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Start-up-Pleiten: Comeback nicht ausgeschlossen

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Firmenschließungen treffen auch die Start-up-Branche

©IMAGO/Bihlmayerfotografie
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Pleiten dünnen die Start-up-Branche aus: Ein Sanierer, ein Anwalt und ein Betroffener erzählen, wie ein Neustart aus der Insolvenz gelingen kann.

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Exitus statt Exit – heißt es oft, seit die Boomphase für Start-ups vor zwei Jahren abrupt endete. Berater EY diagnostizierte Ende 2023 „eine noch nie da gewesene Häufung an Insolvenzen“. So unterschiedlich die Gründe im Einzelfall sind, unterm Strich stehen für alle Beteiligten Verluste. Meist endet es mit Konkurs und Auflösung. Das muss nicht zwingend das Ende sein, findet der österreichische Investor Berthold Baurek-Karlic, der durch die Umstände zu einem Sanierungsexperten wurde.

Er begleitet drei Unternehmen aus dem eigenen Portfolio (Eloop, Fretello und Cybertrap) und berät drei weitere. „In so einer Krisensituation sind alle Beteiligten hochgradig nervös, Investoren, Gründer, Mitarbeitende und auch Kunden, so sie um die Probleme wissen. Das erfordert schnelle und überlegte e Entscheidungen, die hart sind und gerade deshalb viel Fingerspitzengefühl erfordern.“ Er gibt ein Beispiel: „Investoren müssen ein finanzielles Commitment abgeben. Der Masseverwalter braucht Geld. Das macht nicht jeder gern.“ Der Business Angel ist in diesen Ausnahmesituationen oft als eine Art Business Nanny gefragt. „Wir sind zu Mediatoren und Steuermännern geworden. Die Ängste auf allen Seiten sind nicht zu unterschätzen. Da ist viel Psychologie im Spiel. Man muss informieren, man muss beruhigen.“

Über Nacht in neuer Rolle

Baurek-Karlic wurde 2023 zum Angel des Jahres gekürt, er hatte 2022 drei Exits mit 360kompany, YodelTalk, Firstbird. Im Falle der Gitarrenlern-App Fretello macht Baurek-Karlic nicht nur den Mediator, er versucht als interimistischer Geschäftsführer, das Unternehmen wieder selbst auf Kurs zu bringen, nachdem sich einer der Gründer krankheitsbedingt verabschieden musste und der andere diese Rolle nicht übernehmen konnte. „Ich bin in regem Austausch mit den ehemaligen Gründern, die auch wollen, dass ihr Baby überlebt“, sagt Baurek-Karlic.

Eine herausfordernde Zeit mit neuen Lektionen: „In dem Fall habe ich hautnah erlebt, was es heißt, von heute auf morgen kein Bankkonto zu haben, weil es der Masseverwalter hat“, sagt Baurek-Karlic. „Die Buchhaltung für einen Masseverwalter ist eine andere als jene, die man sonst macht. Wenn’s brennt, muss man priorisieren, in der richtigen Reihenfolge. Dass es Fretello noch gibt, ist eine Teamleistung, an der Anwalt und Investoren großen Anteil haben“, sagt er. „Mittlerweile fragen auch wieder Fonds an, weil sie interessiert sind.“

Wenn’s brennt, muss man priorisieren, in der richtigen Reihenfolge

Berthold Baurek-Karlic
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 © Rene Wallentin

Wenig Vermögen, wenig Ballast

Mit am Tisch sitzt oft Michael Proksch. Der Anwalt ist Spezialist für Gesellschafts- und Insolvenzrecht: „Start-ups sind zwar schon lange in meinem Beratungsportfolio, allerdings waren dort Insolvenzen bis vor drei Jahren nie ein Thema. Mittlerweile habe ich in diesem Zusammenhang bereits einige begleitet, zuletzt auch ein paar der größeren Insolvenzfälle im Start-up-Bereich.“

Proksch beschreibt die Gemengelage, die sich bei Start-ups von herkömmlichen Unternehmen doch unterscheidet: „Die Gläubigerstruktur ist sehr speziell. Meist gibt es nachrangige Eigenmittelfinanzierungen etwa durch Wandeldarlehen, Kapitalgeber mit Haftungen von aws und FFG und dazu oft noch Crowdfinanzierungen – also viele kleine und häufig ebenfalls nachrangige Gläubiger. Lieferanten hingegen gibt es meist nicht sehr viele, in der Regel auch kaum Anlage- oder Umlaufvermögen für die Verwertung. Wertbildend ist meist die IT, deren Marktwert häufig nur sehr schwer feststellbar ist.“

Eine große Chance in der Krise ist bei Start-ups der wenige Ballast: „Das Ändern von Geschäftsmodellen geht schneller, radikale Umstellung ist einfacher. Wer vor den Trümmern eines Unternehmens steht, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde, tut sich schwerer als jemand, der vor wenigen Jahren gestartet hat. Scheitern ist bei den Gründern weniger ein Stigma.“

Das Ändern von Geschäftsmodellen geht schneller, radikale Umstellung ist einfacher.

Michael Proksch
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Anwalt Michael Proksch

 © proksch & partner

Überraschungen bei den Investoren

Zum Selbstläufer wird der Neustart damit noch nicht, gibt Proksch zu bedenken: „Mit dem Pivotieren kommen nicht sofort Umsätze herein. Das erfordert Bekenntnisse von Investoren, die über den Tellerrand blicken – und noch Geld haben.“ Ob die Investoren am Tisch bleiben, hängt von ihrer Rolle und ihrem Background ab. Baurek-Karlic hat hier neue Facetten entdeckt: „Ich war überrascht, wie wenig Erfahrung mit Insolvenzen selbst Topinvestoren mit zwei, drei Jahrzehnten Erfahrung hatten. Das war für mich das größte Learning. Ein Investor sagte mir sinngemäß: ‚Ich mach mir jetzt einen Barolo auf und schreibe das ab.‘ Als ich ihm das Sanierungskonzept erklärt habe, hat er große Ohren bekommen.“

Mit Überraschungen ist immer zu rechnen: „Manche Fonds dürfen aufgrund ihrer Statuten nicht in Unternehmen in Krisensituationen investieren“, sagt Baurek-Karlic, „dafür gibt es wieder andere, die sich für ein Projekt besonders unterstützend einsetzen.“

Geld zusammenhalten

Adi Reschenhofer, Mitgründer von CyberTrap, ist den Weg durch die Insolvenz gegangen: „Die härteste Zeit war, sich einzugestehen, dass allein der Wille und aller Druck nicht reichen werden, um das Ruder herumzureißen. Dem Team sagen zu müssen, es ist gescheitert, ist hart.“ Die Mitarbeiter haben zum Unternehmen gehalten und verspätete Gehaltszahlungen akzeptiert. Heute hat er ein siebenköpfiges Team, das das Produkt in Richtung KI weiterentwickelt. „Auszuhalten gilt es in der harten Zeit auch die schlechten Nachrichten, die durchs Netz gehen“, erinnert sich Reschenhofer, der froh ist, einen Sparringspartner an der Seite zu haben: „Baurek-Karlic hat uns geholfen, Ruhe hineinzubringen und uns richtig vorzubereiten auf die Termine mit dem Masseverwalter, damit wir alle Zahlen parat haben. Die größte Herausforderung in dieser Zeit ist, das Geld, das man hat, zusammenzuhalten. Wir haben um jeden Kunden gekämpft.“

Es hat nicht bei allen geklappt. „Für manche Auftraggeber ist es aus Compliance-Gründen nicht möglich, mit insolventen Unternehmen zu kooperieren“, sagt Reschenhofer. „Es gab aber auch welche, die uns in der Woche nach der Beendigung der Insolvenz direkt einen Termin gegeben haben. Das baut auf.“ Anfang November soll eine erste Version ihrer Cybersecurity-Software für die Sicherung von Produktionsanlagen und Industriesteuerungen fertig sein. Aktuell werden 30 Kunden betreut, der Vertrieb führt acht bis zehn Gespräche im Monat. „Den Market Fit haben wir klar bestanden“, so Reschenhofer.

CyberTrap hat sich aus der Schuldenfalle befreit und spürt Aufwind. Anwalt Proksch nimmt diese Momente oft wahr, wenn sich am Ende eines für alle anstrengenden Prozesses etwas Besonderes abzeichnet: „Wenn die Gründer und Investoren aktiv mitziehen, ist plötzlich ein ganz anderer Spirit da.“

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