agiler, schneller. Wir möchten für Junge und für Frauen attraktiv sein. Wir sind dazu da, den Wirtschaftsstandort zu stärken. Außerdem möchten wir das AIT sichtbarer machen als Stimme für die angewandte Forschung. Wir reden in Österreich zu wenig über Forschung. Deswegen müssen wir alles, was wir für Unternehmen, Städte, Gemeinden oder den Bund tun, in fassbare Geschichten bringen, die bei der Bevölkerung ankommen. Wir verwenden Steuergeld und müssen die positive Wirkung erklären, die wir damit erzielen.
Gibt es konkrete Pläne, wie Sie da vorgehen? TikTok wird sich vielleicht weniger eignen.
Die erste Maßnahme waren die Technologiegespräche, die weit mehr sind als nur ein Branchentreff. Wir sind aber schon dabei, unsere Aktivitäten auch in Richtung Social Media auszubauen. Erst einmal, um das Interesse junger Forscher und Forscherinnen zu wecken. In weiterer Folge werden wir mit Podcasts, Videos usw. spannende Fälle aus unseren Forschungen erzählen. Wir schauen, über welche Kanäle wir Menschen abholen können. In welcher Sprache muss ich sprechen? Welche Bilder verwende ich? Auch um der herrschenden Wissenschafts- und Technologieskepsis entgegenzutreten.
AIT: Facts & Figures (2023)
Umsatz (in Mio. Euro) | ||
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Auftragsforschung | 69 | |
Geförderte Forschung | 48 | |
Finanzierung BMK | 68 | |
Sonstige Erträge | 15 | |
Gesamt | 200 | |
Mitarbeitende | 1.400 | |
Publikationen | 366 | |
Patente | 43 |
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