PwC-Boss Rudolf Krickl (l.) und Unternehmer Matthias Unger (r.)
©Wolfgang WolakDer CEO von Unger Stahlbau, Matthias Unger, und der Seniorpartner von PwC in Österreich, Rudolf Krickl, über den Verlust von Vertrauen in Familienunternehmen und deren Stärken und Schwächen.
Ist Österreich wirklich ein Land der Familienunternehmen?
Kann man sagen. Und auch das Land mit der höchsten Dichte an Hidden Champions, die in ihren Nischen Weltmarktführer sind - wobei das "Hidden" auch eines der Probleme ist. Jedenfalls spielen Familienunternehmen eine wichtige Rolle in ihrer Region.
Eine von PwC aktuell durchgeführte Studie zeigt ein ambivalentes Bild. Was sind die Stärken und Schwächen?
Eine Stärke sind schnelle Entscheidungen, weil meist weniger Personen involviert sind. Genau das kann aber auch eine Schwäche sein, wenn nämlich der Know-how-Input von außen limitiert ist.
Als Vorteil wird oft die langfristige Perspektive genannt. Inwiefern denken Familienunternehmer anders?
Dass wir in Generationen denken, ist ein Vorteil bei Investitionsentscheidungen, weil wir weniger auf kurzfristigen Erfolg und die Befriedigung von Shareholden angewiesen sind -und weil die Mitarbeiter erkennen, dass der Betrieb nachhaltig in die nächste Generation wachsen will.
Macht es robuster, wenn man wenig oder gar nicht anderen Gesellschaftern oder Investoren verpflichtet ist?
Sicherlich. Schon weil sehr viel an Reporting entfällt. Es kann allerdings problematisch sein, wenn die Familie nicht funktioniert. Darum macht es Sinn, Aufsichts-oder Beiräte zu installieren. Unger Stahlbau hat einen Beirat, der Know-how zur Verfügung stellt.
Auch ein limitierter Zugang zu Kapital kann ein Hemmschuh sein, oder?
Ja, man hat die kreditfinanzierende Hausbank, vielleicht auch zwei oder drei. Aber was wir in Österreich kaum haben, sind Private Equity und strategische Investoren, die manchmal für schnelleres Wachstum sorgen könnten. Daran fehlt es. Die Börse halte ich weniger für Familienunternehmen geeignet. Auch deswegen, weil sowohl Kultur als auch Finanzbildung fehlen, damit sich die Leute in der Breite an Unternehmen zu beteiligen.
Auch die Unternehmen zieht es nicht an die Kapitalmärkte. Woher kommt diese Scheu? Weil man sich nichts dreinreden lassen möchte?
Es herrscht eine eher konservative Herangehensweise, ja. Man möchte die Entscheidungen bei sich halten. Wir sind aus eigener Kraft ein sehr kapitalstarkes Unternehmen. Trotzdem lege ich Wert darauf, dass jedes Investment auch kapitalmarktfähig wäre.
Viele Familien kommunizieren generell ungern in der Öffentlichkeit. Ein Problem?
Die häufig gelebte Verschwiegenheit ist nicht nur ein Vorteil, wie sich am Vertrauensverlust zeigt, den unsere Studie ergeben hat. So haben etwa viele Betriebe eine ESG-Strategie, sprechen aber wenig bis gar nicht darüber. In einer Zeit der Vertrauenskrisen -etwa durch hohe Inflation und Zinsen -kostet es umso mehr Vertrauen, wenn nicht offen und transparent kommuniziert wird. Der Bonus, den Familienunternehmen haben, wurde zum Teil eingebüßt.
Wie ist Ihre Wahrnehmung dazu als betroffener Unternehmer?
Ich kann das nur doppelt unterstreichen. Die derzeitige Generation muss die Chancen stärker nutzen, Familienunternehmen ein Gesicht zu geben, quasi den Vertrauensvorschuss mit Leben zu erfüllen. Auch bei uns war es so, dass wir schon viel im Bereich ESG getan haben, ohne dass mir das gänzlich bewusst war. Wir müssen vor den Vorhang treten und sagen, für welche Werte man steht. Nicht nur gegenüber den Kunden, sondern auch im Sinne der Mitarbeiterzufriedenheit.
Laut Ergebnissen der PwC-Studie hinken Familienbetriebe beim Thema ESG hinterher. Weil es zu wenig interessiert?
Es wird erst langsam realisiert, dass der ESG-Footprint nicht nur Großkonzerne betrifft -sondern zunehmend alle. Per se sind Familienunternehmen zwar nachhaltiger ausgerichtet, hatten in der Vergangenheit aber nicht so den Fokus auf die regulatorischen ESG-Anforderungen. Aber sie realisieren, dass sie es jetzt angehen müssen.
Künftig sollen Bankfinanzierungen für nicht ESG-konforme Projekte teurer werden. Das erfordert umfangreiche Dokumentationen Bereiten Sie sich darauf vor?
Ganz klar. Wer kein ESG-Rating hat, wird keine Finanzierung mehr bekommen. Wir beschäftigen uns damit schon seit ein paar Jahren und decken zum Beispiel einen Teil unseres Strombedarfs mit eigener Photovoltaik ab.
Standortpolitisch muss man dazu noch sagen, dass wir in Europa immer alles über Regulatorik machen, was der falsche Weg ist. In den USA passiert viel mehr über Incentives -das ist effizienter und bringt mehr Tempo rein.
Die grüne Transformation erfordert hohe Investitionen, gerade auch im Stahlsektor. Können Sie die ohne staatliche Unterstützung stemmen?
In der Stahlbranche ist eine Revolution im Gange. Wir brauchen dafür vor allem die Rahmenbedingungen: z. B. weg vom Billigst-zum Bestbieter-Prinzip, um grüne Kriterien mehr berücksichtigen zu können. Und wir müssen in Zusammenhängen denken: Unser nur mit Stahlbau realisiertes Dach für die Schwimmhalle des Wiener Stadionbades, das auf-und zugemacht werden kann, spart 500 Tonnen CO2 im Jahr. Die Stahlerzeuger werden auch staatliche Förderungen brauchen. Grüner Stahl hat seinen Preis -das muss die Gesellschaft erkennen.
PwC spricht auch von Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Müssen Familienbetriebe ihre Ressourcen da ein jetzt bisschen umschichten?
Man muss sogar deutlich umschichten. Vor Corona herrschte die Meinung, man sei super aufgestellt in der Digitalisierung. Dann ging es plötzlich darum: Wie arbeitet man digital? Wie lässt sich das Geschäftsmodell in digitalen Raum entwickeln? Wie schütze ich meine Systeme vor Angriffen? Das sorgte für ein böses Erwachen und die Erkenntnis, dass großer Aufholbedarf besteht -der durch die rasante Verbreitung von KI noch größer wird. Außerdem sind Familienunternehmen täglich Opfer von Cyberangriffen, weil sie weniger gut vorbereitet und eher bereit sind, Lösegeld zu zahlen.
Der größte Unsicherheitsfaktor ist nach wie vor der Mensch. Mitarbeiter bei uns bekommen sehr oft Mails, wo sich jemand als Matthias Unger ausgibt, um in Produktions-oder Finanzabteilungen zu gelangen. Wir legen darum Wert auf diesbezügliche Schulung und erhöhte Aufmerksamkeit.
Sind Veränderungen und Innovation aufgrund des Traditionsbewusstseins in Familienbetrieben schwieriger?
Nein. Aber viele scheitern in der Übergabe auch, weil zu viel verändert werden will. Denn Themen zwischen den Generationen sind sehr emotional. Da kann ich nur zu professioneller Hilfe von außen und zu einem strukturierten Plan raten. So haben es auch mein Vater und ich gemacht.
Mit intes hat PwC übrigens dafür eine spezialisierte Beratung, die sich etwa mit Familienverfassungen oder Übergabemodalitäten beschäftigt.
Die Wachstumsprognose für 2023/24 ist nicht berauschend. Wie kann und soll man drauf reagieren?
Auch wenn ein signifikanter Abschwung bevorsteht, werden ihn jene gut überstehen, die ihre Geschäftsmodelle im Griff haben. Das gilt besonders für Familienbetriebe, die ja durch höheres Eigenkapital und loyalere Mitarbeiter häufig einen langen Atem haben.
Im Industrie-und Gewerbebereich spüren wir die Krise bislang noch nicht. Und wir sind der Vergangenheit durch unsere Kapitalstärke gerade in Krisenzeiten immer sehr stark gewachsen. Für den Standort wird aber entscheidend sein, bei den Produktionskosten wettbewerbsfähig zu bleiben, das betrifft insbesondere Energie-und Lohnnebenkosten. Da ist der Staat gefordert -wie auch beim Thema Arbeitskräfte. Ohne qualifizierte Zuwanderung wird das nicht gehen.
Über die Unger Steelgroup:
1952 gründete Josef Unger einen Schlossereibetrieb im burgenländischen Welgersdorf. 1986 übernahm sein Sohn Josef Unger jun., verlegte die Firma nach Oberwart und baute sie nach und nach zur Unger Steel Group aus: einem international operierenden Unternehmen mit heute weltweit 1.200 Mitarbeitern und 210 Millionen Euro Umsatz (2022).
1,85 Millionen Tonnen Stahl wurden seit Gründung verarbeitet. Man ist in 42 Ländern aktiv. Seit 2007 existiert eine zweite Stahlbaufertigung in Sharjah (VAE). Ein Jahr später trat Matthias Unger, 41, nach einigen Wanderjahren durch diverse Branchen in dritten Generation bei Unger Stahl ein. Nun ist er CEO.
Bekannte Projekte sind das Dach des Wiener Hauptbahnhofs oder die Station der Twin-City-Liner am Schwedenplatz. Der Bereich Real Estate übernimmt als Immobilienentwickler die Errichtung und das Management eines gesamten Projekts von der Standortsuche bis zur Übergabe.
Matthias Unger sagt, es würde ihn freuen, wenn sein Sohn das Unternehmen, das zu 100 Prozent in Familienbesitz steht, dereinst in der vierten Generation weiterführt.
Artikel aus der trend. PREMIUM Ausgabe vom 29.09.2023