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OMV-CEO Stern zur Energieversorgung: "Begrenzte Möglichkeiten für schnellen Ersatz"

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OMV CEO Alfred Stern
OMV CEO Alfred Stern©trend / Lukas Ilgner
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Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Abhängigkeit Österreichs von Energielieferungen aus Russland aufgezeigt. OMV-CEO Alfred Stern über die zähe Befreiung aus Putins Klauen und wieso erst die reduzierte Verwendung fossiler Rohstoffe durch Kreislaufwirtschaft die Lösung bringen wird.

Die Zahlen der OMV stehen in krassem Gegensatz zu den Managementaufgaben, die auf den CEO Alfred Stern (geb. 1965) warten. Der Umsatz hat sich im letzten Jahr auf 35,6 Milliarden Euro verdoppelt, das Betriebsergebnis explodierte auf sechs Milliarden, vor allem auch wegen der stark gestiegenen Energiepreise.

Für den erst vor gut sechs Monaten an die Spitze gehievten Stern ist die Lage wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine trotzdem alles andere als entspannt. Von ihm werden Antworten auf existenzielle Fragen erwartet: Energieembargo gegen Russland? Versorgungssicherheit? Umsetzbarkeit der gerade nachgeschärften OMV-Strategie?

Hinsichtlich eines Embargos spricht sich Stern im Gespräch mit dem trend für eine Trennung zwischen Öl und Gas aus. "Öl ist ganz anders transportierbar. Wir verarbeiten in unseren Raffinerien in Österreich und Bayern bereits jetzt kein russisches Öl mehr."

Problematisch sei allerdings der Preis. "Durch eine Art Selbstsanktionierung von Unternehmen, die freiwillig kein russisches Öl mehr kaufen, ist in den letzten Wochen eine noch nie da gewesene Differenz zwischen Öl aus Russland und der westlichen Sorte Brent entstanden: derzeit 30 Dollar pro Barrel. Alle, die sich nicht an dem Boykott beteiligen, haben einen enormen Preisvorteil."

Ein ähnlicher Mechanismus bewirkt übrigens auch den überdurchschnittlichen Preisanstieg bei Diesel, den Österreich zum Teil aus Russland importiert hat.

Erdgas und die Suche nach Alternativen

Bei Gas hingegen geht es schlicht um die Verfügbarkeit. "Emotional bin ich voll dabei, sofort jeden Bezug aus Russland zu stoppen", sagt der OMV-Chef, "aber 40 Prozent gehen in die Industrie, die wären dann weg. Und für mich ist nicht vorstellbar, die gesamte Stahl-, Zement-, Papier-, Chemie-, Glasindustrie usw. über Nacht abzustellen. Wir sind ein Binnenland, unsere Möglichkeiten, schnell Ersatz zu schaffen, sind begrenzt."

Alle, die sich nicht an dem Öl-Boykott gegen Russland beteiligen, haben einen enormen Preisvorteil.

Eine Kompensation etwa durch Flüssiggas (LNG) scheitert schon am Mangel an Hafen-Terminals und Pipeline-Kapazitäten. Das europäische System ist nicht darauf ausgerichtet, dass Gas von Rotterdam nach Osten fließt. Alternative Transportwege sind unrealistisch. Um den heimischen Bedarf zu decken, würde es 80.000 Tankzüge pro Jahr - 250 jeden Tag - brauchen, hat Stern ausgerechnet.

Eine Diversifizierung der Gasquellen braucht in jedem Fall Zeit - und massive Investitionen in Infrastruktur für LNG, das aus Katar, den USA oder Australien kommen könnte. "Damit hätten wir dann Zugang zu teurerem Gas, als wir es bisher hatten", gibt Alfred Stern zu bedenken. "Dazu kommt, dass wir ja die Energiewende wollen, also diese Investitionen beschleunigt abschreiben und parallel zusätzlich in erneuerbare Energien investieren müssten. Das wird so nicht finanzierbar sein. Uns würde das Geld ausgehen. Ich bin als Manager verantwortlich, Wirtschaftlichkeitsrechnungen anzustellen. Der Bau eines LNG-Terminals dauert bis zu fünf Jahre. Das Gas fließt dann zu einer Zeit, wo wir mit der Energiewende schon weiter sein sollten und hoffentlich weniger Gasmengen brauchen."

Russland und das Risiko

Laut OMV ist eine Absicherung der österreichischen Wirtschaft - die Voraussetzung, um in die Zukunft investieren zu können - ohne Gas aus Russland derzeit kaum denkbar.

In die Abhängigkeit sei man nicht durch Zufall gekommen, wie Stern sagt, "und auch nicht durch Böswilligkeit gewisser Menschen. Man muss nur auf die Landkarte schauen: Russland ist der einzige große Produzent in der Nähe Europas. Es besteht eine über 50 Jahre aufgebaute Infrastruktur. Die russische Aggression ist in keinster Weise akzeptabel. Aber wir halten es auch nicht für akzeptabel, wenn wir uns Heizen und Autofahren nicht mehr leisten können oder enorme Arbeitslosigkeit riskieren. Wem der Lebensstandard in Österreich wichtig ist, muss das berücksichtigen, so schmerzhaft es ist."

Die naheliegendste Alternative wäre Norwegen, das aber nur rund ein Fünftel des europäischen Verbrauchs decken kann. Alfred Stern weist auch darauf hin, "dass es in der Vergangenheit durchaus Bestrebungen gab, zu diversifizieren". Die waren aber politisch nicht durchsetzbar, Beispiel: Nabucco-Pipeline.

Bei Investitionen in Russland wurde das Länderrisiko offenbar unterschätzt.

Während der Konzernchef an den reinen Gashandelsverträgen mit Gazprom, die seit 1968 bestehen, festhalten möchte, sieht er die unter seinem Vorgänger Rainer Seele in Russland getätigten Investitionen kritisch: "Da wurde das Länderrisiko offenbar unterschätzt."

Weitere Mittel werden nicht mehr ins Reich Putins fließen. Die knapp 25-prozentige Beteiligung am Gas-und Ölfeld Russkoje wurde zum Teil wertberichtigt. Verkauf nicht ausgeschlossen. Gegenüber den Kapitalmärkten wird betont, dass lediglich zwei Prozent des operativen Cashflows aus Aktivitäten in Russland stammen.

Die Diskussion über die Ausbeutung weiterer Gasvorkommen in Niederösterreich nimmt wieder Fahrt auf, wobei Stern versichert, dass die umstrittene Fracking-Technologie keinesfalls eingesetzt wird.

Erfolgversprechender wäre das rumänische Neptun-Projekt der OMV, ein riesiges Gasfeld im Schwarzen Meer, für dessen Erschließung noch ein Offshore-Gesetz der dortigen Regierung fehlt. Aber: Auch in diesem Fall führt keine Pipeline nach Österreich.

Kreislaufwirtschaft und Hoffnung Geothermie

Während Österreich kurzfristig wohl nur die Wahl zwischen Pest und Cholera bleibt, setzt die OMV mittelfristig auf eine andere Form der Diversifizierung: Kreislaufwirtschaft, die unabhängiger von fossilen Rohstoffen macht, und erneuerbare Energien. Alfred Stern spricht gar vom "Wandel zu einem Lösungsanbieter für nachhaltigeres Leben".

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DIE OMV-TOCHTER Borealis bekommt beim vom Management ausgerufenen Wandel des Konzerns eine zentrale Rolle zugewiesen. © Fotostudio Meister Eder

Bei der Erzeugung von Wärme, auf die rund 30 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs entfallen, ist der Anteil Erneuerbarer noch viel geringer als bei Strom, "weil der Mensch seit der Steinzeit auf das Feuer fixiert ist" (Stern).

Die OMV will darum künftig in großem Stil Erdwärme nutzen. "An Geothermie führt kein Weg vorbei, sie steht 52 Wochen lang 24/7 zur Verfügung. Trotzdem ist das Geschäft mit einem Risiko behaftet, weil fossile Energie einfach am billigsten ist und gesetzliche Rahmenbedingungen fehlen. Die öffentliche Hand wird eine gewisse Risikoabfederung schaffen müssen."

Am Know-how fehle es dem Unternehmen nicht: "Niemand kennt die Geologie in Österreich besser als wir."

Schon länger auf der Agenda steht der Schwenk der OMV zur Chemie, bei dem der mehrheitlich übernommene Tochterkonzern Borealis eine zentrale Rolle spielt. Die Strategie fußt darauf, durch Kreislaufwirtschaft ein Anbieter von nachhaltigen Kraftstoffen, Chemikalien und Materialien zu werden.

Während Kunststoffe und Bausteine für die chemische Industrie heute großteils noch auf fossiler Basis beruhen, sollen bis 2030 rund 40 Prozent aus rezyklierten oder biogenen Rohstoffen produziert werden.

Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell

Der gelernte Techniker Stern erklärt das so: "Wir bauen Kreislaufsysteme auf, in denen wir Plastik aus Recycling, Pflanzen oder Speiseölresten als Basis verwenden. Oder mit grünem Wasserstoff und CO2 wiederum Kohlenwasserstoffe erzeugen. Unsere Raffinerien werden wir schrittweise auf diese neuen Technologien konfigurieren."

Investitionen in LNG-Infrastruktur und zusätzlich in erneuerbare Energien werden nicht finanzierbar sein. Uns würde das Geld ausgehen.

In zehn Jahren will die OMV beispielsweise jährlich 750.000 Tonnen nachhaltiges Flugzeugbenzin herstellen. In Pkw können solche E-Fuels als Übergangslösung verwendet werden. Stern: "Elektromobilität ist in diesem Bereich am effizientesten. Aber 2030 werden alleine in Deutschland noch 20 bis 30 Millionen Verbrennungsmotoren unterwegs sein."

Ein weiteres Geschäftsmodell läuft unter dem Stichwort "Carbon Capture". So wie schon jetzt in alten Lagerstätten im Weinviertel Methangas gespeichert wird, soll künftig CO2 unterirdisch eingeschlossen werden. Für den OMV-Boss "vorübergehend eine notwendige Maßnahme, weil uns bei der Energiewende die Zeit davonläuft. Und wir wissen, wie man so etwas sicher betreiben kann."

Vor der Zukunft ist ihm trotz der aktuellen Anspannung nicht bange: "Die Investoren verstehen die Strategie, weil wir auf Bereiche aufsetzen, wo wir heute schon Geschäft, Kunden und Technologien haben - und Geld verdienen."

Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 15. April 2022 entnommen.

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