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Betriebsübergabe im Tourismus - Wenn ich nur aufhören könnte

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12 min

FAMILIE JÖCHL in Reith bei Kitzbühel hat sich für ein "Hybridmodell" entschieden. Sie bleibt zwar Eigentümer des Hotels, lässt es aber von Alps Resorts betreiben.

©trend / Ricardo Herrgott
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Im heimischen TOURISMUS stehen in den nächsten Jahren Tausende Betriebsübergaben an. Doch die Generation Z zeigt sich nicht übernahmewillig. Wie geht es jetzt mit Österreichs Hotels und Gasthäusern weiter?

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Die vergangenen Jahre gab es für Josef Jöchl wenig zu lachen. Der Hotelier und Gastwirt aus Reith bei Kitzbühel erinnert sich: "Corona hat uns gezeigt, wie verletzlich wir im Tourismus eigentlich sind." In seinem Hotel Hubertus, das Jöchl in der sechsten Generation führte, blieben - wie in nahezu allen Häusern damals - die Gäste über Wochen aus. Und nach der Coronakrise wurde die Suche nach Mitarbeitern immer schwieriger.

Auch im Vertrieb war der Familienbetrieb mit 60 Zimmern nicht mehr konkurrenzfähig. Mit dem Bau von Chalets wollte Jöchl das Hotel fit für die Zukunft machen. Aber die Gemeinde verweigerte die Bewilligung. Alles in allem nicht unbedingt eine gute Ausgangssituation für den heute 53-Jährigen, den Betrieb an die nächste Generation zu übergeben.

"Ich habe meine Kinder vor ein paar Jahren gefragt, ob sie das Hotel übernehmen wollen. Aber alle vier haben verneint. Sie haben tagtäglich gesehen, wie viel Aufwand dahintersteckt", erzählt der Hotelier. Ein Verkauf kam für ihn freilich nicht in Frage, das war er allein der Familientradition schuldig. Wie also weitermachen?

Vor einer ähnlichen Situation stehen in Österreich aktuell Tausende Tourismusbetriebe. Eine Studie der KMU Forschung aus dem Jahr 2019 hat ergeben, dass bis 2029 bis zu 7.900 Betriebsübergaben im Tourismus anstehen, der Großteil davon in Familienbetrieben. Bei insgesamt 64.380 Hotels und Gaststätten (Quelle: WKO) sind das mehr als zwölf Prozent, wobei in ländlichen Gebieten mit überdurchschnittlich vielen Übergaben zu rechnen ist. Spätere Untersuchungen kamen sogar zu noch höheren Werten.

Eine Umfrage von Dezember 2022 unter mehr als 570 heimischen Tourismusbetrieben ergab, dass sogar drei Viertel der Befragten bis 2032 eine Übergabe geplant hätten.

Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) ortet dabei drei Hauptherausforderungen: "Es muss rechtlich, finanziell und psychologisch passen. Stimmt nur eine Komponente nicht, kann das Projekt scheitern."

Thomas Reisenzahn von der Prodinger Tourismusberatung berät einige von diesen Betrieben und er weiß: "Meist sehen die Bilanzen der Betriebe nicht besonders gut aus. Eine innerfamiliäre Übernahme scheitert oft schon daran, dass ein Kind, das bereit wäre, den Betrieb zu übernehmen, die Geschwister nicht auszahlen kann." Denn die Banken sind bei Neufinanzierungen sehr zurückhaltend.

Doch oft will sich die Generation Z diese meist zeit- und nervenaufreibende Arbeit im Betrieb ohnehin nicht mehr antun. Oder hat einfach andere Vorstellungen vom Leben, die sich aber im Familienbetrieb nur schwer verwirklichen lassen.

Langwierige Nachfolgesuche

So hat es Didi Maier, Spitzenkoch und Sohn der Filzmooser Haubenköchin Johanna Maier, eher in den urbanen Bereich gezogen. Mit "Didilicious","The Bakery" und dem Café "Das Wernbacher" hat er sich lieber in der Stadt Salzburg niedergelassen und dem Hotel seiner Eltern in Filzmoos - angeblich sehr zum Leidwesen seiner Mutter - den Rücken gekehrt.

Mehr als zwei Jahre musste Johanna Maier nach einem Nachfolger für ihr Hotel Hubertus suchen. 2022 schließlich hat Johannes Moßhammer, ein befreundeter Hotelier und Gastwirt aus Maria Plain, den Betrieb gekauft. Die ursprünglich von Maier verlangten 8,5 Millionen Euro habe er aber längst nicht hingeblättert, ist zu hören. Auf Anfrage will sich Johanna Maier, die heute einen Gewürzladen und eine Kochschule in Filzmoos betreibt, dazu nicht äußern.

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DIDI MAIER, den Sohn von Sterneköchin Johanna Maier, zog es aus Filzmoos in die Stadt Salzburg. Für ihr Hotel Hubertus musste Maier mehr als zwei Jahre nach einem Käufer suchen.

"Der Verkauf des Betriebs ist meist der letzte Ausweg", weiß Tourismusexperte Reisenzahn. Oftmals suchen die Unternehmer davor noch Pächter oder stellen einen externen Geschäftsführer ein. Hotelverkäufe sind aber heutzutage mangels Finanzierung auch nahezu unmöglich.

Thomas Wührer, Geschäftsführer von Hotelinvest, kann ein Lied davon singen: "Die hohen Zinsen und Energiekosten führen dazu, dass aktuell kaum jemand Hotels oder Gasthäuser kaufen will." Nachsatz: "Wir haben einen Käufermarkt."

Auch auf der Immobilienplattform Immoscout finden sich zurzeit nicht weniger als 137 Hotels zum Verkauf - vom Vier-Sterne-Wellnesshotel in Ischgl um mehrere Millionen Euro bis zu einem kleinen Apartmenthaus am Ossiacher See um wohlfeile 815.000 Euro. "Früher hat man im Tourismus geschuftet, aber man konnte damit wenigstens noch gutes Geld verdienen. Das ist jetzt nur in den seltensten Fällen der Fall", berichtet Wührer, der vor allem wachsende Probleme bei Dreistern- oder abgewohnten Viersternhäusern ortet. Im Tourismusbusiness trenne sich jetzt die Spreu vom Weizen, so der Immobilieninvestment-Experte.

Psychologie einer Übernahme

Wührer selbst stammt auch aus einer bekannten Salzburger Hoteliersfamilie, die früher einmal groß im Geschäft war. Drei Hotels im Raum Gastein, darunter das altehrwürdige Hotel Bellevue in Bad Gastein, gehörten der Familie.

Auch bei den Wührers spielte der Faktor Psychologie eine entscheidende Rolle. Anfänglich wollte Wührers Vater die Hotels nicht an seinen Sohn übergeben, weshalb dieser nach Amerika ging, um seinen Horizont zu erweitern. Bei seiner Rückkehr war der Vater dann übergabewillig, doch inzwischen hatte der Sohn kein Interesse mehr. Also hat Wührer die Hotels vor einigen Jahren, als man noch leichter Käufer fand, an die deutsche Metro-Gruppe verkauft.

Die Mondi Hotels, wie die Tochter von Metro heißt, setzen statt Klasse nun auf Masse. Aus 200 Betten in einem Fünf-Sterne-Haus wurde ein 600-Betten-Vier-Sterne-Hotel, das dank der Verkaufsmaschinerie der Metro-Gruppe vor allem in den Wintermonaten sehr gut gefüllt ist.

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NEUE WEGE. Thomas Wührer hätte von seinem Vater drei Hotels übernehmen sollen, hat sie aber letztlich an die Mondi-Hotelgruppe verlauft. Heute vermittelt er Hotelinvestments.

Überhaupt gehen immer mehr, vor allem größere, Familienbetriebe, in die Hände von großen, finanzkräftigeren Ketten. So hat die Dresdner 12.18. Group kürzlich bei einem Hotel in Hochgurgl zugeschlagen, auch die IPP Hotels und Harry's Home erweiterten ihr Portfolio in den letzten Jahren stark.

Die zwei Letztgenannten sind allerdings hauptsächlich im städtischen Raum aktiv. "Die Struktur der Betriebe wird sich in den nächsten Jahren stark verändern", glaubt auch Staatssekretärin Kraus- Winkler. Insgesamt werde es wohl in einigen Jahren weniger Tourismusbetriebe geben, dafür dürfte die Anzahl der Hotelbetten mehr werden: "Bei all dem sollten wir aufpassen, dass Großinvestoren die österreichische, von Familien geprägte Struktur nicht ganz aus dem Gleichgewicht bringen." Dass es im Tourismus mangels Übernahmewilliger zu vielen leeren Hotels und Gaststätten kommt, glaubt die Staatssekretärin nicht. Aber dass Übergeber damit rechnen müssen, dass Übernehmer nicht unbedingt Schlange stehen, davon ist sie auch überzeugt.

Expansion wird auch bei Alps Resorts großgeschrieben. Das Unternehmen mit Sitz in Tirol betreibt mittlerweile 34 Ferienresorts mit mehr als 7.000 Betten und versteht sich als größter Beherbergungsbetrieb Österreichs. "Es kommt eine Lawine an Betrieben auf uns zu, die in den nächsten Jahren übergeben werden sollen. Viele Hoteliers wollen aber das Eigentum an den Hotels behalten", erzählt Thomas Payr, Geschäftsführer von Alps Resorts. Und sie wollen so lästige Tätigkeiten wie Personalsuche oder Marketing an jemand anderen auslagern. Und hier kommt Alps Resorts mit inzwischen fast 50 Millionen Euro Umsatz immer häufiger ins Spiel.

Apartment statt Hotel

So geschehen auch bei der Familie Jöchl, die von diesem "Hybridmodell" vor ein paar Jahren erfahren hat. Sie wurde recht rasch mit Alps Resorts handelseins, das nun das "Dorfresort Kitzbühel" betreibt, wie das Hotel Hubertus inzwischen heißt, und daran eine Umsatzbeteiligung haben.

Allerdings musste die Familie Jöchl vor der Wiedereröffnung im Jahr 2022 noch einiges in einen Umbau investieren, denn Alps Resorts wollte statt 60 Hotelzimmern lieber 25 Apartments betreiben. "Das hat immens viel gekostet", stöhnt Sepp Jöchl. Kosten, die die Familie Jöchl allein schultern musste. Doch die Vorteile für die Familie überwiegen. "Es macht jetzt wieder Spaß. Wir helfen nach wie vor im Betrieb mit, aber jeder macht das, was er gerne tut", sagt der Hotelier, der mit der Familie direkt neben dem Resort den Landgasthof Reitherwirt betreibt.

Einige seiner früheren Gäste haben das neue Konzept nicht verstanden. "20 Prozent unserer früheren Gäste sind geblieben. Dafür kommen jetzt viele neue dazu", berichtet Jöchl. Vor allem Familien und jüngere Leute würden das Selbstversorgermodell aus Kostengründen bevorzugen. Bei der Auslastung ist man noch nicht dort, wo man eigentlich hinwill. Statt einst 75 Prozent erreicht das Dorfresort jetzt 50 Prozent. "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns", sagt Jöchl, "aber ich denke, es war die richtige Entscheidung."

Gelungene Übergabe

Überzeugter klingt das schon bei Comeback-Politiker Sepp Schellhorn, der den Seehof in Goldegg Ende letzten Jahres an seinen 30-jährigen Sohn Felix übergeben hat. "Ich denke, es ist uns ganz gut gelungen", glaubt der Seniorchef. "Manches macht Felix besser, manches habe ich vielleicht besser gemacht." Den gesamten Übergabeprozess hat die Familie Schellhorn zwei Jahre lang von einem Consultant begleiten lassen.

Obwohl Sepp Schellhorn auch bei der Betriebsübernahme von seinen Eltern viel für die jetzige Übergabe gelernt hat. "Es war mir wichtig, dass Felix das nur für sich macht und nicht als Gefallen für mich", sagt der 56-Jährige in Erinnerung an seine Erfahrungen. Seit der Übernahme bleibt der Senior dem Betrieb möglichst fern. "Für mich ist Loslassen kein Problem", sagt er. Nur wenn Felix ausdrücklich um Rat bittet, ist der Vater da. "Das war bisher erst zwei Mal der Fall, weil der Geschirrspüler Probleme gemacht hat."

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ÜBERGABE GEGLÜCKT. Comeback-Politiker Sepp Schellhorn (r.), der den Seehof in Goldegg einst von seinen Eltern (M.: Mutter Karola) übernommen hat, hat diesen letztes Jahr erfolgreich an seinen Sohn Felix (l.) übergeben.

Dennoch, ganz problemlos ist die Übergabe auch im Hause Schellhorn nicht abgelaufen. Schließlich hat Felix zwei Geschwister, die natürlich nicht leer ausgehen wollten. "Das ist für einen Übergeber eine große Herausforderung, dass alles möglichst gerecht abgeht." Viele Gespräche und der Consultant waren dabei sicher hilfreich, so Schellhorn.

Mittlerweile haben alle drei Kinder Verständnis für die Situation. Auch wenn Sepp Schellhorn noch nicht wieder für die Neos im Nationalrat sitzt, seine politische Ader kann er nicht verleugnen: "Ich habe damals den Betrieb meiner Eltern mit 19 Millionen Euro Schulden übernommen. Und ich habe kaum Zeit für meine Kinder gehabt, um den Seehof wieder halbwegs auf solide Beine zu stellen. Da nerven mich solche Diskussionen über Erbschaftssteuern ganz besonders."

Sollten diese wirklich wieder eingeführt werden, befürchtet Schellhorn: "Da findet sich dann wahrscheinlich überhaupt niemand mehr, der sich so eine Betriebsübernahme antut." Noch weniger als jetzt schon.

Der Artikel ist aus trend.PREMIUM vom 23. Februar 2024.
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