Linda Kirchberger (l.) ist und Alma Kahler (r.)
©Wien EnergieWien Energie legt bei der Energiewende vor und setzt dabei auf neue Technologien. Federführend bei vielen Zukunftsprojekten sind Linda Kirchberger und Alma Kahler.
TREND: Wien Energie übernimmt eine führende Rolle bei der Energiewende. Was sind dabei die größten Herausforderungen?
Alma Kahler: Das Thema Energiewende beschäftigt uns alle – gerade der heurige Sommer hat ja auch uns in Österreich deutlich vor Augen geführt, welche Folgen Naturkatastrophen und extreme Wetterkapriolen haben können. Es ist das erklärte Ziel der Stadt Wien, bis 2040 klimaneutral zu werden, und Wien Energie nimmt dabei als Energieversorger für zwei Millionen Menschen eine Schlüsselrolle ein. Wir gehen hier mit großen Schritten voran: Allein die im Vorjahr installierten Windkraft- und Photovoltaik(PV)-Anlagen entsprechen dem Strombedarf von 40.000 Haushalten, und insgesamt können wir bereits Ökostrom für bis zu 700.000 Haushalte produzieren. Aber auch für die Wasserkraft haben wir massive Ausbaupläne und setzen auf Pilotprojekte für neue Technologien.
Warum eigentlich? Solche Investitionen kosten Geld, Sie könnten wie viele andere auch einfach abwarten, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen werden.
Linda Kirchberger: Wir wollen den Anteil der Wiener Haushalte mit Fernwärmeversorgung von aktuell 40 bis zum Jahr 2040 auf 56 Prozent erhöhen und dabei den Schwerpunkt auf erneuerbare Energien legen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Energiewende ist der Umstieg auf umweltfreundliche Heizformen, und hier nimmt die Bedeutung der Fernwärme stark zu. Das heißt, es braucht nicht nur mehr klimaneutrale Quellen, sondern generell mehr Fernwärmeproduktion. So wollen wir mittels Geothermie und Abwärmenutzung die Fernwärme dekarbonisieren und weiter ausbauen. Bis 2040 wollen wir die Fernwärme gänzlich aus erneuerbaren Energien erzeugen. Ein sehr wichtiges Thema für uns ist auch Wasserstoff.
Sie sind durch Konferenzen und Forschungsprojekte im ständigen Kontakt mit internationalen städtischen Energieversorgern. Wie ist die Ausgangslage Wiens im internationalen Vergleich?
Kirchberger: Wien hat die besten Karten für die Energiewende: Wir haben in 3.000 Metern Tiefe sehr umfassende Wärmevorkommen, die wir nutzen wollen. Mit diesem riesigen Heißwasservorkommen in wenigen Kilometern Tiefe hat Wien einen Schatz direkt unter unseren Füßen. Deswegen ist das Thema Tiefengeothermie derzeit bereits an dem Punkt angelangt, an dem wir von der Planungs- in die Umsetzungsphase gehen können. Dazu kommt, dass wir bereits das drittgrößte Fernwärmenetz aller europäischen Metropolen haben und dieses Netz laufend weiter ausbauen.
Wie ist die öffentliche Wahrnehmung der Energiewende?
Kahler: Ein Umdenken in der Gesellschaft passiert bereits, den Rückhalt aus der Bevölkerung haben wir: Die Zustimmung für erneuerbare Energieprojekte ist hoch wie nie zuvor. Denn inzwischen haben die meisten erkannt, dass eine Abhängigkeit vom Erdgas schon aus politischen Gründen nicht wünschenswert ist. Viele möchten von ihrer Gasthermenheizung auf alternative Heizsysteme wie Fernwärme umstellen.
Wie wird unsere Energiezukunft aussehen? Welche Rolle spielt beispielsweise der Energieträger Wasserstoff und seine möglichen Anwendungsbereiche für die Energiewende?
Kirchberger: Beim Thema Wasserstoff setzen wir drei Schwerpunkte: erstens die Dekarbonisierung von bestehenden Kraftwerken, zweitens den Bereich der Energieversorgung der Industrie und drittens den Bereich Mobilität. Auch hier gehen wir von der Planung bereits in die Umsetzung: Gerade errichten wir in Wien-Simmering unsere erste Elektrolyseanlage, die grünen Wasserstoff auf der Basis von Ökostrom erzeugt. Die Wiener Linien haben derzeit bereits Wasserstoff-Busse auf der Linie 39A im Einsatz und wollen hier in den kommenden Jahren auch weiter ausbauen.
Millionenprojekte wie dieses sind auch auf öffentliche Förderungen angewiesen, je mehr wir bekommen, desto schneller gelingt der Ausbau, was im Interesse aller Beteiligten ist. Zusammen mit Partnern aus der Industrie haben wir auch bei der Dekarbonisierung der bestehenden Kraftwerke spannende Projekte. So haben wir heuer erstmals die Beimischung von Wasserstoff zu dem bisherigen Energieträger Erdgas bei der Gasturbine der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage in Wien-Donaustadt getestet – mit einem sehr guten Ergebnis. Derzeit sind wir bei 15 Prozent Beimischung, im nächsten Schritt sind 30 Prozent geplant. Auch bei diesem Projekt, das rund zehn Millionen Euro kostet, kommen übrigens 2,6 Millionen Euro über Förderungen der öffentlichen Hand aus dem Klima- und Energiefonds.
Wie sind Sie für die neuen Technologien und Projekte personell gerüstet? Welche Rolle spielen dabei speziell Frauen?
Kirchberger: Noch haben wir ein schlankes Team, werden uns aber projektbezogen vergrößern. Der Fachkräftemangel betrifft uns auch, und wir setzen alles daran, die besten Köpfe zu bekommen. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass wir neuen Teammitgliedern eine gesellschaftlich wertvolle Arbeit bieten können. Dabei merken wir, dass der Frauenanteil sowohl in den technischen Bereichen als auch im Management immer höher wird. Diversität ist bei uns fest in der Unternehmenskultur verankert. So sind bei uns acht der insgesamt zwölf Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter Frauen – das kenne ich gerade aus dem Energiesektor sonst von keinem anderen Unternehmen.
Kahler: Wir sind einer der größten Arbeitgeber in Wien und können daher auch auf dem Arbeitsmarkt richtungsweisend agieren und einiges bewegen. Frauen spielen bei Wien Energie als Gestalterinnen unserer Energiezukunft eine große Rolle: Bereits heute haben wir einen Frauenanteil von rund 30 Prozent. Damit diese Zahl weiter steigt, setzen wir neben langfristigen Strategien auch konkrete Maßnahmen. Dazu gehören ein Traineeprogramm und die Unterstützung von Führung in Teilzeit, aber auch Fördermaßnahmen und Weiterbildungen. Auch bei der Lehrstellenbesetzung gibt es eine 50-50-Regel: 50 Prozent unserer Lehrlinge sind weiblich. Denn Frauen in technischen Berufen sind heute eine Selbstverständlichkeit – und eine Bereicherung für jedes Unternehmen.
Das Zeitfenster für die Energiewende ist klein, die Aufgabenlast hoch. Was spornt Sie bei der täglichen Arbeit an?
Kahler: Ich habe eine Tochter und habe mich bewusst für eine Arbeit entschieden, die ich nicht nur als spannend, sondern auch als sinnstiftend erachte – für uns, aber auch für die nächste Generation.
Mehr Infos unter: www.wienenergie.at