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Corporate Governance aus der Steinzeit

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Red Bull zeigt bei der Aufarbeitung der „Horner-Affäre“, wie es nicht geht. Das ist eines Weltkonzerns im 21. Jahrhundert unwürdig.

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Konzerne wie diesen, die aus Österreich heraus die Welt erobert haben, gibt es nicht viele. Die Strahlkraft des Energydrink-Herstellers Red Bull aus dem kleinen Salzburger Ort Fuschl ist – auch dank der vielen sportlichen Sponsoringaktivitäten – unbestritten. Mit zuletzt mehr als 18 Milliarden Euro Markenwert liegt Red Bull nicht nur weit vor jeder anderen österreichischen Marke, sondern schafft es auch unter die top 100 der Welt.

Das ist zweifellos das Verdienst des im vergangenen Jahr verstorbenen Miteigentümers und CEOs Dietrich Mateschitz, der den Konzern bis zu seinem Tod mit eiserner Hand regierte.

Doch wenn man die Ereignisse der letzten Wochen Revue passieren lässt, muss man sich fragen, ob dieser Weltkonzern überhaupt je im 21. Jahrhundert angekommen ist. So etwas wie moderne Corporate Governance, Transparenz oder Diversity scheinen im Reich des roten Bullen kaum Relevanz zu haben. Am krassesten spürt man das wohl bei der „Horner-Affäre“ rund um den erfolgreichen Formel-1-Chef Christian Horner, die die Formel 1 seit Wochen in Atem hält. Eine Red-Bull-Mitarbeiterin hatte sich dabei hilfesuchend an die Konzernzentrale gewandt und Horner „unangemessenes Verhalten“ vorgeworfen. Daraufhin wurde von Red Bull eine angeblich unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben, die die Vorwürfe prüfen sollte. Wer exakt diese unabhängige Stelle war, blieb ebenso ein Geheimnis wie der Untersuchungsbericht. Die Öffentlichkeit wurde lediglich damit abgespeist, dass die Beschwerde abgewiesen wurde und Horner entlastet sei.

Das kann man nun glauben oder auch nicht. Die Tatsache, dass wenige Tage nach dem Untersuchungsergebnis für den Teamchef nicht gerade entlastende Fotos und Chats auftauchten, zeugt davon, dass zumindest manche anderer Meinung sind. Und auch nach dem eindeutigen Sieg von Red Bull im ersten Rennen dieser Saison bleibt mehr als ein schaler Beigeschmack.

Ist solch ein Umgang mit Mitarbeiter:innen auch sieben Jahre nach Aufkommen der #MeToo-Bewegung noch zeitgemäß? Können es sich erfolgreiche Manager bei Red Bull richten, wie sie es brauchen? Müssen andere Mitarbeiterinnen von Red Bull befürchten, dass ähnliche Beschwerden ähnlich unernst abgetan werden?

Längst gibt es in vielen internationalen, auch im Privateigentum stehenden Unternehmen Codes of Conduct, wie mit solchen Fällen am besten umzugehen ist. Alles unter die Decke zu kehren und weiterzumachen wie bisher, ist aber in keinem modernen Code zu finden.

Die Fakten auf den Tisch

Ja, die Rivalität im Formel-1-Zirkus ist groß, und bei den Summen, die hier am Spiel stehen, mögen Neid und Missgunst bedeutende Rollen spielen, aber wenn die Vorwürfe so rasch zu einer Entlastung führen, was spricht dann dagegen, diese entlastenden Fakten auf den Tisch zu legen? Dem Ruf der Formel 1 täte das jedenfalls ebenso gut wie jenem des Red-Bull-Konzerns, der noch in einem anderen Fall in den letzten Tagen die nötige Sensibilität vermissen hat lassen.

Kürzlich wurden Vorwürfe Dutzender Schauspielerinnen gegen einen bekannten Regisseur wegen angeblich sexualisierter Übergriffe, aggressiver Stimmung und Angst am Set öffentlich. Ohne die Vorwürfe zu prüfen, stärkte der zum Red-Bull-Konzern gehörende Sender ServusTV dem Regisseur den Rücken.

Schon richtig, im Zweifel für den Verdächtigen, aber kann man die Vorwürfe wenigstens näher prüfen, bevor man diesem einen Persilschein ausstellt?

Immerhin haben in vielen Ländern der westlichen Welt ähnliche Vorwürfe gerade in der Filmindustrie bereits zu Anklagen mit zum Teil hohen Strafen geführt. Spätestens seit #MeToo ticken die Uhren anders. Was früher mit einem Augenzwinkern vielleicht gerade noch toleriert wurde, ist heute längst ein No-Go. Und das ist auch speziell in Hinblick auf den dieser Tage begangenen Weltfrauentag gut so.

Egal, ob nun bei Red Bull Thailänder oder Österreicher das Sagen haben, es wäre höchste Zeit, dass man endlich erkennt, dass sich die letzten 20 Jahre in Sachen Corporate Governance auf der Welt einiges getan hat. Das gilt übrigens auch für die Frauenquote – drei von drei Geschäftsführern sind männlich. Sonst könnte irgendwann das weltoffene, moderne Image der Marke doch einmal heftige Kratzer abbekommen.

Der Leitartikel ist aus trend.PREMIUM vom 8. März 2024.
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