Der mächtigste Aufsichtsrat in Deutschland: der Österreicher Hans Dieter Pötsch
©Volkswagen AGMächtigster Aufsichtsrat in Deutschland ist der in Traun geborene Automanager Hans Dieter Pötsch. Eine neue Studie zeigt den steigenden Einfluss der Österreicher.
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In den Kontrollgremien der DAX-Familie spielen Österreicher und Österreicherinnen eine zunehmend wichtige Rolle: In den Top Ten der einflussreichsten Aufsichtsräte Deutschlands (DAX, MDAX, SDAX) liegt ihr Anteil heuer bei 40 Prozent, in den top 15 bei 33 Prozent. „Nicht im Ansatz ist eine andere ausländische Bevölkerungsgruppe so stark im aktuellen Machtranking vertreten wie die Österreicher. Ihre Expertise ist mit dem Vorteil verbunden, ohne Sprachbarriere in die Gremienarbeit integriert werden zu können“, erklärt Michael Wolff, Professor an der Universität Göttingen und Autor der umfangreichsten Untersuchung von Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften. Österreichische Kontrolleure verfügten zudem „über ein tiefes Verständnis der in Deutschland geltenden Governance“. Diese Fähigkeiten sind es laut Wolff, warum Manager, Aufsichtsräte und Experten aus der Alpenrepublik so gefragt sind für Kontrolljobs in Deutschland. Ihr Anteil in den top 100 liegt aktuell bei zwölf Prozent (Vorjahr: elf Prozent). Insgesamt sind heuer 47 Österreicher und Österreicherinnen im Gesamtranking vertreten, darunter 16 mit einem DAX-Mandat. Das Durchschnittsalter liegt bei 59 Jahren.
Selbst an der Spitze steht ein Österreicher: Hans Dieter Pötsch (siehe Ranking unten). Der 73-Jährige ist Vorstandsvorsitzender der Beteiligungsgesellschaft Porsche SE und hat zudem den Aufsichtsratsvorsitz beim Autobauer Volkswagen und beim Lkw-Hersteller Traton inne. Zudem kontrolliert er den Sportwagenbauer Porsche AG. Den dritten Platz belegt mit dem in Wien geborenen Hans Michel Piëch, 82, ein Familienmitglied der Autodynastie. Auf Platz fünf folgt mit dem steirischen Siegfried Wolf ein weiterer Industriemanager (Magna).
Die Plätze zwei (Wolfgang Porsche) und vier (Ferdinand Porsche) werden von zwei deutschen Mitgliedern der Autodynastie bekleidet, was die Dominanz des deutsch-österreichischen Clans im Gesamtranking unterstreicht.
Aufsteiger
Neu in die Top Ten aufgestiegen ist der Österreicher Kurt Dobitsch (Rang sechs), der gleich vier Mandate bekleidet: beim IT-Systemhaus Bechtle, beim Mobilfunker 1&1, beim Bausoftware-Anbieter Nemetschek und beim Hosting-Anbieter Ionos.
Einzige Frau in dieser Liga ist eine Deutsche, die auch in Österreich kontrolliert: Margret Suckale (Rang zehn). Sie sitzt in den Gremien von Deutscher Telekom, Heidelberg Materials, Infineon, der DWS Group – und kontrolliert darüber hinaus den Mischkonzern Greiner aus Kremsmünster, der seit 2024 von einer ehemaligen BASF-Managerin geleitet wird: Saori Dubourg.
Mächtigste Österreicherin im Ranking ist Marianne Heiß, die sich heuer gleich um vier Positionen auf Rang 14 verbessern konnte. Die ehemalige CEO der Werbeagentur BBDO in Deutschland hat Mandate bei den börsennotierten Konzernen Volkswagen und Porsche SE sowie bei den nicht börsennotierten Unternehmen Audi und Flix SE inne.
Jüngstes österreichisches Aufsichtsratsmitglied ist die 30-jährige Sophie Piëch (Rang 83), studierte Biochemikerin und Tochter von Hans Michel Piëch, Bruder des verstorbenen Ferdinand Piëch.
Unter den vier österreichischen Neuzugängen – Gropyus-CEO Markus Fuhrmann (Platz 831), Kari Kapsch (Rang 965) und Andreas Blaschke (Rang 937) – ist mit Feinkost-Unternehmerin Clarissa Käfer (Rang 817) nur eine Frau. Im Vorjahr lag der Anteil der weiblichen Kontrolleurinnen bei den Neuzugängen noch bei 40 Prozent. Insgesamt gibt es heuer 13 Mandatsträgerinnen mit österreichischen Pass im Ranking.
Jüngere mit IT-Kenntnissen
Aufsichtsratsexperte Wolff spricht sich für eine umsichtige personelle Erneuerung der Aufsichtsräte in Deutschland aus. „An der einen oder anderen Stelle jüngere Kontrolleure mit einem IT- oder Hightech-Hintergrund zu berufen, wäre auch im Hinblick auf die notwendige Transformation der deutschen Wirtschaft sinnvoll“, sagt der Professor der Universität Göttingen.
Für die umfangreiche Analyse wurden mit Stichtag 21. Juni 2024 alle Vertreter der Kapitalseite bei den Aktiengesellschaften der DAX-Familie erfasst. Dabei wurden 1.086 Aufsichtsratspositionen beziehungsweise 974 Aufsichtsratsmitglieder berücksichtigt. Die Reihung erfolgte anhand der drei Kriterien Reputation, Netzwerk und Status innerhalb des Gremiums.