Christian Zirgoi, Geschäftsführer KIAS Recycling
©KIASDas schmutzige Geschäft mit alten Reifen und wie das Gmundner Recycling-Unternehmen KIAS mit Kreislaufwirtschaft dagegen hält.
Meterhoch stapeln sich die Reifen am Betriebsgelände der Firma KIAS Recycling, eines Spezialisten für Altreifenrecycling in der Gemeinde Ohlsdorf im Bezirk Gmunden. Im November ist Hochsaison. „Im Umfeld der situativen Winterreifenpflicht am 1. November kommen fast täglich Lkw und bringen uns neues Material“, freut sich Christian Zirgoi, der seit vier Jahren die Geschäfte führt.
Die Reifen kommen von Werkstätten aus ganz Österreich, von Organisationen mit großen Fahrzeugflotten direkt, und ab und zu kommen auch Private vorbei, die für die Abnahme des einzelnen Pkw-Reifens rund 1,50 Euro bezahlen. Für größere Mengen gibt es Staffelpreise und individuelle Angebote, abgerechnet wird nach tatsächlichem Gewicht. Mag dieser Entsorgungsbeitrag bei einem durchschnittlichen Reifenpreis von 100 Euro oder mehr nicht hoch erscheinen, zeigen die Erfahrungen bei KIAS doch deutlich, wie sensibel Verbraucher und Werkstätten bei diesem Thema sind.
Zirgoi kann die Reifenprofile lesen, für ihn sind sie ein Seismograf. „Die Profiltiefe der abgegebenen Reifen ist zeitweise geringer als sonst. Das legt die Vermutung nahe, dass sie aus Sparsamkeit länger gefahren werden.“
Mehr Reifen als Autos in Kroatien
Werden die Reifen dann aber tatsächlich abmontiert, machen sie in der Folge viele weitere Kilometer in Europa und sogar über den Kontinent hinaus. „Reifen sind ein Geschäft und bewegen sich in großen Strömen“, sagt Zirgoi, „sie tun das auf offiziellen und informellen Wegen.“ Dass in Ungarn gigantische Altreifendeponien, aber keine Spuren von fachgerechter Entsorgung oder Wiederaufbereitung zu finden sind, ist seit einem „ZIB 2“-Beitrag auch in Österreich bekannt.
Wo die Reifen am Ende landen, entscheidet in der Regel der Preis. „In Italien und Frankreich sind die Hersteller in der Rücknahmeverantwortung und haben das eingepreist“, erklärt Zirgoi die unterschiedlichen Modelle. „Wenn in Italien die Reifenabnahme etwa 100 Euro kostet und in Kroatien 65 Euro, ist logisch, dass Reifentourismus entsteht.“ Das führt zur kuriosen Situation, dass in Kroatien mehr Reifen anfallen, als im Land verwendet werden, und dazu Winterreifen, die dort keiner aufzieht.
Immerhin, von den 70.000 Tonnen Altreifen, die in Österreich jährlich anfallen, landen gut 20.000 bei der KIAS in Ohlsdorf. Dort werden sie von den 18 Mitarbeitenden begutachtet und in einem ersten Schritt Fremdstoffe wie Metallteile, Holz oder Plastik aussortiert. Danach kommen sie in eine für den Zweck konzipierte Spezialanlage, die 2002 errichtet wurde, und durchlaufen dort in drei Schritten den konkreten Trennprozess, bis am Ende Gummigranulat, Stahl und Fasern wieder getrennt vorliegen.
Die stoffliche Verwertung ist energieintensiv. Aufgrund der zuletzt gestiegenen Stromkosten musste KIAS seine Abnahmepreise im Jahr 2022 kurzzeitig erhöhen und bekam unmittelbar die Antwort zu spüren: „Die abgegebenen Reifenmengen reduzierten sich“, sagt Zirgoi. Er löste das Dilemma auf der Produktionsseite, investierte in Photovoltaikanlagen und optimierte die Durchlaufzeiten auf der Anlage. „Damit konnten wir den Stromanteil an den Kosten wieder senken, und konnten auch die Abnahmepreise wieder reduzieren.“
Was die Anlage von Ohlsdorf am Ende produziert, kommt wieder in den Kreislauf: „Stahl und Gummigranulat sind begehrte Rohstoffe“, erzählt Zirgoi. „Der Stahl ist hochwertig und wird wieder eingeschmolzen. Das Gummigranulat wird etwa als Ölbindemittel, Zuschlagstoff beim Asphalt, Dämmstoff oder für Handläufe von Rolltreppen, Sport- und Spielplatzböden wiederverwendet.“
Was auf der Straße war, kommt wieder in die Straße, etwa als gummimodifizierter Bitumenasphalt von der Firma Rubbertec, die dafür Gummimehl von KIAS verwendet. Für die stoffliche Verwertung, wie sie KIAS betreibt, spricht auch der geringere CO2-Ausstoß. „Bei der thermischen Verwertung im Zementwerk fallen 70 Prozent CO2 an.“ Davon abgesehen gibt es in Österreich kaum ein Zementwerk mehr, das Reifen überhaupt noch abnimmt, weil dort mittlerweile mit anderen Ersatzbrennstoffen eingeheizt wird.
Zirgois Vision ist, die Reifenkreislaufwirtschaft konsequent zu schließen. Er arbeitet daran, das Gummigranulat auch wieder direkt in die Reifenproduktion zu bringen. „Die Gespräche mit einem der großen Reifenhersteller laufen und sind vielver-sprechend. Wir wollen, dass die Reifen am Ende wieder in die Produktion von Neureifen kommen.“
Zirgoi führt dabei nicht nur die Nachhaltigkeit ins Treffen: „Muss ein Reifen wegen mangelnder Profiltiefe gewechselt werden, sind erst rund zwölf Prozent des Reifens abgefahren. Außerdem kostet das von uns produzierte Granulat nur ein Zehntel des extrem wertvollen Naturkautschuks.“ Die langen Transportwege des Naturkautschuks aus Südostasien könnten teilweise reduziert werden. Mittlerweile setzt sich die länderübergreifende europäische Allianz Zukunft Reifen dafür ein – und hat Nachhaltigkeitspreise gewonnen: azur-netzwerk.de.
Knappe Ressourcen in Europa
Die Bemühungen, Produktkreisläufe über Recycling konsequent zu schließen, werden allseits stärker. Klaus Reuter, Spartenobmann für Sekundärstoffhandel in der WKO Oberösterreich, weist ebenfalls auf die steigende Bedeutung dieser Konzepte hin: „Die Ressourcen in Europa werden generell knapper, sie werden teurer und die CO2-Emissionen spielen eine wichtigere Rolle.“ Und, so betont er: „Die Aufmerksamkeit steigt auch deshalb, weil Anleger und Banken stärker auf das Thema achten.“
Von den Autofahrerinnen und Autofahrern wünscht sich Reuter mehr Umweltbewusstsein und Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten: „Sobald es ans Zahlen geht, werden viele kreativ. Die wenigen Euro für eine fachgerechte und nachhaltige Altreifenentsorgung sollte uns eine intakte Umwelt wert sein“, sagt er. Dem kann Zirgoi nur beipflichten.