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Technologie allein reicht nicht für echte Produktivität

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Erik Brynjolfsson

©APA/Getty Images via AFP/GETTY IMAGES/Roy Rochlin
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Neue Technologien auf bestehende Arbeitsweisen überstülpen, bringe keine Vorteile, so der Ökonom Erik Brynjolfsson. Es brauche ein Hinterfragen und Umdenken.

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In der aktuellen Diskussion um die Rolle der Technologie in der Arbeitswelt hebt der Ökonom Erik Brynjolfsson hervor, dass technologische Innovationen wie generative Künstliche Intelligenz (gen AI) allein nicht ausreichen, um signifikante Produktivitätssteigerungen zu erzielen. Stattdessen betont er die Notwendigkeit, Geschäftsprozesse anzupassen, die Belegschaft weiterzubilden und möglicherweise sogar Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen grundlegend zu verändern.

Im Gespräch mit Lareina Yee von McKinsey diskutiert Brynjolfsson, warum menschliche Faktoren entscheidend für Produktivitätsgewinne sind.

Zum vollständigen McKinsey-Podcast geht es hier.

Generative KI: Schneller Wandel und neue Herausforderungen

Brynjolfsson erklärt, dass generative KI im Vergleich zu früheren technologischen Innovationen schneller Verbreitung findet. Dies liegt unter anderem daran, dass die Infrastruktur für die Implementierung solcher Technologien bereits durch frühere Revolutionen wie das Internet und die Cloud geschaffen wurde. Ein Beispiel dafür ist ChatGPT, das innerhalb von nur 60 Tagen 100 Millionen Nutzer erreichte.

Das zweite "Machine Age"

In der Diskussion wird die aktuelle technologische Entwicklung als Teil des sogenannten "zweiten machine age" beschrieben. Während der erste Teil sich auf die Automatisierung physischer Arbeit konzentrierte, steht nun die kognitive Arbeit im Fokus. Diese Entwicklung könnte ähnlich transformative Effekte haben wie die erste industrielle Revolution

Automatisierung und Erweiterung statt Ersetzung

Ein zentraler Punkt ist, dass generative KI nicht nur dazu dient, Aufgaben zu automatisieren, sondern auch Arbeitsprozesse zu erweitern. Die Technologie ermögliche es den Menschen, ihre Aufgaben mit höherer Qualität und Effektivität zu erledigen. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass ganze Berufe ersetzt werden; vielmehr werden einzelne Aufgaben innerhalb eines Berufs durch KI unterstützt.

Das Triple-Win-Szenario

Ein bemerkenswertes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von generativer KI ist eine Studie in einem Callcenter, die der Ökonom mit seinem Team durchführte. Hier führte die Einführung eines großen Sprachmodells (LLM) zu erheblichen Produktivitätssteigerungen von bis zu 35 Prozent.

"Wir haben uns die Implementierung eines großen Sprachmodells [LLM] angesehen, das die Callcenter-Mitarbeiter unterstützen sollte. Und das Großartige für mich als Forscher war, dass es schrittweise eingeführt wurde. So war es ein natürliches Experiment, bei dem wir wirklich kausale Schätzungen über die Leistung der Technologie erhalten konnten. Ein weiterer Vorteil war, dass sie die Technologie als Ergänzung zu ihren Arbeitskräften einsetzten, anstatt sie zu ersetzen."

Kunden waren zufriedener, und die Mitarbeiter zeigten eine geringere Fluktuation und höhere Zufriedenheit und die Shareholder waren zufrieden - "Ein triple win".

"Innerhalb von vier oder fünf Monaten übertrafen die Mitarbeiter, die das KI-System nutzten, ihre Kollegen, die bereits seit einem Jahr oder länger im Einsatz waren, deutlich."

Die Turing-Falle vermeiden

Brynjolfsson warnt vor der "Turing-Falle", bei der versucht wird, menschliche Arbeit vollständig durch Maschinen zu ersetzen. Dies könnte zu einer Konzentration von Wohlstand und Macht bei den Besitzern der Technologie führen und die wirtschaftliche und politische Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer schwächen. "Denn wenn man menschliche Arbeit durch eine Maschine ersetzt, sinkt der Wert der Löhne, die menschliche Arbeit wird weniger wertvoll, und Reichtum und Macht konzentrieren sich bei den Kapital- oder Technologiebesitzern."

In jener Falle würden "die Menschen, die ihre wirtschaftliche Verhandlungsmacht verloren haben, auch ihre politische Verhandlungsmacht verlieren."

Stattdessen plädiert er dafür, Maschinen so zu gestalten, dass sie menschliche Fähigkeiten ergänzen und erweitern. "Wenn man Maschinen hat, die den Menschen ergänzen, anstatt ihn zu ersetzen, schafft man nicht nur viel mehr Wert, sondern hat auch eine höhere Obergrenze, und es ist auch wahrscheinlicher, dass man den Wohlstand teilt."

Angesprochen auf die Rolle von Führungskräften in diesem Prozess, betont der Ökonom, dass sich sie sich folgende Fragen stellen sollten - "Wie kann ich etwas Neues machen, das noch nicht gemacht wurde?“ oder "Wie kann ich die Arbeit verbessern, um neue Arten von Qualität zu schaffen?". Es gehe im Endeffekt darum, dass Mitarbeitende ihre Arbeit "besser, schneller und produktiver erledigen" können und nicht vollständig automatisiert wird.

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