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brotsüchtig - gut gewürzt und scharf berechnet

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NUR MEHR BACKEN, WAS AUCH GEGESSEN WIRD. Die brotsüchtig-Gründer Stefan Faschinger und Oliver Raferzeder, Bäcker- und Konditormeisterin Elisabeth Plank, Volkmar Wieser, Area Manager Data Science bei SCCH, Alois Keplinger, Projektberater Innovationsmanagement der WKOÖ (v. l.).

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Das Ziel der Linzer Bäcker von BROTSÜCHTIG ist die Brotlosigkeit – am Abend. Ein smartes Programm sagt dafür tagesaktuell den genauen Absatz voraus.

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Mehlstaub überall, obligatorische Nachtarbeit. Stefan Faschinger kennt die weniger romantischen Seiten des Gewerbes. Vater und Großvater waren Bäcker gewesen. Den Betrieb zu übernehmen, war weder dezidierter elterlicher Wunsch noch Faschingers erste Wahl. Er begann ein Studium der Biodiversität und wechselte zu Innovations- und Produktmanagement, arbeitete im Vertrieb bei Teufelberger.

Im Gedächtnis war ihm aber auch der Duft frisch gebackenen Brots geblieben und die Handgriffe, die er als Bub beim Mithelfen erlernt hatte. Vor acht Jahren heizte er mit Schwager Oliver Raferzeder, einem Wirtschaftsinformatiker, den Ofen in der stillgelegten väterlichen Backstube doch wieder an. „Motiviert hat mich die neue Wertschätzung für handwerklich gut gemachtes Brot mit Biozutaten, das sich in Teilen der Bevölkerung aufgetan hat“, erinnert sich Faschinger. „Natürlich wollte ich auch das, was ich im Studium und in der Wirtschaft gelernt hatte, mit einem eigenen Produkt ausprobieren.“

Das Konzept ging vom ersten Tag erstaunlich gut auf, vor allem durch eine clevere Standortwahl in der Linzer City und Mundpropaganda. „Wir waren damals einfach on Fire“, erinnert sich Faschinger, „heute haben wir zur Leidenschaft auch Routine gewonnen.“

Über die Jahre ist brotsüchtig, so der Name, auf einen Betrieb mit vier Filialen in und rund um Linz gewachsen, der 40 Teil- und Vollzeitkräfte beschäftigt. Faschinger: „Wir haben unser Wachstum organisch aus eigener Kraft geschafft. Einzige Starthilfe war die vorhandene Infrastruktur.“

Täglich kommen rund tausend Kundinnen und Kunden in die Filialen – was nur mit einer optimalen Produktionsplanung gelingen kann. „Der Spagat, der Kundenerwartung eines kompletten Sortiments bis Ladenschluss gerecht zu werden und dabei wenig Überschuss zu produzieren, ist nicht einfach“, erzählt Raferzeder. „Wir geben Überschuss zwar an die Linzer Sozialmärkte weiter. Das nachhaltigste Wirtschaften ist aber, ihn gar nicht zu produzieren.“

Daten als Zutat

Im Tagesgeschäft blieb nie Zeit, sich strategisch damit auseinanderzusetzen. Doch der Zufall führte die Gründer mit Alois Keplinger zusammen. Der Innovationsberater der WKOÖ kehrt mit seiner Frühstücksrunde gern in die brotsüchtig-Filiale in der Herrenstraße ein, und im Zuge eines Gesprächs entstand vor einem Jahr die Idee, das Planungsproblem anzugehen.

Keplinger machte die Gründer auf das Förderprogramm „Test before Invest“ des European Digital Innovation Hubs (siehe Kasten, unten) aufmerksam und half ihnen bei der Antragstellung und der Suche nach dem passenden Projektpartner. Keplinger: „Daten fallen in vielen kleinen Unternehmen an. Doch viele haben keine Idee und oft keine Zeit, sich damit zu beschäftigen, was sie damit machen können, um produktiver und innovativer zu werden.“

Datenexpertise fand Keplinger beim Software Competence Center Hagenberg (SCCH) in Person von Datenwissenschafter Volkmar Wieser, der sein Brot bislang nicht mit Brotberechnungen verdiente, aber direkt begeistert war. „Daten zu analysieren, ist zwar unser tägliches Brot. Die meisten Projekte laufen allerdings mit oberösterreichischen Leitbetrieben aus der produzierenden Industrie, aber auch darüber hinaus“, sagt Wieser.

Gutes Brotwetter

Gemeinsam mit Mitgründer Oliver Raferzeder evaluierte Wieser den Datenbestand. Mit einer kurzen Unterbrechung im Dezember – traditionell der stärkste Monat in einer Bäckerei – hatten die Projektbeteiligten nach vier Monaten die Datenbasis so weit zusammengesetzt und bereinigt, dass sie valide Schlüsse ziehen konnten.

Verschnitten werden die hauseigenen Daten mit externen, zum Beispiel mit Wetterdaten. „Gut zu verarbeitende historische Wetterdaten sind gar nicht so einfach zu bekommen“, erinnert sich Wieser an auch für ihn überraschende Herausforderungen. „Als wir das Zahlenmaterial erstmals am Dashboard sahen, war das schon ein sehr aufregender Moment“, erzählt Faschinger. Berechnungen, die er sich davor unter stundenlangen Extraschichten und oft mit viel Bauchgefühl zusammengestellt hatte, sind plötzlich mehr oder weniger auf Knopfdruck abrufbereit bzw. anpassbar.

Wir konnten unsere Retourenquote um 20 Prozent reduzieren.

Stefan FaschingerMitgründer von brotsüchtig

Seit März 2024 ist das Prognosewerkzeug im Einsatz und erfüllt die Erwartungen. „Jahreszeit, Wetter, Wochentag, generelle Frequenz beeinflussen den Verkauf stark und waren immer schwer zu kalkulieren“, sagt Raferzeder.

Die Bilanz ist gut. „Wir konnten unsere Retourenquote um 20 Prozent reduzieren, und das jeden Tag“, sagt Faschinger. „Weniger Ausschuss zu produzieren, spart auch Arbeitszeit und Energiekosten und sorgt für einen besseren Rohstoffeinsatz. Diese sind bei unserem Qualitätsanspruch und Bio generell um 15 bis 20 Prozent teurer als herkömmliche.“

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ALLES IM BLICK. In einem Brot stecken mindestens sechs bis sieben Zutaten vom Biomehl bis zu den einzelnen Gewürzen, die im System separat erfasst sind.

Arbeitszeit und in dem Fall noch viel traditionelle Handarbeit sind zwei weitere Produktionsfaktoren.

Die täglichen ein bis zwei Stunden Produktionsplanung kann Faschinger mit dem Programm auf 30 bis 60 Minuten herunterfahren. Das Tool hat den brotsüchtig-Machern auch neue Erkenntnisse beschert. „Eine Veranstaltung und damit höheres Passantenaufkommen ist nicht gleichzusetzen mit Mehrumsatz. Bei einem Festival geht mehr, bei einer Demo bleiben viele Menschen dem Geschäft fern.“

Mit dem Werkzeug werden auch Annahmen bestätigt oder widerlegt. Faschinger glaubte, genau zu wissen, wo und in welcher Menge der Bestseller, das „Drahdiwaberl“-Weckerl, verkauft. „Weil ich dieses Produkt so liebe, bin ich meinen eigenen Erwartungen auf den Leim gegangen. Das System hat keinen Brot-Bias“, sagt er lachend.

Die digitalisierten Biobäcker haben jetzt laufend neue Ideen und Fragen ans KI-System. Ist tatsächlich Homeoffice der Grund, dass seit der Pandemie plötzlich der Dienstag zum umsatzstärksten Tag am Wochenanfang wurde und nicht mehr der Montag? Wie lässt sich die App, die über 8.000 Kundinnnen und Kunden installiert haben, sinnvoll ins System integrieren?

Für Faschinger gibt es noch einen ganz profanen Grund, der die Begeisterung für das System unterstreicht: „Früher hing die Produktionsplanung allein an mir. Das können jetzt auch andere übernehmen, und ich kann einmal ruhigen Gewissens ein paar Tage Urlaub machen.“

Dass mittlerweile auch kurze Erholung vom Tagesgeschäft drin ist, haben die Linzer Biobäcker kurioserweise ihrer traditionellen Positionierung zu verdanken. „Wir haben keine Probleme, gute Bäcker zu finden. Zu uns kommen die, die gerne mit der Hand arbeiten und nicht nur Automaten bedienen wollen.“

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ZWEI AUSGESUCHTE PROJEKTE. Schlüsselproduktion anhand von Fotos (l.), und Mehrzweckroboterstation für den Metallbau (r.).

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"Eine der besten Förderungen"

Der Artikel ist trend. PREMIUM vom 12. Juli 2024 entnommen.
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