Chris Thaller - Creative Lead und Mitbegründer von Anything But Ordinary
©Christoph PlatzerChris Thaller, Creative Lead und Mitbegründer von Anything But Ordinary, über Kreativität, Scheitern und Künstliche Intelligenz.
Wer etwas Außergewöhnliches erreichen will, der kommt an der Kreativität nicht vorbei.
Kreativität ermöglicht es uns, neue Perspektiven zu entdecken und innovative Lösungen zu finden. Doch was bedeutet es wirklich, kreativ zu sein? Und wie lässt sich Kreativität in einer zunehmend automatisierten Welt bewahren und fördern?
Chris Thaller war zehn Jahre lang als Head of Creative Projects bei adidas Runtastic tätig.
Vor einigen Jahren gründete Thaller mit weiteren Kollegen die Kreativagentur "Anything But Ordinary" (ABO). ABO spezialisiert sich auf Nachhaltigkeitskampagnen für Unternehmen.
Im Gespräch mit trend.at gibt Thaller Einblicke in seine kreativen Prozesse, teilt seine Ansichten über die Bedeutung von Diversität und den Umgang mit kreativen Blockaden und erklärt, wie Künstliche Intelligenz neue Möglichkeiten für Kreativität eröffnet.
Wann waren Sie das letzte Mal kreativ?
Ein tolle Einstiegsfrage, wenn auch etwas schwierig zu beantworten. Ich denke, man ist grundsätzlich immer kreativ. Beruflich war ich zuletzt vor zwei Tagen kreativ, als ich ein Greenfluencer-Video-Reel geschnitten habe. Aber ich war auch gerade erst vor ein paar Stunden kreativ, als ich eine sehr persönliche und auch sehr kreative Geburtstagsnachricht an einen Freund geschickt habe. Kreative, meist recht humorvolle Geburtstagsnachrichten sind für mich immer die beste Möglichkeit, meiner Kreativität freien Lauf zu lassen.
Was macht einen kreativen Menschen überhaupt aus?
In Schlagwörtern würde ich sagen, es ist vor allem Leidenschaft, Intuition, Offenheit und viel Neugier. Um kreativ zu sein, ist es oft wichtig, über den Tellerrand hinauszusehen und außerhalb der Normen und konventionellen Denkweisen zu denken. Kreative Ideen sind entgegen vielfacher Meinung nie nur einzelne Gedanken, die man hat oder auch nicht hat, vielmehr sind kreative Ideen neue Connections, die man zwischen bisher scheinbar unzusammenhängenden Ideen herstellt und dadurch etwas neues Kreatives schafft. Aber ein genaues Muster des kreativen Menschen gibt es nicht. Dafür ist Kreativität zu vielseitig und divers.
Glauben Sie, dass kreative Fähigkeiten angeboren sind oder können sie vollständig erlernt werden?
Ich denke, beides ist richtig und möglich. Ich persönlich war schon immer ein kreativer Geist. Schon als Kind habe ich es geliebt, bei Rollenspielen ein besonders kreatives Outfit zu haben oder beim Fußball durch ein kleines kreatives Asset "besonders" aufzutreten. Ich denke, jedem Menschen wird bei seiner Geburt ein Talent in die Wiege gelegt, quasi sein Purpose, sein Sinn des Lebens. Dieser kann sein, sich in der Kreativwirtschaft zu verwirklichen, aber auch Karriere im Sport zu machen. Kreativität selbst ist ein viel zu breiter Begriff, um ihn hier abzugrenzen und zu sagen, die einen sind kreativ und die anderen sind es nicht. Jeder Mensch hat in gewisser Art und Weise kreative Fähigkeiten von Geburt an. Ob man diese dann jedoch nutzen will, ist jedem selbst überlassen. Im Leben kann man alles erlernen, auch kreativ zu sein. Wenn man jedoch keine Leidenschaft für das Thema mitbringt, hilft alles Lernen und alle Skills nicht weiter und man wird sein kreatives Potential nie wirklich ausschöpfen können.
Wie gehen Sie mit kreativen Blockaden um? Und haben Sie spezielle Techniken, um diese zu durchbrechen?
Nein, Ich habe nie nach speziellen Techniken gesucht, um aufkommende kreative Blockaden zu durchbrechen. Vielmehr hat mich mein bisheriges Leben gelehrt, mit Blockaden umzugehen. Intuition spielt dabei eine große Rolle. Es ist wichtig, zuallererst in sich selbst gut reinzuhören, ob man sich in einer Phase befindet, in der man eher pushen soll, um eine Idee, ein Projekt voranzutreiben, oder ob man eher zurücktreten, mal eine Pause einlegen soll, um Ideen einfach auch einmal passieren zu lassen. Blockaden gehören genauso zum Leben eines Kreativen wie Pausen zu unser aller Leben. Wenn man eine Blockade hat, merkt man zudem sehr schnell, dass sich mit mehr Druck nicht viel ändert. Am besten ist, man schaltet ab und macht etwas ganz Anderes und gibt den Ideen den Freiraum, den sie auch brauchen, um sich manifestieren zu können. Ich weiß, das klingt jetzt etwas esoterisch, ist jedoch einfach der Lauf des Lebens. Es ist wichtig, im Leben eine gute Balance zu haben und ausgeglichen zu sein.
Welche Rolle spielt Scheitern in Ihrem kreativen Prozess und wie nutzen Sie Misserfolge als Sprungbrett für Innovation?
Ich habe eine eigene Einstellung, was das Thema Scheitern von Projekten betrifft. Ich sehe Scheitern grundsätzlich nie als Misserfolg, sondern viel mehr als eine Art falsches Timing, um eine gewisse Idee, ein gewisses Projekt erfolgreich zu realisieren. Ich hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Ideen und Projekte, die zuerst den Anschein hatten, gescheitert zu sein, sich jedoch zu einem späteren, oft auch nicht geplanten Zeitpunkt fast wie von selbst noch einmal angeboten und erfolgreich realisiert haben. Und dies meist auch noch in einem viel erfolgreicheren, größeren Ausmaß als ursprünglich überhaupt geplant. Daher nutze ich meine sogenannten "Misserfolge" meist, um Ideen nochmal genauer zu hinterfragen, sie mit anderen Leuten zu besprechen und dadurch meist zu noch vielen besseren Ideen zu entwickeln.
Welche Maßnahmen und Strukturen haben Sie in Ihrem Unternehmen eingeführt, um die Kreativität Ihrer Mitarbeiter:innen zu fördern?
Ich liebe es, mich mit anderen Leuten über Ideen, Projekte und Themen zu unterhalten. Und dies am liebsten kombiniert mit einer Partie Tischtennis oder Darts. Spaß - im Leben und im Beruf - sowie Inspiration durch andere Menschen sind dabei wesentliche Faktoren, um auch nachhaltig kreativ zu sein. Als ein Service meiner Agentur biete ich Innovations-Workshops an, welche genau diese Bestandteile beinhalten: Spaß, Inspiration und Zusammenarbeit mit anderen.
Kann man den Erfolg kreativer Initiativen eigentlich messen? Wenn ja, wie wird das bei Anything But Ordinary getan?
Erfolg, besser noch die Wirkung einer Idee messbar zu machen, ist essentiell. Es gibt in meinem Unternehmen jedoch keine festgelegten KPIs, mit welchen der Erfolg eines kreativen Projekts gemessen wird. Dafür sind meine Projekte viel zu unterschiedlich. Die Wirkung einer bestimmten Kampagne wie z. B. der "adidas X Parley Run for the Oceans"-Kampagne konnte mittels der Anzahl von weltweit gesäuberten Stränden gemessen und evaluiert werden. Der Erfolg unseres "ABO Body-Mind-Spirit Festivals", eines Corporate Event Formats rund ums Thema "Mentale Gesundheit", konnte durch Befragung der Mitarbeiter:innen nach dem Event bewertet werden. Und so gibt es auch noch zahlreiche andere Werte wie die Reichweite oder das Engagement eines Videoprojekts, die da zum Tragen kommen. Wichtig ist nur, einen Weg zu finden, um feststellen zu können, ob gewisse Ziele erreicht werden konnten oder eben auch nicht. Von der Bewusstseinsschaffung großer Kampagnen bis hin zu gesammelten Tonnen von Plastikmüll es ist wichtig, den Impact eines Projekts nachweisen zu können, nicht zuletzt auch aus dem Grund, potentielle Greenwashing-Versuche ausschließen zu können.
Welche Rolle spielt Diversität in Teams für die Förderung von Kreativität und Innovation?
Nichts ist inspirierender als Teil einer diversen Unternehmenskultur zu sein. Es ist entscheidend für die Förderung von Kreativität und auch von Innovation. In meiner Zeit bei Runtastic hatten wir Mitarbeiter:innen aus über 50 Nationen. Mit all diesen Kolleg:innen aus ihren unterschiedlichen Ländern, mit ihren unterschiedlichen Kulturen, Perspektiven und Erfahrungen zusammenarbeiten zu können, war in jeder Form bereichernd und hat nicht zuletzt zu vielen meiner Ideen und Projektrealisierungen geführt.
Wie sorgen Sie dafür, dass in Teams unterschiedliche Meinungen und Ideen gehört und berücksichtigt werden können?
Auch hier steht wieder der Begriff Offenheit für mich an vorderster Stelle. Ein offener Umgang mit Kollegen und Kolleginnen und das nötige Vertrauen in ein Team sind entscheidend für Kreativität, da Kreativität immer den freien Ideenaustausch, konstruktives Feedback und diverse Perspektiven fördert. Um den Ideenaustausch in einem Unternehmen zu fördern, habe ich das Corporate-Event-Format "Impact Days" entwickelt, mit welchem ich Unternehmen helfe, ihren Mitarbeiter:innen eine Plattform zu bieten, um eigene Ideen zu entwickeln und gleichzeitig in ihre Unternehmenskultur zu investieren.
Welche externen Inspirationen nutzen Sie, um frische Impulse in Ihr Unternehmen zu bringen?
Frische Impulse entstehen aus Erfahrungen und aus dem Hören guter Geschichten. Aus diesem Grund habe ich vor einigen Jahren mit dem Projekt der "The Tiger Talks" begonnen, einer Interview-Serie, bei welcher ich einzigartige Persönlichkeiten aus aller Welt zu Unternehmen bringe, um Mitarbeiter:innen mit ihren Geschichten zu inspirieren. Bei "The Tiger Talks" durfte ich bereits tolle Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Genres begrüßen, von "Masta Ace", einer Hip-Hop-Legende aus New York City, welcher als Betroffener und Botschafter für Multiple Sklerose Großartiges leistet, über Dr. Ha Vinh Tho, den ehemaligen Glücksminister aus Bhutan, der seit Jahren Unternehmen, Schulen und Organisationen auf eindrucksvolle Weise unterstützt, die Werte des Glücksprinzips aus Bhutan auch in ihren Unternehmen erfolgreich integrieren zu können, bis hin zur unvergleichbar inspirierenden Dr. Jane Goodall, die mit ihren 90 Jahren noch immer um die Welt reist, um uns allen Hoffnung für eine bessere Welt zu geben. Das Feedback, welches ich nach einem Tiger Talk von Mitarbeiter:innen bekomme, ist immer extrem positiv und zeigt, dass externe Faktoren ein erheblicher Treiber von neuen innovativen Impulsen im Unternehmen sein können.
Sehen Sie KI als Werkzeug zur Erweiterung der menschlichen Kreativität oder als Bedrohung für traditionelle kreative Berufe?
Man muss keine Angst haben, als Kreativer von KI abgelöst zu werden. Künstliche Intelligenz wird menschliche Kreativität nie ersetzen – aber sie wird die Welt von Kreativen revolutionieren. Am Ende des Tages bleibt es immer unsere eigene, persönliche - kreative - Entscheidung, wie oder wofür wir KI-Tools nutzen wollen. Und gerade darin liegt meines Erachtens auch die allergrößte Chance für unsere Welt. Die Chance, unterstützt durch KI-Programme eine Zukunft zu gestalten, in welcher Kreativität dazu beitragen kann, globale Probleme zu lösen und unsere Welt dadurch ein Stück besser zu machen.
Wie wird KI bei Anything but Ordinary eingesetzt? Gibt es bereits Projekte, bei dem KI eine zentrale Rolle gespielt hat?
Es gibt derzeit kein spezielles ABO KI-Projekt, jedoch greife ich bei fast all meinen Projekten zunehmend auf die Unterstützung von KI-Tools zurück. Man findet quasi an jeder Ecke ein KI-basiertes Programm, das einem helfen kann, kreative Ideen und Projekte noch besser zu machen. Sei es textlich beispielsweise mit ChatGPT oder sei es foto-, video-, audiotechnisch. Das Angebot ist schier unendlich. Erst letzte Woche habe ich wieder eine KI-Software verwendet, um eines meiner älteren, damals sehr schwach aufgelösten Videointerviews quasi durch Knopfdruck in einen crisp-and-clear 4k-Auflösungsclip zu verwandeln.
Welche neuen (kreativen) Möglichkeiten sehen Sie durch den Einsatz von KI, die bisher undenkbar waren?
Ich selbst bin begeistert von den unendlichen Möglichkeiten, die sich für einen Kreativen durch KI mittlerweile ergeben - und noch weiter ergeben werden. Es ist so, als hätte man vorher an kleinen Spielplätzen gespielt und ist nun in Disneyland gelandet. Es scheint, als wäre derzeit alles möglich und das ist auch gut so. Ich hoffe nur, unsere Gesellschaft wird dieses schier endlose Potential nutzen, um die größten Probleme unserer Welt zu lösen, und nicht, um noch mehr Probleme zu kreieren.
Wenn KI in der Lage ist, Kunstwerke zu schaffen, die nicht von menschlichen Werken zu unterscheiden sind, was bedeutet das für den Wert und die Bedeutung von menschlicher Kreativität?
Eine sehr gute Abschlussfrage aus mehreren Gründen. Menschlicher Kreativität Wert und Bedeutung zu geben war schon lange vor dem Aufkommen Künstlicher Intelligenz ein heikles Thema. Kreativen Ideen sowie künstlerischer Arbeit wird nicht selten recht wenig Wert(schätzung) und Bedeutung zugesprochen, und das völlig egal, ob diese Kreativität oder dieses Kunstwerk nun durch einen Menschen oder durch eine KI entstanden ist. Die Bewertung von kreativen Ideen wie Kunstwerken, Kampagnen, Konzepten oder Videos ist oft sehr subjektiv und daher auch stark von den individuellen Vorlieben und Perspektiven des Betrachters, der Betrachterin abhängig. Der Erfolg kreativer Ideen ist zudem meist eher schwer vorhersehbar und zeigt sich häufig erst langfristig. Und das macht die Sache nun so schwierig. Als Kreativer kämpfe ich selbst seit jeher oft mit fehlender "materieller" Wertschätzung. "Man mache es ja gerne, und man könne es ja als Referenz für mehr Sichtbarkeit verwenden", kommt nicht selten als das "(wert)schätzende" Argument. Ein recht gutes Beispiel dafür ist das Pitchen in der Kreativbranche. Bei Unternehmen ist es weit verbreitet, dies völlig unentgeltlich zu machen. Sofern eine Idee daher nicht zur Umsetzung gelangt, hat sie quasi auch keinen Wert, somit keine Bedeutung. Welche Arbeit dahinter gestanden ist, ist völlig egal. Und das gilt sowohl für menschliche als auch für durch Künstliche Intelligenz geschaffene Kreativität. Es gibt wohl nur wenige Branchen, in welchen kostenloses Arbeiten so augenscheinlich ist wie in der Kreativindustrie.
Ob sich dies nun durch KI verbessern oder gar noch weiter verschlechtern wird, sei dahingestellt. Es bleibt auf alle Fälle weiterhin kreativ und spannend.