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Wer sind die kundenfreundlichsten Unternehmen Österreichs? Welche Geschäfte und Dienstleister haben das beste Kundenservice? Und wie zufrieden sind die Nutzer von Webshops und Onlineplattformen? Die Gesellschaft für Verbraucherstudien (ÖGVS) erstellte gemeinsam mit dem trend das größte österreichweite Ranking im Bereich der Kundenzufriedenheit.
„Der Kunde ist nicht König.“ Wenn Harald Bauer, der seit Jahresbeginn neue Vorstandsvorsitzende von dm-Österreich und elf damit verbundenen Ländern, den jahrhundertealten Stehsatz, wonach der Kunde immer König sei, ins Gegenteil verkehrt, klingt das provokant und radikal. Aber es muss etwas dran sein – schließlich erzielt dm seit Jahren Spitzenwerte bei der Erhebung der Kundenzufriedenheit.
„Wenn der Kunde König ist, sorgt das meines Erachtens für grobe Schieflagen“, sagt der dm-Chef, „denn was sind dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Filiale? Knechte?“ Eine gute Frage.
Eigentlich rhetorisch gemeint, aber Harald Bauer hat dazu eine ganz konkrete Einstellung: „Die Kundinnen und Kunden und die dm-Belegschaft müssen sich auf Augenhöhe treffen. Nur so entsteht ein vernünftiger Dialog.“ Diese Philosophie zeigt, dass Kundenfreundlichkeit nicht bedeutet, den Kunden über alles zu stellen. Vielmehr geht es um eine Balance, in der sowohl Kunden als auch Mitarbeitende respektvoll behandelt werden. Unternehmen, die diesen Ansatz verfolgen, schaffen nicht nur zufriedene Kunden, sondern auch motivierte Mitarbeiter – eine Kombination, die langfristig den Erfolg sichert.
Die Kunden-Champions
Wie stark dieser Zugang von den dm-Kundinnen und -Kunden wahrgenommen wird, illustriert der jüngste „Branchenmonitor 2025“ für Kundenzufriedenheit, den die ÖGVS – Gesellschaft für Verbraucherstudien gemeinsam mit dem trend durchgeführt hat: dm ist das Unternehmen in Österreich mit den zufriedensten Kunden und landete mit einem Spitzenwert im Filialgeschäft auf Platz eins des Rankings aller Kunden-Champions Österreichs. Gleichzeitig holt sich der Drogeriemarkt, konkret dm.at, mit ähnlich starken Leistungen im Onlinehandel auch gleich Platz drei und erzielt damit in Summe zwei von drei Stockerlplätzen (siehe Ranking).
Der „Branchenmonitor“ ist die größte branchenübergreifende Erhebung zur Kundenzufriedenheit in Österreich und spiegelt umfänglich die Eindrücke der Kundinnen und Kunden wider: 420.000 Meinungen für 183 Branchen wurden herangezogen. „Kundenzufriedenheit, Kundenservice und Preis-Leistungs-Verhältnis wurden genau analysiert“, erklärt ÖGVS-Projektleiterin Henriette Wienhold die Methodik. „Die top 20 Prozent branchenübergreifend sind die ‚Kunden-Champions‘. Die Besten in den jeweiligen Branchen die ‚Branchen-Champions‘“ (siehe „Die Methodik“).
Wie im Vorjahr offenbarte sich eine große Bandbreite bei den Punkten: „Das am besten bewertete Unternehmen schaffte einen Score von 8,5 von zehn möglichen Punkten“, bilanziert Wienhold, „das schlechteste schnitt mit 6,3 Punkten ab.“
Einen validen Gradmesser für die Kundenzufriedenheit zu haben, war selten wichtiger als in Zeiten sinkender Wirtschaftsleistung und verhaltener Konsumlaune. „Besonders Unternehmen im Handel und im Dienstleistungssektor stehen unter Druck, sich durch herausragenden Kundenservice und ein überzeugendes Preis-Leistungs-Verhältnis von der Konkurrenz abzuheben“, sagt Wienhold. „Eine zufriedene Kundschaft ist der Schlüssel zu langfristigem Erfolg: Vertrauen und positive Erfahrungen beeinflussen Kaufentscheidungen maßgeblich.“ Jene Unternehmen, die im Ranking besonders gut abschneiden, verbindet offenbar eine Fähigkeit, nämlich den Dialog mit den Kundinnen und Kunden optimal zu führen, egal, wo er passiert: persönlich, am Telefon, über die sozialen Netzwerke oder analog über Kundenzeitschriften oder Mailings.
Premiumerlebnis
Zu den Branchen mit den höchsten Werten zählen unter anderem „Reisen & Tourismus“. Im Hospitality-Bereich gelingt Beeindruckendes, sind doch die Erwartungen von Kunden hoch, wenn sie sich trotz knapperer Haushaltsbudgets diese Auszeiten gönnen und sie im Gastgewerbe verbringen.
Exzellenz in der Kundenzufriedenheit wird im Tourismus vor allem über das Personal erreicht, ist Johann Sommerer, Managing Director des Spa Resorts Geinberg in Oberösterreich, überzeugt. Der Sieger in der Branche „Thermen“ – und damit einer der vielen Branchen-Champions im Segment „Reisen & Tourismus“ – freut sich über das Ergebnis und gibt das Lob direkt weiter, denn: „Ausgezeichnete Mitarbeitende zu haben, ist der Schlüssel für ein gutes Kundenerlebnis. Ohne glückliche Mitarbeiter keine glücklichen Gäste. Den wirklichen Unterschied macht in unserem Geschäft die persönliche Note.“ Um diese Voraussetzungen zu schaffen, wird das Personal mit außergewöhnlichen Benefits betreut und mit professioneller Begleitung am eigenen Karriereweg gecoacht. Wer dem Kunden dient, hat das Beste verdient.
Um den Erholungsuchenden ein Premiumerlebnis zu bieten, werden alle Register gezogen: „Wir haben viel Geld und Know-how in die Digitalisierung gesteckt. Die Reise etwa beginnt vorab mit der Reservierung von Liegen und begleitet die Gäste im Haus über die App entsprechend ihren Vorlieben. Digital, dezent und komplett stressbefreit“, sagt Sommerer.
Mit dem Auschecken endet der Aufenthalt, aber nicht die „Customer Journey“. Mit Bewertungen meldet sich der Gast zurück und bietet erneut Möglichkeiten für Dialog. Gefährlich ist es, Lob oder Kritik zu ignorieren: 63 Prozent der Kunden sind bereit, aufgrund einer einzigen schlechten Erfahrung zum Konkurrenten zu wechseln, das sind neun Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr, hat eine Umfrage des Kundenservicespezialisten Zendesk ergeben. Die Loyalität sinkt.
Umso wichtiger ist es, den Dialog am Laufen zu halten und die eigenen Prozesse anzupassen, wie das beim mehrfachen Branchen-Champion des Segments „Wohnen & Leben“ (siehe Seite 45) der Fall ist: Ikea. „Wir fragen die Kunden laufend, wie sie mit uns zufrieden sind, und das auf verschiedensten Kanälen. Wir fragen sie aktiv, wir sehen uns aber auch Kommentare in den Netzwerken an“, erzählt Alexandra Dürr, Area-Managerin & Head of Retail Operations bei Ikea Österreich. Wurde früher zweimal im Jahr gemessen, passiert das mittlerweile permanent. Erkenntnisse werden direkt umgesetzt. „Bei der Bezahlung haben wir etwa festgestellt, dass die Kunden bestimmte Zahlungsarten vermissten, also haben wir Apple Pay und Google Pay integriert“, sagt Dürr.
Aus Umfragen weiß der Möbelhändler aber auch, „dass die Mitarbeitenden der wichtigste Faktor für Kundenzufriedenheit sind“. Folgerichtig wird laufend geprüft, wie die Mitarbeitenden technisch und organisatorisch besser unterstützt werden können. „Unser Ziel ist es, dass beide Seiten, Kunden und Mitarbeiter, ein gutes Erlebnis haben.“
Jederzeit erreichbar
Ohne gute Mitarbeitende keine Kundenzufriedenheit – diese Formel gilt auch in der Versicherungsbranche, wo die Qualität des Dialogs noch wichtiger ist, weil der Kundenkontakt selten stattfindet, oft erst im Schadensfall. Dann muss alles passen, weiß Christian Noisternig, Vorstand Vertrieb & Marketing bei der Ergo Versicherung, die den ersten Platz der Branche „Rechtsschutz“ erzielt: „Unser Ergo KundenService wird extrem kundenfreundlich geführt. Ich habe noch nie ein negatives Feedback über dieses Team gehört. Es ist auskunftsfähig und bietet auch inhaltliche Lösungen an.“
Bei der Ergo ist die Kundenzentrierung einer der fünf Unternehmenswerte – danach wird geführt, danach wird auch die Produktentwicklung ausgerichtet. Noisternig bringt ein Beispiel: „Durch die Übernahme der D.A.S. Rechtsschutzversicherung vor zwei Jahren haben wir ein Juristenteam im Haus, das zusätzlich kostenlose Beratungen anbietet und oft außergerichtliche Lösungen für die Kunden erarbeitet. Das ist ein großes Asset, das die Kunden zu schätzen wissen.“ Für die Kunden im Fall des Falles 24/7 erreichbar zu sein ist dank technischer Systeme garantiert. „Letztlich geht es darum, dass unsere Kunden uns aktiv weiterempfehlen. Das tun sie nur, wenn sie mehr als zufrieden sind.“ Die Betonung liegt auf dem „mehr“.
Extrem schnell
Die ganz hohe Kunst im Kundenservice ist, Probleme proaktiv zu erkennen und zu lösen. Beim Diskontmobilfunkanbieter HoT hat das Team dabei eine gewisse Meisterschaft entwickelt und schafft es, mit weniger Mitarbeitenden im Callcenter mehr Kunden happy zu machen. HoT-Geschäftsführer Michael Krammer: „Kundenservice und Entwicklung tauschen sich bei uns wöchentlich aus. Probleme können wir extrem schnell adressieren und damit das Anrufvolumen verringern.“
Super zufrieden sind die Kunden des Lebensmitteldiskonters Hofer aber nicht nur mit dem Mobilfunkangebot. Bei den „Reiseportalen“ holte sich hofer-reisen.at den Branchensieg ebenso wie Hofer bei den „Lebensmittel-Discountern“.
Neben Diskontern finden sich unter den Unternehmen mit den höchsten Zufriedenheitswerten Branchen, die dem Kunden im Wortsinne nahe sind, etwa Gesundheitsdienstleister oder Gastronomiebetriebe.
Kein Selbstzweck
Ein Ansporn für alle Unternehmen, am Thema Kundenzufriedenheit konsequent zu arbeiten, sind natürlich auch die entsprechenden Umsätze. Denn es fühlt sich nicht nur gut an, zufriedene Kunden zu haben, es zahlt sich auch aus. Die deutschen Professoren Michael Fretschner und Jan-Paul Lüdtke haben in einer Metaanalyse in 96 Studien aus über zwei Jahrzehnten Korrelationen zwischen der Kundenzufriedenheit und Geschäftsergebnissen gesucht und gefunden. Im Dienstleistungsbereich war der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Geschäftserfolg dabei fast dreimal so stark wie im Produktions- und Konsumgüterbereich.
„Der Fokus des Managements auf die Kundenzufriedenheit ist wirklich gerechtfertigt, es gibt einen signifikant positiven Zusammenhang“, so die Experten. Selbst eine kleine Erhöhung der Kundenzufriedenheit führe zu höherem Cashflow und bei börsennotierten Unternehmen sogar zu höheren Bewertungen: „Zufriedene Kunden sind kein Selbstzweck. Sie zahlen auf wichtige Firmen-KPIs ein.“
Es lohnt sich also tatsächlich, diesen Marathon zu laufen. Zahlreiche Unternehmen setzen seit Jahren auf die richtigen Strategien, wie die Fallbeispiele illustrieren. Im Branchenvergleich gab es aber auch heuer wieder welche mit Spielraum für Verbesserung. Mobilitätsdienstleister könnten noch ein paar Extrameilen fahren: „Anbieter aus dem Kfz-Bereich, Autovermieter und Car-Sharing-Dienste konnten nicht auf allen Linien überzeugen“, sagt ÖGVS-Projektleiterin Wienhold.
Positive Ausreißer gab es aber auch hier: auto-doc.at macht seine österreichischen Kunden seit 2011 offenbar ziemlich happy, und auch Motorradzubehöranbieter auner gelingt dasselbe rund ums Motorrad. Zwei Spezialisten als Topscorer.
Am unteren Ende der Kundenzufriedenheit bilanzierten erneut die Onlinedienstleister für die Partnersuche. Dass hier keinem der Anbieter die Herzen bei der Kundenzufriedenheit zufliegen, muss aber nicht unbedingt an einer mangelnden Kundenorientierung oder dem Service selbst liegen. Möglicherweise hat dies auch mit enttäuschten Erwartungen bei Liebe und Partnerschaft zu tun.