EY-Mittelstandsbarometer: Fachkräftemangel bleibt das größte Problem.
©iStpckphotoÖsterreichs mittelständische Unternehmen schätzen ihre Geschäftslage laut EY Mittelstandsbarometer aktuell positiv ein, jeder fünfte Betrieb rechnet allerdings mit einer Verschlechterung in den kommenden sechs Monaten. Der Fachkräftemangel bleibt das größte Problem.
Trotz des aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfelds mit eingetrübter Konjunktur, gestiegenen Preisen für Energie und Rohstoffe oder auch hoher Inflation sind Österreichs Betriebe mit der eigenen Geschäftslage zufrieden: Gut vier von fünf Unternehmen (82 %) bewerten die eigene Geschäftslage als eher gut oder gut. 18 Prozent der Befragten beurteilen die eigene Geschäftslage aktuell als negativ.
Allerdings rechnen mehr Unternehmen mit einer Verschlechterung (21 %) der eigenen Geschäftslage für das kommende Halbjahr als mit einer Verbesserung (17 %). Damit geht etwa jeder fünfte Betrieb von einer Verschlechterung der eigenen Situation im kommenden Jahr aus.
„Die österreichischen Unternehmen lassen sich zwar nicht unterkriegen, aber die wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen wirken sich langsam auf die Gesamtstimmung aus“, schätzt Erich Lehner, Managing Partner Markets und Verantwortlicher für den Mittelstand bei EY Österreich, die Ergebnisse aus dem neuen EY-Mittelstandsbarometer ein, für den österreichweit im November 2023 über 600 Verantwortliche von mittelständischen, nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern befragt wurden.
Positive Stimmung im Tourismus
Im Branchenvergleich sticht vor allem der Tourismus hervor: Drei Viertel der befragten Tourismusbetriebe (76 %) sind mit der eigenen Geschäftslage zurzeit uneingeschränkt zufrieden, gefolgt von den Sektoren Finanz- und andere Dienstleister und Soziales, Wissenschaft, Bildung & Konjunktur, wo der Anteil bei jeweils 65 Prozent liegt. Am wenigsten zufrieden sind aktuell Industrieunternehmen: Hier bewerten lediglich rund zwei von fünf Betriebe (41 %) ihre Geschäftslage als gut.
Aber nicht nur hinsichtlich der Einschätzung der aktuellen Geschäftslage ist der Tourismus am positivsten gestimmt. Auch was die Erwartung an die kommenden sechs Monate betrifft, zeigen sich Tourismus und Finanz- und andere Dienstleister besonders zuversichtlich (30 bzw. 29 %), im Gegensatz zur Immobilien- und Baubranche sowie Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur, die besonders pessimistisch auf das nächste Halbjahr blicken (9 bzw. 7 %).
Konjunkturaussichten eingetrübt
Die Konjunkturerwartungen der österreichischen Wirtschaft bleiben wie im Vorjahr deutlich eingetrübt: Mehr als die Hälfte (55 %) der befragten Unternehmen geht davon aus, dass sich die allgemeine Wirtschaftslage in Österreich in den kommenden sechs Monaten verschlechtern wird, nur jeder elfte Betrieb rechnet mit einer Verbesserung (9 %). Nur ein einziges Mal in den vergangenen 17 Jahren war der Anteil derer, die mit einer Verbesserung der Wirtschaftslage rechneten, noch niedriger: Im Februar 2009 gingen gerade einmal drei Prozent der Befragten von einer besser werdenden Konjunktur aus.
Lehner dazu: „Die Einschätzungen der heimischen Betriebe reihen sich in die Prognosen von Wirtschaftsforschungsinstituten ein, die im Moment ebenfalls mit einer leichten Rezession für 2024 rechnen. Um weiter erfolgreich zu wirtschaften, ist es essenziell, am Ball zu bleiben und weiter zu investieren – und zwar in neue Technologien und Nachhaltigkeit.“
Geringe Investitions- und Beschäftigungsimpulse
Gerade in Sachen Investitionen stehen österreichische Unternehmen aber gerade auf der Bremse. Die Investitionsneigung der Unternehmen bleibt auf einem niedrigen Niveau: Nur 16 Prozent der Betriebe wollen ihre Investitionen steigern, immerhin 15 Prozent wollen sie reduzieren. Auch die Beschäftigungsimpulse dürften in den kommenden sechs Monaten eher schwach ausfallen: 21 Prozent der Unternehmen wollen zusätzliche Arbeitskräfte einstellen, fast genauso viele (18 %) planen allerdings, ihre Belegschaft zu reduzieren.
„Gerade in Zeiten der Rezession sind Investitionen von entscheidender Bedeutung, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder sogar zu stärken. Unternehmen sollten gezielt in zukunftsorientierte Projekte investieren, um sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen und sich für kommende Marktsituationen zu positionieren“, sagt Lehner.
Fachkräftemangel und gesamtwirtschaftliche Herausforderungen
Der Fachkräftemangel ist weiterhin das größte Problem der heimischen Unternehmen. Zwei von drei geben an, dass der Mangel an qualifiziertem Personal aktuell die größte Gefahr für die Entwicklung des eigenen Betriebs darstellt (66 %). Danach folgen eher akute Herausforderungen wie die hohen bzw. volatilen Rohstoffpreise (54 %), die drohende Rezession (56 %), die hohe Inflation (62 %) sowie die hohen Energiepreise (52 %).
„Die Bewältigung des Fachkräftemangels erfordert eine langfristige Strategie, die auf eine bessere Ausbildung, die Förderung von Berufseinsteigern sowie die Ansprache neuer Zielgruppen und eine höhere Arbeitsattraktivität setzt. Um die volatilen Rohstoffpreise und die hohen Energiekosten zu reduzieren, ist eine stärkere Diversifizierung und die Förderung erneuerbarer Energien von großer Bedeutung. Zudem sollten Unternehmen aktiv eine Anpassung ihrer Geschäftsmodelle an potenzielle Rezessionsphasen vornehmen. Bei der hohen Inflation hilft eine effektive Kostenkontrolle und Preisoptimierung, um die Konkurrenzfähigkeit am Markt sicherzustellen", rät Lehner.
Wenig Zustimmung zur nationalen Standortpolitik
Der Anteil der Unternehmen, die die nationale Standortpolitik negativ bewerten, ist gegenüber dem Vorjahr zwar leicht gesunken – von 41 auf aktuell 39 Prozent. Allerdings ist der Anteil derer, die eine positive Note vergeben, noch deutlicher zurückgegangen – von 17 auf nur noch zehn Prozent. So niedrig lag die Zustimmungsquote zur nationalen Standortpolitik noch zu keinem früheren Zeitpunkt im Untersuchungszeitraum.