Der Gasmangel lässt die Rufe nach Fracking in Österreich wieder laut werden. Doch diesmal bremst die OMV. Die Befürworter hoffen auf eine neue, grüne Fracking-Technologie.
Der drohende Gasmangel lässt in Österreich die Diskussionen um die Fracking-Technologie zur Förderung unkonventioneller Gasvorkommen wieder aufflackern. Doch diesmal ist es nicht wie noch vor zehn Jahren die OMV, die antreibt. Vielmehr sucht die Politik nach Auswegen aus der Zwickmühle zwischen hohen Gaspreisen, Gasabhängigkeit von Haushalten und Wirtschaft sowie dem Ausfall Russlands. Der OMV-Konzern steht eher auf der Bremse - allerdings gilt das nicht für alle dort. Für OMV-Boss Alfred Stern jedenfalls passt jedoch fossiles Fracking mittlerweile nicht mehr so recht in die neue Transformationsstrategie zum Petrochemiekonzern.
Hintergrund des Matchs mit vertauschten Rollen ist ein Sondierungsauftrag von Finanzminister Magnus Brunner an die Beteiligungsholding Öbag zur Sicherung der Gasversorgung inklusive Auslotung unkonventioneller Gasvorkommen in Österreich. Die gibt es vor allem im Weinviertel, sie reichen aber bis nach Oberösterreich und Salzburg (Molassezone) und könnten mittels Fracking ausgebeutet werden.
Die konventionelle Förderung geht hierzulande seit Jahren zurück, zuletzt auf 0,4 Milliarden Kubikmeter. Presst man jedoch Spezialflüssigkeiten in das Bohrloch, brechen - falls vorhanden - poröse Gesteinsschichten auf (Fracking) und geben ein Vielfaches an zusätzlichem Gas frei.
Der Trick mit dem Bohrknick
Horizontales Bohren ist eine effiziente OMV-Spezialität. Es erweitert den Ertragsradius bei nur einer Tiefenbohrung.
Brisante Überlegungen
Die Überlegungen bergen einige Brisanz, denn die wenig nachhaltige Anwendung der Technologie in den USA ruinierte wegen unkalkulierbarer Umweltfolgen ihr Image in Europa. Die Fracking-Flüssigkeit (Fluid) wurde in den USA mit Chemikalien versetzt, Abwässer versickerten unkontrolliert. Öffentliche Proteste ließen die OMV deswegen alle Versuche im Jahr 2012 ad acta legen. Allerdings gibt es in der Zwischenzeit eine umweltverträglichere, in Österreich entwickelte Alternative.
Die OMV hat wenig Lust, erneut zwischen die Fronten zu geraten. Aber das Thema ist im Vorstand umstritten: CEO Alfred Stern möchte lieber Investitionen in Kunststofftechnologien und Kreislaufwirtschaft, der fürs Öl-und Gasgeschäft verantwortliche OMV-Vorstand Johann Pleininger, dessen Vertrag allerdings nicht mehr verlängert wurde, kann sich durchaus für ein Projekt im Weinviertel erwärmen.
Die einen fahren Argumente auf, mit denen früher Umweltschützer die Sache stoppen wollten: Fracking sei teuer und unsicher. Und ob das Potenzial den Bedarf Österreichs tatsächlich 30 Jahre lang decken könnte, wie es der seinerzeitige Generaldirektor Gerhard Roiss schätzte, sei unsicher, heißt es nun. Das wären rechnerisch nämlich 240 Milliarden Kubikmeter - die gesamten sicheren Gasreserven innerhalb Europas werden mit 400 Milliarden beziffert.
Zudem wird auf den hohen Kapitalbedarf verwiesen. Und auf den kurzen Zeitrahmen, um das Geld zurückzuverdienen: Will Österreich bis 2040 CO2-neutral sein, blieben für Gas-Fracking made in Austria ab Förderbeginn nur zehn bis fünfzehn Jahre. "Wenn die Öbag die Kosten für Erforschung und Förderung hinlegt, könnten wir das schon machen. Sonst würden wir unsere Börsenstory zunichtemachen, das würde keiner unserer Aktionäre gutheißen", heißt es aus der Umgebung von Stern.
Versorgungssicherheit als Argument
Die Befürworter betonen Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von Russland. Und sie könnten Rückenwind bekommen, wenn sich womöglich das Gesamtbild ändert. Ein norwegisches Konsortium hat nämlich kürzlich ein Angebot für mindestens 51 Prozent der Öl-und Gassparte der OMV deponiert. Bei einem Gespräch mit dem Finanzminister kam neben Gasliefergarantien für Österreich auch das Fracking-Thema zur Sprache: Man täte sich dabei leichter als in der derzeitigen Konstellation, ließen die norwegischen Vertreter anklingen.
Dazu kommt, dass etwa die Montanuniversität Leoben mit BEER (Bio Enhanced Energy Recovery) mittlerweile eine umweltfreundlichere Methode entwickelt hat. Sie kommt mit weniger Fluid aus und als Zusatzstoffe können statt schädlicher Chemikalien natürliche Substanzen wie Maisstärke oder Zitronensäure verwendet werden.
Herbert Hofstätter, der Leiter der Abteilung Petroleum and Geothermal Energy Recovery in Leoben, erklärt: "Wir haben das Feintuning noch einmal verbessert und sind wesentlich flexibler beim Einsatz der Methode als gedacht, etwa bei der Viskosität, dem Pumpverhalten und der Konzentration der Additive." Er bekommt derzeit auch ungleich mehr Aufmerksamkeit als noch vor ein paar Jahren. Denn das hohe Preisniveau bei Gas macht die teure Technologie trotz hoher Umweltauflagen sogar in Europa plötzlich rentabel.
Zumindest auf technischer Ebene beginnt sich auch die OMV erneut mit Fracking zu beschäftigen, erste Besprechungsrunden sind bereits angesetzt, freut sich Hofstätter:"Natürlich sind Bohrungen in großer Tiefe Neuland, da sind auch wir Waisenkinder. Aber wenn man ein bereits bekanntes Gasvorkommen mit meiner Methode neuerlich bearbeitet, könnte man schon in drei Jahren die ersten Erfolge sehen."
Fracken für den guten Zweck
Außerdem, so wirbt Hofstätter für die von der Universität längst patentierte Technologie, könne sie auch für Geothermiebohrungen verwendet werden - also für die Nutzung von Heißwasser in tiefen Gesteinsschichten zur alternativen Wärmeerzeugung. Und weil Geothermie tatsächlich eines der neuen CO2-neutralen Geschäftsfelder der OMV darstellt, könnte dieser Schachzug die Fördertechnologie für OMV und Österreich salonfähig machen. Banal gesagt: Man bohrt nach Wasser und stößt plötzlich auf Gas.
Eigentlich wäre die OMV wegen ihres speziellen Know-hows in Bohrtechnologien für Fracking prädestiniert: Vertikale Löcher in die Tiefe bohren können viele, die OMV kann das auch um die Ecke. Und der horizontale Vortrieb ist die Voraussetzung für die effiziente Erschließung der Gesteinsschichten. In den Jahren 2009 bis 2012 wurden einzelne "Elemente der Frackingtechnologie" (OMV) im Weinviertel bereits ausprobiert.
Die niederösterreichische Politik will das heiße Eisen Fracking vor den Wahlen 2023 nicht angreifen. Unterstützt von der SPÖ haben etwa die Landes-Grünen Ende September einen Antrag für ein Bekenntnis gegen Fracking im Weinviertel im Landtag eingebracht. Die FPÖ zeigt sich offen, will aber Expertenmeinungen dazu hören. Auch die ÖVP will auf Einschätzungen von Fachleuten und eine ökologische Stellungnahme von Umweltministerin Leonore Gewessler warten - was ihr prompt den Vorwurf einbrachte, sich um klare Aussagen herumzuschwindeln.
Interessant: Die Raiffeisen-Gruppe in Niederösterreich, mit dem Ohr immer nahe an Volk und Politik, überlegt dem Vernehmen nach, ob man entgegen den aktuellen ESG-Richtlinien Fracking-Projekte im Fall des Falles finanzieren könnte.
Derweil plant übrigens die RAG, eine Tochter der EVN, die sowohl Gasspeicher betreibt (u. a. Haidach) als auch eigene Fördervorhaben umsetzt, noch im Spätherbst vier neue konventionelle Probebohrungen im Salzburger Flachgau und zwischen Kremsmünster (Oberösterreich) und Burghausen (Bayern) durchzuführen: je zwei für Öl und für Erdgas.
Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 14. Oktober 2022 entnommen.