Gutes zu tun, zahlt sich aus. Gerade in Zeiten der Krise, der Pandemie. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des weltweit größten Aktienindex-Anbieter MSCI. Jene börsennotierten Unternehmen, die die Agenden Umwelt und Soziales in ihrem Unternehmen vorantreiben und eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und -kontrolle betreiben (ESG-Prinzipien), sind laut Studie im Vergleich zur Konkurrenz profitabler, ihre Gewinne schwanken weniger und es gelingt ihnen obendrein, Geschäftsrisiken, die zu großen finanziellen Verlusten oder sogar in die Pleite führen können zu minimieren.
In schwierigen Zeiten sind sie so tendenziell besser vor Risiken gewappnet. Wohl vielfach auch deshalb, weil diese Unternehmen verantwortungsbewusst und damit auch vorausschauend agieren und sich noch bevor ein Problem auftritt, mögliche Szenarien erörtert und Gegenstrategien entwickelt haben.
Mit ESG-Fokus besser durch die Krise
ESG-konforme Unternehmen schneiden in Krisenzeiten offenbar auch an der Börse besser ab. Das zeigte sich auch während des Aktiencrashes zu Beginn der Pandemie. Im ersten Quartal fielen die Unternehmen mit den höchsten ESG-Ratings im MSCI ACWI Index um durchschnittlich 15,6 Prozent und damit rund 650 Basispunkte weniger als Unternehmen mit den niedrigsten ESG-Ratings. Noch größer war die Spanne bei US-Aktien. Jene mit hohen ESG-Bewertungen fielen nur um knapp elf Prozent, während der Markt um fast 20 Prozent abstürzte. Auch Fonds, die sich auf solche ESG-Leader konzentrieren, haben sich besser gehalten. Laut der Ratingagentur Morningstar rangierten im ersten Quartal 2020 rund 70 Prozent der nachhaltigen Aktienfonds in den USA in den oberen Hälften ihrer jeweiligen Kategorien und 44 Prozent im besten Quartil ihrer Kategorie.
Wie wichtig verantwortungsbewusstes Verhalten ist vielen Unternehmen erst durch diese schwere Krise bewusst geworden. „Viele Firmen haben endlich erkannt, dass sie sich wirklich um ihre Mitarbeiter und ihre Kunden kümmern müssen", erklärt Caroline Le Meaux, Head of ESG Research, Voting and Engagement beim Asset Manager Amundi. „Wer Mitarbeiterbindung und Kundentreue vernachlässigt, wird dafür die Rechnung erhalten. Eine Bewusstseinsänderung war überfällig.“
Pandemie als Katalysator
„Covid-19 ist ein Weckruf. In mancher Hinsicht hat uns die Pandemie die Augen geöffnet für das was wirklich wichtig ist: Der Schutz der Umwelt und der Menschen“, glaubt Le Meaux. Auch wenn viele Menschen derzeit wegen der Pandemie auf ihre eigene finanzielle Situation und ihre Bedürfnisse fokussiert sind und um eine neue Normalität ringen, kann die Pandemie ein Katalysator sein, um den Umweltschutz, soziale Agenden und gute Unternehmensführung weiter und schneller zu voranzutreiben als bisher. „Mit der Pandemie beschleunigt sich der Trend zu einer verantwortungsbewussten Anlagestrategie. Immer mehr Anleger achten bei ihren Entscheidungen auf Klima, Gesellschaft und verantwortungsvolle Unternehmensführung", bemerkt die ESG-Spezialistin.
Investoren werden so mehr und mehr zur treibenden Kraft des Wandels. Sie wollen mehr denn je etwas Positives bewirken. Sie achten mehr darauf, ob Unternehmen Nachhaltigkeit ernst nehmen und investieren am liebsten und so manche bereits ausschließlich in solche Unternehmen. So fragen sie sich beispielsweise: Was tut ein Unternehmen, um seine CO2-Bilanz zu verbessern? Wie geht es mit seinen Mitarbeitern um? Setzt sich die Unternehmensführung aktiv für Gleichbehandlung und Vielfalt ein? Anleger stellen diese Fragen nicht zum ersten Mal, doch COVID-19 hat ihnen eine ganz neue Brisanz verliehen. „Dies ist nicht unsere erste Krise, aber dieses Mal haben wir vielleicht einen Wendepunkt erreicht, der uns zwingt, unsere Lebensart, unsere Arbeitsmethoden und unsere Anlagestrategien zu überdenken“, glaubt Le Meaux.
Der Klimawandel spielt zwar, wenn es um Nachhaltigkeit geht, bei vielen Anleger weiterhin die Hauptrolle. Unter Investoren und in der Gesellschaft wächst durch Corona jedoch auch das Bewusstsein für soziale Themen. „Vor Ausbruch des Pandemie konzentrierten sich verantwortungsbewusste Anleger bei der Auswahl von Unternehmen vor allem auf Umwelt- und Governance-Fragen, zum Beispiel auf CO2-Emissionen oder intransparente Vergütungsprogramme. Seit Beginn der Krise rücken bei Anlegern nun aber auch soziale Aspekte der in den Vordergrund“, stellt die Amundi-ESG-Spezialistin fest.
Fairness und Gleichheit
„Soziale Ungleichheit spielt seit Ausbruch der Pandemie eine größere Rolle“, stellt Le Meaux fest. COVID-19 werfe etwa ein Licht auf die schwierigen Arbeitsbedingungen vieler Menschen. "Schauen Sie sich nur die katastrophale Arbeitssituation in Schlachthöfen an, die zur Verbreitung des Virus beigetragen hat. Dieses Problem beschränkt sich keineswegs auf Schwellenländer, sondern lässt sich auch in Industrieländern beobachten.“
So mussten Unternehmen sich mit der Frage beschäftigen, wie sie Arbeitnehmer am besten schützen und den Geschäftsbetrieb möglichst ungebremst aufrecht zu halten. Die Maßnahmen reichten von einer Beurlaubung der Mitarbeiter bis hin zur Zahlung von Abfindungen und Entschädigungen oder der Bereitstellung anderer Arten von Unterstützung. Unternehmen, die ihr Personal ins Homeoffice schickten, wiederum sahen sich mit der Entwicklung einer angemessenen Lösung zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Sicherheitsstandards konfrontiert. Ob ein Unternehmen fair und verantwortungsvoll gegenüber seinen Mitarbeitern agiert, zeigt sich auch daran, ob Arbeitsutensilien gestellt werden und Kostenersatz für das Home Office geboten werden.