Raymond Cloosterman eröffnet fast täglich einen neuen Rituals-Store in Europa und Asien. In Österreich wurden zuletzt Geschäfte auf der Wiener Mariahilfer Straße und im Einkaufszentrum Imst eröffnet.
©Andrea SacchettiRituals-Gründer Raymond Cloosterman baute binnen zwei Jahrzehnten eine Weltmarke auf. Sein Kosmetikkonzern zählt zu den schnellstwachsenden Europas. Ab 2025 sollen zehn Prozent des Nettogewinns für gute Zwecke verwendet werden.
Es ist eine Oase der Entspannung. Kaum, dass man die Schwelle des Rituals-Flagship-Stores im Herzen Amsterdams überschritten hat, tritt man ein in eine andere Welt, wähnt sich in einem exotischen Wellnesstempel: Sanfte Musik, Kirschblüten-Deko und die Begrüßung mittels Teezeremonie lassen Besucher:innen rasch den Alltag vergessen. „Wir nehmen Menschen bei der Hand und zeigen ihnen, wie sie sich relaxen können. Viele wissen gar nicht mehr, wie das geht“, führt Raymond Cloosterman, 60, CEO und Gründer der Lifestyle- und Wellbeing-Brand Rituals, aus, während er durch das historische Gebäude führt. Unter dem Motto „The Art of Soulful Living“ werden auf vier Etagen luxuriöse und dennoch erschwingliche Pflege- und Hygieneprodukte sowie eine Home-Kollektion offeriert. Im Obergeschoß befinden sich das Body-Spa und die weltweit erste Mind-Oase, die via Audioführung geistige und körperliche Entspannung verspricht.
Keine Angst, es folgen jetzt keine spirituellen Ergüsse, und Cloosterman ist auch kein Guru. Der gebürtige Holländer hat ein Gespür für Trends und ein gutes Händchen fürs Geschäft. Ihm ist etwas gelungen, wovon andere Beauty-Unternehmen nur träumen können.
Rituals ist derzeit die am schnellsten wachsende Kosmetikmarke Europas. Seit der Gründung vor 23 Jahren hat sich Rituals in 42 Ländern Europas und Asiens mit 1.300 Stores und 3.900 Shop-in-Shops etabliert, und täglich kommt ein neuer dazu. In Österreich gibt es derzeit 34 Geschäfte, die im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 25 Millionen Euro und einen Bilanzgewinn von 1,3 Millionen erzielten.
Die kleinen Dinge des Lebens
Die Erfolgsgeschichte begann für Cloosterman im Jahr 2000, als er nach 13-jähriger Karriere beim Lebensmittelgiganten Unilever nach neuen Herausforderungen suchte. Damals brach der Betriebswirt zu einer dreimonatigen Expedition rund um den Globus auf, um zu analysieren, wie man zeitgeistig eine neue Weltmarke aufbaut. „Auf meinem Trip erkannte ich, dass wir vor lauter Stress verlernt haben, die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen. Und dem wollte ich Abhilfe schaffen. Wir entwickelten Produkte, die dabei helfen sollen, sich eine kleine Auszeit zu schaffen.“
Mittlerweile hat Rituals rund 700 Produkte im Portfolio, die in Deutschland und den Niederlanden produziert werden. Jährlich kommen 200 neue dazu, die das Sortiment ergänzen beziehungsweise innerhalb diesem ausgewechselt werden. Jüngste Innovation sind Parfums und Lufterfrischer für das Auto. Das Thema Travel-Retail nimmt innerhalb des Konzerns bereits eine wesentliche Rolle ein: Ob Hotels, Airports, Duty-free-Läden oder Kreuzfahrtschiffe – sie alle vertreiben erfolgreich die Ritual-Range. Zufrieden ist Cloosterman auch mit dem Onlinebusiness, das neben dem Corebusiness, also dem stationärem Handel, mit 15 bis 20 Prozent zu Buche schlägt. Der Gesamtumsatz wuchs im Jahr 2023 um 22 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro, dieses Jahr wird Rituals die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze sprengen.
Etwas zurückgeben
Cloosterman will aber höher hinaus und „die Nummer eins im globalen Wellbeing-Luxus-Bereich“ werden. Dabei spielt auch Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle. Rituals ist „B Corp“-zertifiziert, was bedeutet, dass Rituals die höchsten Standards hinsichtlich sozialer und ökologischer Leistung, öffentlicher Transparenz und gesetzlicher Verantwortung erfüllt, um Gewinn und Zweck in Einklang zu bringen.
Ab kommendem Jahr startet Rituals mit dem Projekt „Profit Pledge“, dabei garantiert Cloosterman, dass zehn Prozent des jährlichen Nettogewinns von Rituals für gute Zwecke verwendet werden: „In den kommenden zehn Jahren werden wir 300 bis 400 Millionen Euro an Projekte spenden, die zum Wohl von Mensch und Umwelt beitragen.“ Dazu zählt etwa das Projekt „Sacred Forests“, das die indigene Arhuaco-Gemeinschaft dabei unterstützt, das Land ihrer Ahnen zurückzufordern und wieder aufzuforsten. Und mit der „Super Chill“-App, an deren Gründung Rituals beteiligt war, werden Kinder dabei unterstützt, mentale Stärke aufzubauen. Die App enthält Übungen, die helfen, schwierige Emotionen zu erkennen und mit ihnen dann entsprechend umgehen zu können.
Der charismatische Firmenlenker – eine Zeitung bezeichnete ihn einmal als „The Dutch James Bond“ – lud jüngst unter dem Motto „Sweet Sixteen“ zu seinem sechzigsten Geburtstag. Die Frage nach der Hofübergabe ist damit obsolet. „Es gab zwar Angebote, unsere Firma zu übernehmen, ich denke aber keinesfalls an Ruhestand. Im Gegenteil: Arbeit gibt mir Energie, weil wir schöne Dinge kreieren.“ Freilich helfen dem Selfmade-Mann auch diverse Rituale, um sich im Gleichgewicht zu halten: „Ich nehme eiskalte Duschen und mache jeden Morgen mein Bett. Das ist eine Lektion, die Admiral William H. McRave in seinem Buch ,Make Your Bed‘ zu Papier gebracht hat. Der Sinn der Lektionen dient dazu, sich und die Welt zum Besseren zu verändern.“