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„Ein guter Manager muss potentielle Gefahren für das Unternehmen erkennen“

In Kooperation mit Acredia
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Die Acredia Vorstände Michael Kolb und Gudrun Meierschitz über das immer größer werdende Risiko von Zahlungsausfällen und wie man sich dagegen schützen kann.

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TREND: Wie unterstützt ein Kreditversicherer Unternehmen?

Michael Kolb: Ganz einfach: Forderungen eines Unternehmens aus Warenlieferungen und Leistungen werden gegen Zahlungsausfälle abgesichert – das ist Kreditversicherung im engeren Sinne. Ob man Kürbiskerne ins Burgenland liefert, oder eine zehn Tonnen schwere Maschine nach Südkorea, für jede Lieferung gibt es die passende Absicherung. Das gilt auch für Dienstleistungen, wie die Entwicklung einer Software.

An wen wenden Sie sich primär?

Kolb: Bei großen und börsenotierten Unternehmen sind Kreditversicherungen Pflicht. Bei kleinen ist das anders. Die glauben oft, sie brauchen das nicht, dabei ist hier das Risiko sehr hoch.

Warum?

Kolb: Viele KMU unterschätzen den Aufwand, um eine ausgefallene Forderung auszugleichen. Wenn jemand um Forderungen in der Höhe von 15.000 Euro umfällt, reicht es nicht, neue Aufträge in Höhe von 15.000 Euro abzuschließen. Denn abhängig von der Gewinnspanne, die je nach Branche unterschiedlich ist, braucht es wesentlich mehr. Bei einer Marge von drei Prozent braucht man sogar Aufträge in Höhe von 500.000 Euro, um diesen Forderungsausfall abzufedern.

Wie sieht das Risikomanagement bei Unternehmen aus?

Gudrun Meierschitz: Mittelgroße und große Unternehmen haben praktisch alle ein Risikomanagement und nutzen die Kreditversicherung zur Absicherung ihrer Liquidität – insbesondere im Exportgeschäft. Kleinere Unternehmen konzentrieren sich oft auf ihr Kerngeschäft, für professionelles Bonitätsmanagement fehlen die Ressourcen und auch das Risikobewusstsein.

Bei den meisten KMU gibt es aber schon sehr langfristige Geschäftsbeziehungen. Die Unternehmer wissen, wenn es bei einem Kunden brenzlig wird.

Kolb: Ja, das Argument hören wir oft. „Wir kennen unsere Kunden seit Jahren und haben eine gute Geschäftsbeziehung.“ Aber: Die meisten Unternehmen geraten nicht in finanzielle Schwierigkeiten, weil sie unehrlich sind, sondern weil falsche Entscheidungen getroffen werden oder weil sich die Wirtschaftslage verschlechtert.

Was bieten Sie nun KMU damit sie sich vor Zahlungsausfällen absichern können?

Kolb: Wir haben ein neues Produkt namens Acredia.digital Shield. Zielgruppe sind Unternehmen in Österreich mit einem Jahresumsatz bis etwa drei Millionen Euro. Die Kreditversicherung kann man online in weniger als einer Minute abschließen. Man gibt auf unserer Website den ungefähren Jahresumsatz ein und wählt die Versicherungssumme pro Kunde, die zwischen 5.000 und 50.000 Euro liegen kann. Das ist es. Wenn eine Rechnung nicht bezahlt wird, übernimmt Acredia den Zahlungsausfall. Ganz neu ist auch eine optionale Deckung von B2C Geschäften sowie die Möglichkeit, die Versicherung monatlich zu kündigen.

Ist das Risiko bei kleineren Unternehmen nicht größer?

Meierschitz: Das hängt nicht von der Größe des Unternehmens ab. Das Risiko, das wir betrachten ist jenes des Abnehmers. Es hängt vom Geschäftsmodell oder der Kundenstruktur ab. Natürlich auch von den Ländern die beliefert werden oder der Länge der Zahlungsziele und natürlich auch von der Geschäftsgebarung.

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Zu den Personen:

Gudrun Meierschitz und Michael Kolb sind Mitglieder des Vorstands der Acredia Versicherung AG. Beide sind auch zusätzlich Mitglieder des Vorstands der OeKB EH Beteiligungs- und Management AG.

© Acredia

Wie macht sich Acredia ein Bild über die Bonität eines Unternehmens?

Meierschitz: Wir sind eine Tochter von Allianz Trade, dem weltweit größten Kreditversicherer. Dadurch haben wir Zugang zu einem internationalen Frühwarnsystem, in dem Daten zum Zahlungsverhalten von 83 Millionen Unternehmen abgerufen werden können. Darüber hinaus nutzen wir Auskunfteien, Banken, wir analysieren die Bilanzen nach unseren Kriterien, beobachten Meldungen von Zahlungsausfällen im Umfeld der Abnehmer und wenn die Beträge größer sind, treten wir mit den Unternehmen direkt in Kontakt und führen entsprechende Gespräche.

Was bieten Sie über die Leistungen von Auskunfteien hinausgeht?

Meierschitz: Wir führen eine derart breite Recherche über die Bonität von Lieferanten durch, die wesentlich umfangreicher ist, als sie eine Auskunftei aus ihrer Perspektive beurteilen kann. Wir überprüfen den Status der ESG-Kriterien, oder wie gut der Geschäftspartner in der Digitalisierung aufgestellt ist. Acredia prüft derzeit rund 50.000 Unternehmen im Land. Sobald sich die Bonitätssituation eines Abnehmers, egal ob im In- oder Ausland, erheblich verschlechtert, geht eine Warnung an den Kunden. Unser Ziel ist es, sicher zu stellen, dass es den Geschäftspartner auch in fünf Jahren noch gibt.

Wie funktioniert das weltweite Frühwarnsystem?

Kolb: Es besteht aus einem die Welt umspannenden Netzwerk. Unsere Kunden müssen uns ja mitteilen, wenn es irgendwo auf der Welt Zahlungsunregelmäßigkeiten gibt. Die beginnen oft in ganz kleinen Bereichen. Wenn einer unserer Kunden zum Beispiel an ein Unternehmen nach Schweden liefert, über das uns mitgeteilt worden ist, dass es die Reinigungsdienste nicht mehr bezahlt, dann alarmieren wir unseren Kunden und raten, die Zahlungsmodalitäten umzustellen. Denn irgendwann einmal kann es auch für ihn zu spät sein.

Und wenn es zu spät ist?

Kolb: Wenn es einmal schief geht, dann übernehmen wir die Haftung. Wir übernehmen dann den Schaden und regeln ihn. Das ist ein weiterer wesentlicher Punkt, der uns von reinen Auskunfteien unterscheidet.

Wie hoch ist die Ausfallsquote?

Meierschitz: Im Augenblick ist das Bild etwas verschoben, weil durch die Corona-Unterstützungen eine Verzerrung bei der Bonität eingetreten ist. Aber im langfristigen Durchschnitt liegt sie bei 50 Prozent.

Wie sieht die wirtschaftliche Situation aktuell aus?

Meierschitz: Wir haben im Jahr 2023 schon einen Anstieg der Insolvenzen verzeichnet. Aber heuer ist es ganz drastisch. Wir haben derzeit Volumina von Schäden, die sind das letzte Mal nach der Wirtschaftskrise aufgetreten.

Das heißt, das Risiko eines Zahlungsausfalls steigt?

Meierschitz: Heuer wird die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft. Die hohen Finanzierungskosten und der begrenzte Kapitalmarkt sind eine echte Härteprüfung. Vor allem für die vielen Startups, die nach der Pandemie gegründet wurden. Die schwachen Wachstumsprognosen für die Eurozone und die Inflation, die immer noch weit über dem Zielwert von zwei Prozent liegt, machen es heimischen Unternehmen heuer besonders schwer.

Welche Risiken bringen Firmen besonders unter Druck?

Meierschitz: Laut Risikobarometer der Allianz beurteilen österreichische Unternehmen Cyber-Attacken als höchstes Risiko. Das war im Vorjahr auch schon so. Die Energiekrise war 2023 noch das zweit bedrohlichste Thema, heuer rangiert sie nur mehre auf dem 8. Platz. Dafür werden die Inflation, finanzpolitische Entscheidungen oder Sparprogramme wieder als starke Risikofaktoren gesehen.

Stichwort Digitalisierung. Welche Risiken nehmen durch diese technologische Entwicklung zu?

Kolb: Wirtschaftskriminalität und e-Crime können jedes Unternehmen treffen. Und was viele nicht wahrhaben wollen: Die eigenen Mitarbeitenden richten die meisten und in Summe auch die höchsten Schäden an. Aber die externen Täter holen sukzessive auf.

Was sind die größten Gefahren für Unternehmen durch die Digitalisierung?

Kolb: Durch die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz entstehen enorme Gefahren. Dazu zählen „Social Engineering“-Betrugsfälle wo Menschen gezielt manipuliert werden, um vertrauliche Daten preis zu geben oder Geldbeträge zu überweisen. Beim Fake President-Trick etwa geben sich Betrüger als Mitglied der Vorstandsetage aus und fordern Mitarbeiter dazu auf, schnell und ungeprüft Millionenbeträge zu überweisen. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz können Stimmen aber auch Videobilder von den wirklichen Personen täuschend echt nachgemacht werden.

Bieten Sie dagegen auch Versicherungen?

Kolb: Ja, Acredia Trust schützt vor einer Vielzahl an Wirtschaftsdelikten. Von Fake President über Besteller-Betrug bis hin zu Phishing-Angriffen. Und das auch mit einer rückwirkenden Deckung. Also wenn der Betrug erst viel später erkannt wird.

Wie geht man in diesen Zeiten mit den zunehmenden Risiken um?

Meierschitz: Ein guter, risikobewusster Manager muss ständig potenzielle Gefahren für das Unternehmen erkennen. Dann hat er mehrere Optionen, diese unter Kontrolle zu bekommen: auslagern, minimieren, vermeiden oder in Kauf nehmen. Ob es drei oder zehn Risiken sind, ist nicht entscheidend. Man muss sie erkennen und damit richtig umgehen. Das machen Firmen entweder selbst oder sie suchen sich Partner wie einen Kreditversicherer. Wenn Unternehmer mutig sind, sind sie nicht kopflos. Nur wer die Risiken kennt, kann die Chancen erkennen.

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