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Borealis CEO Thomas Gangl: "Großzügigkeit macht glücklich" [INTERVIEW]

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Borealis CEO Thomas Gangl
Borealis CEO Thomas Gangl©trend / Wolfgang Wolak
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Borealis-Boss Thomas Gangl im trend. Interview über Kreislaufwirtschaft, die Unersetzbarkeit von Kunststoff, Plastik im Meer, das Du-Wort im Unternehmen und seine Prägung durch eine Kindheit in einfachen Verhältnissen.

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Im Jahr 2020 stockte die OMV ihre Beteiligung am Petrochemie-Unternehmen Borealis auf 75 Prozent auf. Der vormalige Mehrheitseigentümer Mubadala aus Abu Dhabi behielt ein Viertel. Über den Beginn dieses Projektes wird bei der OMV folgende Geschichte erzählt: Der damalige Generaldirektor Rainer Seele machte Druck für Investitionen im Chemiebereich, auch durch Akquisitionen. Sein für diesen Bereich zuständiger Vorstand Thomas Gangl sollte geeignete Ziele ausfindig machen und legte eines Tages Reports über einige, die in Frage kämen, vor. Darunter Borealis, wobei Gangl aber den Namen nicht nannte. Genau von diesem Vorschlag war Seele höchst begeistert. Er drängte, da dran zu bleiben - und war dann nicht wenig überrascht, dass es sich um die ihm bestens bekannte Borealis handelte.

Thomas Gangl, geb. 1971, ist eigentlich ein sehr gerader und direkter Mensch, aber auch geschickt, Entscheidungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Er zog den Borealis-Deal anschließend federführend durch. Kurzzeitig stand er wie Seele selbst öffentlich in der Kritik, weil OMV-interne Intrigen die 3,8 Milliarden Euro Kaufpreis als überhöht darstellten. Inzwischen ist längst klar: Es war ein Sonderangebot.

Ansonsten ist über den aus Reichersberg im Innviertel stammenden Manager wenig bekannt. Er drängt nicht ins Rampenlicht und hat nichts mit der durch ständige Machtspiele geprägten Führungskultur der OMV am Hut. Gangl ist mit allen 6.900 Borealis-Mitarbeitern per Du, frei von Starallüren und entspricht so gar nicht dem Bild des karrierebesessenen Aufsteigers. Sein erster Job nach einem Engineering-Studium in Wien und Manchester: Prozessingenieur in der Raffinerie Schwechat, was für ihn Schichtdienst hieß. Mitarbeiter, die ihm später als OMV-Vorstand über Störungen in der Raffinerie berichteten, überraschte Gangl mit technischem Detailwissen.

Er bekennt sich zu christlichen Werten, teure Hobbys sind nicht bekannt. Einen erklecklichen Teil seiner Gage - um die zwei Millionen Euro im Jahr inklusive Boni - gibt der Vater eines Sohnes für soziale Zwecke wie die Kindernothilfe aus. Die Herkunft aus einfachen Verhältnissen hat ihn offenbar geprägt. Der eigene Vater arbeitete in der Fertigung von Hagan-Ski. Mit dem Lohn mussten die Eltern acht Kinder versorgen. Da reichte es nur für das Notwendigste.

Als die beiden Manager Alfred Stern und Johann Pleininger 2021 um die Seele-Nachfolge ritterten, nannte Ex-OMV-Aufsichtratschef Wolfgang C. Berndt in einem trend-Interview Thomas Gangl als den geeignetsten Kandidaten. Stern machte das Rennen. Gangl wurde sein Nachfolger an der Spitze der Borealis - und hat damit derzeit sicher den angenehmeren Job. Denn Stern steht unter politischem Druck, die OMV möge sich stärker um die Energieversorgung Österreichs kümmern, was jedoch der gültigen Konzernstrategie mit Fokus auf Petrochemie - also die Borealis - widerspricht. Die Grabenkämpfe in der OMV sind prolongiert.

Sind Sie froh, knapp ein Jahr vor Putins Krieg aus dem OMV-Vorstand an die Spitze der Borealis gewechselt zu sein? In der aktuellen Energiekrise ist das sicher das ruhigere Fahrwasser.

Thomas Gangl

Wir haben bei Borealis große Ziele und Ausbaupläne, allen voran die Transformation des Kunststoffbereichs Richtung Recycling und Kreislaufwirtschaft. Es wird mir also definitiv auch hier nicht fad.

Innerhalb der eher traditionell geführten OMV-Gruppe sind Sie ein unkonventioneller Manager. Wie kommt es an, dass Sie mit allen 6.900 Borealis-Mitarbeitern per Du sind?

Thomas Gangl

Von den Leuten wird es sehr positiv gesehen. Wir haben im Headoffice über 50 Nationen, fast die gesamte Kommunikation findet in Englisch statt. Es wird dann ein bisschen schwierig, im Deutschen zwischen Sie und Du zu wechseln. Darum mein Entschluss, generell per Du zu sein. Ich mache auch keine hierarchischen Unterschiede, das gilt genauso für die Raffineriearbeiter in Schwechat. Und wenn das jemandem komisch vorkommt, sagt er halt Sie zu mir - und ich dann umgekehrt auch.

Thomas Gangl

Dahinter steht aber auch die Vorstellung von einer Unternehmenskultur, die man gerne haben möchte, oder?

Thomas Gangl

Eine Struktur braucht zwar unterschiedliche Ebenen. Aber für mich ist wichtig, dass ein Organigramm nicht festlegt, wer mit wem wie reden darf. Ich möchte eine erfrischende, offene Kultur haben, in der zum Beispiel schlechte Nachrichten genauso schnell nach oben transportiert werden wie gute Nachrichten. Nur so kann rasch reagiert werden.

Kurze Zwischenfrage: Was meinen Sie als ehemaliger Raffinerie-Chef in Schwechat zu Gerüchten, der monatelange Ausfall dort sei auf Sabotage zurückzuführen?

Thomas Gangl

Als Kenner der Materie meine ich: Das kann definitiv ausgeschlossen werden.

Wir haben Produktionen in Europa. Wir können Versorgungssicherheit bieten.

Thomas GanglCEO Borealis

Borealis hat 2021 mit 1,4 Milliarden Euro ein Rekord-Nettoergebnis erzielt und im heurigen ersten Halbjahr noch einmal um 58 Prozent zugelegt. Woher kommen diese Gewinne mitten in einer schweren Krise?

Thomas Gangl

Unser tatsächlich sehr gutes Halbjahr ist u. a. damit zu erklären, dass unsere Kunststoffe in ganz unterschiedlichen Branchen zum Einsatz kommen. Ob das Healthcare ist - etwa für Filtermasken - oder der Autosektor, wo der für die E-Mobilität so wichtige Leichtbau durch unsere Produkte unterstützt wird. Es sind ja Gewichtsreduktionen auf ein Zehntel im Vergleich zu bisher verwendeten Materialien möglich: im Innenbereich genauso wie unter der Motorhaube. Vor wenigen Tagen haben wir sogar eine komplette Heckklappe aus unserem Material präsentiert. Unser Granulat steckt auch in Stromkabeln, Verpackungen und Haushaltsgeräten. Dazu kommt, dass wir Versorgungssicherheit bieten können, weil wir Produktionen in Europa haben. Die Logistikprobleme sind ja noch nicht gelöst. Durch fehlende Importe aus Asien konnten wir zusätzliche Mengen absetzen.

Rohöl, die Basis für Ihre Produkte, ist viel teurer geworden. Warum sind Ihre Margen offenbar noch viel stärker gestiegen?

Thomas Gangl

Zum einen eben durch das knappe Angebot bei Kunststoffen. Zum anderen haben wir uns in den letzten Jahren noch stärker auf Spezialitäten mit besonders hohen Qualitäten fokussiert, die auch höhere Margen aufweisen.

Der 2020 bei der mehrheitlichen Übernahme der Borealis durch die OMV erhobene Vorwurf, die Anteile seien zu teuer gekauft worden, trafen neben dem damaligen CEO Rainer Seele auch Sie. Ist das endgültig widerlegt?

Thomas Gangl

Diese damals schon unangenehme Diskussion gibt es längst nicht mehr. Den Vorwurf habe ich seither nicht mehr gehört. Jeder, der sich unsere Ergebnisse anschaut, kann sich leicht selbst ein Bild machen.

Auch die für die Energiewende nötigen Stromleitungen gäbe es ohne Kunststoffe nicht.

Thomas GanglCEO Borealis

Bei Klimaschützern stehen Kunststoffe und deren Produktion wegen der CO2 Emissionen in der Kritik. Solche Argumente lassen sich schwer wegdiskutieren.

Thomas Gangl

Bei Prozessen wie der Kunststoffherstellung fallen meist Emissionen an, ebenso bei den Vormaterialien für unsere Polyolefine. An der Minimierung wird intensiv gearbeitet. Der zweite Punkt ist der Stromverbrauch für unsere Anlagen. Da wollen wir bis 2025 auf 40 Prozent und bis 2030 auf 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen. Drittens gibt es die Emissionen, die mit der Verwendung der aus unseren Granulaten erzeugten Endprodukte zusammenhängen - wenn sie zum Beispiel verbrannt werden. Aber genau deswegen ist Borealis ein Vorreiter auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Und: Man müsste immer die Gesamtbilanz betrachten. Wenn ich das Gewicht eines Autoteiles massiv reduziere, spare ich in Summe sogar CO2. Auch die für die Energiewende nötigen Stromleitungen gäbe es ohne Kunststoffe nicht. Das wird in der Debatte nie berücksichtigt.

Ist nicht der Plastikmüllberg, der am Ende übrig bleibt, das noch größere Problem als der CO2-Footprint?

Thomas Gangl

Absolut richtig. Aber das Problem ist nicht der Kunststoff, sondern was wir damit tun. In Österreich haben wir ein recht effizientes Sammelsystem, um einen Kreislauf auszubauen. Es ist noch nicht perfekt, aber nur sehr wenig Plastik landet im Wasser oder im Wald. Neben der Weiterentwicklung geschlossener Kreisläufe setzen wir zusammen mit unseren Kunden beim Produkt selbst an - Stichwort: Design for Recycling. Das bedeutet, statt Schichten aus unterschiedlichen Materialien so weit wie möglich Mono-Materialien zu verwenden. Produkte können so nach Gebrauch viel einfacher dem Recycling zugeführt werden.

Tatsache ist aber, dass auch bei uns immer noch ein relativ kleiner Teil des Kunststoffmülls ins Recycling geht, oder?

Thomas Gangl

Aber wir entsorgen ihn wenigstens nicht über die Flüsse ins Meer, wie das in teilweise in Asien heute noch gang und gäbe ist. 55 Prozent des Plastiks in den Ozeanen stammen aus nur fünf asiatischen Ländern. Richtig ist, dass bei uns ein erheblicher Teil auch in die thermische Verwertung geht.

Mittel- bis längerfristig muss das Ziel sein, Kunststoffe möglichst vollständig in einen Kreislauf zu bringen.

Thomas GanglCEO Borealis

Wird das trotz der CO2-Emissionen eigentlich bewusst gemacht, weil die Müllverbrennung in Fernheizkraftwerken sonst zu wenig Energie liefern würde?

Thomas Gangl

Ja, teilweise ersetzt das andere Brennstoffe wie Gas und erhöht den Heizwert. Aber mittel-bis längerfristig muss das Ziel sein, Kunststoffe möglichst vollständig in einen Kreislauf zu bringen. Wir werden jedenfalls die Menge der eingesetzten Rezyklate deutlich erhöhen. Und es ist auch nicht mehr so, dass daraus nur noch Mülltonnen und Blumentöpfe hergestellt werden können. Unsere ganz neue Technologie "Borcycle" lässt auch sehr hochwertige Anwendungen zu.

Gibt es alternative Ausgangsstoffe für Plastik, oder lässt sich die Basis Rohöl nicht ersetzen?

Thomas Gangl

Wir versuchen, möglichst stark in Richtung Bio-Öle, beispielsweise pflanzliche Abfallöle, zu gehen. Aber natürlich ist das mengenmäßig limitiert. Weswegen wir auch uns mit anderen Technologien beschäftigen: Mit Partnern wie dem Sportschuhhersteller On ist uns erstmals gelungen, eine Schuhsohle herzustellen, die keinerlei fossiles Material enthält, sondern rein auf Kohlenstoffbasis beruht. Man könnte sie sogar aus CO2-Abgasen machen. Derweil ist es noch zu teuer. Aber wir kennen das von vielen Innovationen: Zuerst kommen ein paar Mutige, die was probieren. Und irgendwann rechnet sich eine neue Technologie dann auch wirtschaftlich.

Und darauf hoffen Sie auch in diesem Fall?

Thomas Gangl

Borealis war technologisch immer sehr erfolgreich. Darum gibt es unser großes Joint-Ventures in Abu Dhabi und jenes mit Total Energy in den USA. Weil unsere Technologie Qualitäten ermöglicht, die von den meisten anderen nicht erreicht werden können. Wir sind immer unter den Unternehmen mit den meisten Patenten, auch im Vorjahr waren wir wieder österreichischer Patentkaiser mit 133 Anmeldungen. In Summe halten wir bei über 8.000.

Es darf sich nicht auszahlen, die Umwelt zu verschmutzen, sondern muss ökonomisch attraktiv sein, es nicht zu tun.

Thomas GanglCEO Borealis

Sie sagten unlängst: Um die Kreislaufwirtschaft wirklich in Gang zu bringen, braucht es mutige Schritte der Politik. Welche?

Thomas Gangl

Die Wirtschaftlichkeit von neuen Entwicklungen ist oft herausfordernd. Dafür braucht es immer wieder auch Förderungen. Ein zweiter Punkt, wo vor allem die europäische und internationale Gesetzgebung gefordert ist: Die Vermüllung der Meere wird sich nicht ohne gesetzliche Rahmenbedingungen lösen lassen: Es darf sich nicht auszahlen, die Umwelt zu verschmutzen, sondern muss ökonomisch attraktiv sein, es nicht zu tun. Damit der Anteil der Rezyklate steigt, darf es nicht billiger sein, Kunststoffprodukte in Deponien zu vergraben. Borealis plant einen steilen Anstieg bei nachhaltigen Kunststoffen.

Steckt hinter den internationalen Projekten der Borealis zur Müllvermeidung die Idee, das Image von Kunststoff zu verbessern, bevor die Verwendung gesetzlich eingeschränkt wird?

Thomas Gangl

Wir gehen dorthin, wo das Problem am größten ist, nämlich in Asien. Wir haben Indonesien ausgewählt, um in Pilotprojekten zu zeigen, dass man es beseitigen kann. Die Leute gehen da wirklich von Tür zu Tür, erklären Mülltrennung, stellen Behälter auf und errichten Recyclinganlagen. Wobei interessant ist: Die großen Müllteppiche im Meer bestehen zu über drei Vierteln aus Fischereinetzen. Auch dafür müssen regulatorische Maßnahmen kommen. Natürlich ist es für die Geschäftsbasis nicht ideal, wenn mit deinem Produkt etwas gemacht wird, was nicht gut ist. Dann entsteht im Kopf das Bild von der Plastikflasche im Meer oder vom Plastiksackerl. In Wirklichkeit reden wir aber von Hochleistungsmaterialien, die andere mit wesentlich größerem Fußabdruck ersetzen und oft gar nicht substituierbar sind.

Die zweite Sparte der Borealis sorgt derzeit für Aufsehen. Die Düngemittelerzeugung wird an die tschechische Agrofert verkauft. Niederösterreichische Landespolitik und der Bauernbund sorgen sich um die Versorgungssicherheit. Zu Recht?

Thomas Gangl

Nein, man muss die Gesamtsituation verstehen. Die europäischen Produzenten sind allesamt zu klein, um nachhaltig gegen die viel größeren Anbieter aus der Türkei, Russland, dem Iran, China usw. bestehen zu können. Für Versorgungssicherheit braucht es starke Player. Ein Zusammenschluss von Borealis und Agrofert ermöglicht eine Erzeugung aus der EU heraus und bewirkt damit das Gegenteil von dem, was befürchtet wird. Ich verstehe, dass Veränderungen immer auch Sorgen bereiten. Aber die Agrofert hat deutlich gemacht, dass investiert wird. Düngemittel sind ihr Kerngeschäft. Unser Fokus liegt hingegen anderswo.

Wir haben weiterhin als Ziel, das Wachstum in der Petrochemie voranzutreiben.

Thomas GanglCEO Borealis

Ist der Deal durch den Widerstand noch gefährdet?

Thomas Gangl

Wir haben die Verträge schon vor einiger Zeit unterschrieben. Derzeit laufen noch Verfahren für die üblichen wettbewerbsrechtlichen und behördlichen Genehmigungen. Es gibt überhaupt nicht mehr die Möglichkeit, einseitig einfach zu sagen, wir machen das doch nicht, ohne vertragsbrüchig zu werden: weder für uns noch die Agrofert.

Ein angenehmeres Kapitel ist das Petrochemieunternehmen Borouge, ein Joint- Venture mit Abu Dhabi, an dem Borealis 40 Prozent hält. Ist dessen sehr erfolgreicher Börsengang Ihr bisheriges Highlight?

Thomas Gangl

Jedenfalls war dieser historisch größte Börsengang in Abu Dhabi außerordentlich erfreulich. Die Bewertung von Borouge von aktuell über 20 Milliarden Dollar und das enorme Wachstum ergeben sich aus der Kombination zweier Faktoren: Der Rohstoff ist in Abu Dhabi direkt vor Ort, Borealis bürgt für die hohe Qualität.

Der Borouge-Anteil, der durchgerechnet auf die OMV entfällt, beträgt ungefähr den halben Börsenwert der gesamten Gruppe. Spiegelt das die tatsächlichen Verhältnisse wider?

Thomas Gangl

Der Shareholder bestimmt den Wert eines Unternehmens. Das muss ich so stehen lassen. Wir können daran nichts ändern.

Ist eigentlich der OMV-Partner Abu Dhabi, der die Borealis-Anteile gerade umschichtet, hauptsächlich am Petrochemie-Sektor interessiert?

Thomas Gangl

Da müssten Sie dort nachfragen. Sagen kann man, dass die Mubadala, die an der OMV beteiligt ist, ein Finanzinvestor und die Adnoc, die künftig die Borealis-Anteile halten wird, ein strategischer Investor ist.

Wird die gefährdete Energieversorgung in Österreich zu einer Anpassung der auf Petrochemie ausgerichteten Strategie der OMV führen?

Thomas Gangl

Für uns hat sich die Strategie nicht geändert. Wir haben weiterhin als Ziel, das Wachstum in der Petrochemie voranzutreiben. Neue Pläne im Konzern sind mir nicht bekannt.

Ich kenne viele Menschen, die durch Reichtum unglücklich, und andere, die durch Großzügigkeit glücklich geworden sind.

Thomas GanglCEO Borealis

Kommen wir nochmals auf Ihre Person zu sprechen. Begonnen haben Sie als Prozessingenieur im Schichtdienst der Raffinerie. Sind das Erfahrungen, die Sie offensichtlich vor Starallüren bewahren?

Thomas Gangl

Ich bin selbst mitten in der Nacht, im Regen oder bei Minusgraden auf den Anlagen in Schwechat herumgeklettert. Es ist immer gut, zu wissen, wie sich das anfühlt und - ja - hat einen Effekt auf den Umgang mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Neben Ihrem Job investieren Sie auch Zeit und Geld für privates soziales Engagement: aus Dankbarkeit dafür, was Ihnen selbst gegönnt war und ist?

Thomas Gangl

Ich finde es gut, sich selbst eine gewisse Erdung zu geben, indem man sich in Bereichen engagiert, wo die Umstände schwierig sind. Darum bin ich in der Kindernothilfe aktiv und im Vorstand von Schloss Klaus, einem überkonfessionellen christlichen Freizeitzentrum mit zwei Behinderteneinrichtungen und einer Reihe von Projekten, wo tolle Arbeit geleistet wird. Mir sind christliche Werte und der Glaube sehr wichtig, was sich auch in solchen Engagements ausdrückt.

Derzeit herrscht die berechtigte Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Müssten nicht generell mehr Gutverdiener und Vermögende - ganz zu schweigen von den Superreichen - deutlichere Zeichen der Solidarität setzen?

Thomas Gangl

Das muss jeder für sich entscheiden. Ich glaube auch, dass es durchaus gut ist, es nicht an große Glocke zu hängen, wenn man etwas tut. Die Voraussetzung ist, zu erkennen, dass ich nicht nur für andere, sondern auch für mich selbst was tue. Das ist der eigentliche Anreiz. Ich kenne viele Menschen, die durch Reichtum unglücklich, und andere, die durch Großzügigkeit glücklich geworden sind.

Findet man leichter zu dieser Einstellung, wenn man der Zweitjüngste von acht Geschwistern ist, der erste Akademiker der Familie - und in der Kindheit und Jugend nicht aus dem Vollen schöpfen konnte?

Thomas Gangl

Bei uns zu Hause gab es ein Stück Schokolade und nicht eine ganze Reihe, und auch das nicht jeden Tag. Ja, ich bin der erste Akademiker der Familie, aber es stand nie in Frage, dass allen eine Ausbildung ermöglicht wird. Meine Eltern mussten sehr sparsam sein, um das mit acht Kindern bewerkstelligen zu können. Und die Leistung musste stimmen. Klar ist das prägend - und Teil meiner Entwicklung bis dorthin, wo ich heute bin.

Die Borealis-Gruppe

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Die Borealis-Gruppe

BOREALIS-ANLAGE in der OMV-Raffinerie Schwechat. Kunststoffe werden noch immer hauptsächlich auf Erdöl- Basis hergestellt. Bis 2030 will Borealis den Anteil von nachhaltigem Material auf 1,8 Millionen Tonnen erhöhen.

 © Fotostudio Meister Eder

Österreichs Patentekaiser Borealis stellt Polyolefine genannte Kunststoffe her. Die Ausgangsmaterialien Ethylen und Propylen entstehen durch Cracker-Prozesse in Raffinerien überwiegend aus Erdöl. Borealis erzeugt daraus Granulate mit unterschiedlichsten Eigenschaften, die dann von Kunststoffverarbeitern zu Produkten geformt werden: von der winzigen Plastikpipette für den Gesundheitsbereich bis zum großen Karosserieteil fürs Auto.

Um der wachsenden Kritik an Plastikmüllbergen und CO2-Emissionen zu begegnen, will Borealis durch Recycling in Richtung einer Kreislaufwirtschaft gelangen. In geringerem Maß wird auch Erdöl durch Bio-Öle als Ausgangsstoff ersetzt. In Summe soll der Anteil nachhaltiger Kunststoffe von zuletzt 100.00 Tonnen auf 600.000 bis 2025 und auf 1,8 Millionen Tonnen bis 2030 steigen.

Das Geschäft der OMV-Tochter Borealis mit Produktionswerken in elf Ländern in Europa, Asien und Amerika ist jedenfalls höchst lukrativ. Letztes Jahr wurde bei einem Umsatz von 10,15 Milliarden Euro Umsatz ein Rekord-Nettogewinn von 1,4 Milliarden erzielt. Heuer wachsen die Ergebnisse nochmals um rund 50 Prozent. In vielen Jahren war Borealis auch schon Österreichs Gewinnkaiser.

Der Artikel und das Interview sind der trend. PREMIUM Ausgabe vom 28.10.2022 entnommen.

Österreichs Top-CEOsInterview

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