MARTIN BUTOLLO, Country-CEO der Commerzbank in Österreich
©Stefan JohamMARTIN BUTOLLO, Country-CEO der Commerzbank in Österreich, über Europa als Wirtschaftschaftsstandort, neue Handelskorridore und die Rolle der Bank in Transformationsprozessen.
Interview: Franz C. Bauer
2024 war ein turbulentes Jahr, und die Aussichten für 2025 sind nicht viel anders: geopolitische Spannungen und militärische Auseinandersetzungen in Nahost und in der Ukraine, ein Wechsel der Präsidentschaft in den USA mit der Gefahr eines Handelskrieges und Konjunktursorgen in Europa. Wie sollen sich Unternehmen da positionieren?
Grundsätzlich sollten Unternehmer in ihrer strategischen Ausrichtung allen voran folgende Punkte betrachten: Erstens diversifizieren, also Abhängigkeiten von einem Land oder Region vermeiden. Zweitens nachhaltig aufstellen, zum Beispiel Produktionsstandorte nahe an neuen Handelsrouten eröffnen, um Transportwege und Kosten zu senken. Und drittens Regionen priorisieren, die eine technologische Infrastruktur sowie eine fortschrittliche Logistik und Konnektivität bieten. Global entstehen immer wieder neue Opportunitäten und Wachstumschancen. Tatsächlich beobachte ich, dass der internationale Handel immer mehr zum verlässlichen Ertragsbringer wird.
Bleiben wir beim Handel, der für ein exportorientiertes Land wie Österreich ja von großer Bedeutung ist. Mit welchen Änderungen rechnen Sie da?
Handelskorridore ändern sich derzeit aufgrund von geopolitischen Risiken. Das wird Unternehmen dazu veranlassen, ihre Strategie zu überdenken und vor allem auch ihre Standortpolitik zu adjustieren. Aus meiner Sicht ist eine Diversifizierung auf der Beschaffungsseite, aber auch auf der Absatzseite das Gebot der Stunde.
Wenn Sie die Standortpolitik ansprechen: Wird Europa als konkurrenzfähiger Standort bestehen können?
Es kommt darauf an, wie schnell wir in Europa an der Verbesserung unserer Standortattraktivität arbeiten. Bürokratie, hohe Energiekosten, Investitionsrückstände wie zum Beispiel in die digitale Infrastruktur, aber auch Arbeitskräftemangel sind Gründe dafür, warum Europa derzeit weniger attraktiv ist. Dagegen werden die USA und Asien immer beliebter. Gerade in Österreich und in Deutschland sind die Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren gestiegen, was mit einer Verringerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einhergeht. Dennoch verfügt Europa über ein großes Potenzial. Unternehmer und wir Banken sind gefragt, gegenüber der Politik die Stimme zu erheben, damit Rahmenbedingungen verbessert werden.
Wo sehen Sie die Rolle der Banken in diesem herausfordernden Umfeld?
Banken haben die Aufgabe, Unternehmen als Partner zu begleiten. Dazu gehört sowohl die Beratung zu den Chancen und Risiken auf globalen Märkten als auch das Brot-und-Butter-Geschäft, nämlich als klassischer Finanzierer zur Seite zu stehen. Gleichzeitig sollen Banken auch in schwierigen Situationen ein zuverlässiger Partner sein und ihre Firmenkunden stabilisieren. Genau das tun wir – weltweit in mehr als 40 Ländern dieser Erde. Unser Credo lautet: Wir sind dort, wo unsere Kunden uns brauchen.
In welche Richtung werden sich die Handelsströme entwickeln, und in welcher Form folgt die Commerzbank diesen?
China und die USA werden wichtige Standorte bleiben. Wir sehen aber auch neue Handelsrouten wie zum Beispiel in Nordafrika oder im Baltikum. Deshalb haben wir in Marokko und in Litauen kürzlich neue Standorte eröffnet. In Marokko wird zum Beispiel sehr viel in Infrastrukturprojekte investiert. Dort steht das größte Solarkraftwerk der Welt. Häfen, Brücken, Straßen werden gebaut. Es gibt ein Freihandelsabkommen mit Europa und den USA und den anderen afrikanischen Staaten. Aber auch das Baltikum ist zu beachten.
Auch für österreichische Unternehmen?
Ja, natürlich. Aufgrund des engen Binnenmarktes ist die Exportquote der österreichischen Unternehmen sehr hoch, teils sogar über 80 oder 90 Prozent. Unsere hiesigen Unternehmen weisen eine hohe Resilienz auf gegenüber Krisen, zum Beispiel dem Krieg in der Ukraine, sie sind innovativ und zeigen strategische Weitsicht. Absatzmärkte und Lieferketten wurden an die neue Situation angepasst.
Das große Fragezeichen für 2025 sind die USA. Da gibt es zumindest die Androhung eines Handelskrieges. Was würde das bedeuten?
Die USA sind und bleiben ein essenzieller Handelspartner für Österreich, auch wenn unter Trump wieder mehr Protektionismus einziehen wird. Damit wird es mehr lokale Produktionen geben, verbunden mit mehr Investitionen in den USA. Local for Local. Das kann sowohl für unsere Kunden als auch für uns als Bank neue Wachstumspotenziale bedeuten. Dazu gehört auch das Zukunftsthema erneuerbare Energien und ihre Finanzierung. Zwar wird das Tempo wahrscheinlich niedriger sein als bei der scheidenden US-Regierung, aber der Trend geht ganz klar in die Richtung: Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. Wir freuen uns jedenfalls darauf, unsere österreichischen Firmenkunden an unserem Markt-Know-how über die USA teilhaben zu lassen.
Betreuen Sie die Unternehmen dabei von Österreich aus oder vor Ort?
Sowohl als auch. Seitens Commerzbank verfolgen wir einen länderübergreifenden Betreuungsansatz. Wir betreuen von Österreich aus, verfügen aber auch über einen
großen Standort in New York. So können wir von Österreich aus steuern, und gleichzeitig lokal betreuen.
Die Konjunkturprognosen wurden im Lauf dieses Jahres öfters zurückgenommen. Hat das Auswirkungen auf die Investitionsneigung der Unternehmen?
In Zeiten der Unsicherheit überlegen Unternehmen schon sehr gründlich, wann und wie sie investieren. Dennoch bin ich überzeugt, dass es viele österreichische Unternehmer gibt, die auch in diesen Zeiten mutige Entscheidungen treffen, um ihre Chancen zu nutzen. Es gibt nach wie vor interessante Themen für Finanzierungen.
Welche sind das?
Nachhaltigkeit und Digitalisierung, Energieeffizienz und Klimaschutz, aber auch nach wie vor Investitionen in Forschung und Entwicklung sind für österreichische Unternehmen wichtig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Klar tut sich ein Energieerzeuger, der auf Wasserkraft setzt, leichter als ein Stahlwerk, aber insgesamt sind massive Investitionen erforderlich. Wir als Commerzbank sind mit mehr als 30 Jahren Erfahrung bei der Finanzierung von grünen Infrastrukturprojekten, zum Beispiel für Wind- und Solarparks mit Standorten in Hamburg, New York und Singapur, sehr aktiv.
Welchen Einfluss haben die Zinsen auf die Investitionstätigkeit?
Einen großen. Es gab ja einen massiven Zinserhöhungszyklus, und jetzt ist ein gegenläufiger
Trend zu erkennen. Das geht zwar nicht so schnell, wie es sich viele gewünscht hätten, aber niedrigere Zinsen werden schon helfen, Entscheidungen positiv zu begleiten und den Unternehmen mehr Planungssicherheit zu verschaffen.
Welche Wünsche haben Sie an eine neue Regierung in Österreich?
Ich wünsche mir alles, was dazu beiträgt, den Standort zu verbessern. Themen sind genügend da wie zum Beispiel der Abbau von Lohnnebenkosten, Energiekosten und Bürokratie. Die Unternehmen wissen sehr gut, was zu tun ist, können ihre Vorhaben aber oft nicht umsetzen, weil zum Beispiel Genehmigungen zu lange dauern. Wir können stolz darauf sein, in Österreich einen starken exportorientierten Produktions- und Dienstleistungssektor zu haben. Hochwertige Industrieprodukte insbesondere im Bereich Maschinenbau, Automobilzulieferer und Elektrotechnik sind es wert, weltweite Anerkennung zu erhalten. Starke Unternehmen brauchen weniger Bürokratie. Deshalb ist meine Erwartung an die neue Regierung, zeitnah die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung zu schaffen.
ZUR PERSON.
MARTIN BUTOLLO, Country-CEO der Commerzbank in Österreich, 55, geboren in Klagenfurt, ist seit 2013 Country-CEO der Commerzbank AG in Österreich und verantwortet das Firmenkundengeschäft. Davor war er rund 13 Jahre bei Commerzbank und Dresdner Bank in Frankfurt in verschiedenen Managementfunktionen tätig. Butollo begann seine berufliche Laufbahn bei PricewaterhouseCoopers. Sein Studium absolvierte er an der Wirtschaftsuniversität in Wien und an der HEC in Paris.