SYLVIA HOFINGER, Geschäftsführerin des FCIO.
©beigestellt / Arman RastegarSYLVIA HOFINGER, Geschäftsführerin des FCIO, fürchtet, dass kürzere Schutzfristen sowohl den Patienten als auch der heimischen Pharmaindustrie schaden würden.
Wie würde sich die im derzeitigen Entwurf des EU-Pharmapaketes vorgesehene Verkürzung des Unterlagenschutzes von derzeit acht auf sechs Jahre auswirken?
Die EU hat bei der Entwicklung von innovativen Medikamenten in den letzten 30 Jahren ihre weltweite Führungsrolle verloren - mittlerweile kommen fünf von zehn neuen Produkten aus den USA, wo deutlich günstigere Rahmenbedingungen herrschen. Und auch China holt rasant auf. Mit den geplanten Einschränkungen bei den geistigen Eigentumsrechten wird sich dieser Trend auf Kosten Europas weiter beschleunigen. Forschung und Entwicklung werden zunehmend in Regionen verlagert, in denen sich die Milliardenausgaben und das wirtschaftliche Risiko, das Firmen bei der Entwicklung von neuen Produkten eingehen, rechnen.
Was bedeutet das für die österreichischen Patienten?
In bestimmten Bereichen wird in Europa weniger geforscht werden, dadurch wird es weniger medizinische Durchbrüche und neue Therapien geben - gerade bei seltenen Erkrankungen und Kinderarzneimitteln. Und neue Therapien werden erst später zu uns kommen, weil sie eben nicht mehr bei uns erforscht werden. Das ist besonders bitter: Denn noch ist Österreich beim Zugang zu innovativen Medikamenten im internationalen Spitzenfeld - diesen Vorsprung würden wir verspielen.
Ziel des Paketes ist es auch, dass alle EU-Bürger schneller und auch gerechter Zugang zu neuen Medikamenten bekommen. Sind kürzere Schutzfristen ein geeignetes Mittel?
Definitiv nicht. Die einzelnen Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Ansätze und Möglichkeiten, innovative Arzneimittel zu finanzieren. Kürzere Schutzfristen werden das nicht ändern und keinen rascheren Zugang bringen, sondern wie vorher beschrieben Forschung und Entwicklung in der EU erschweren. Zynisch formuliert: Eine Angleichung würde zwar erfolgen, aber nur durch eine Nivellierung nach unten.
Die meisten Innovationen senken Kosten, in der Pharmabranche können sie sogar Leben retten. Warum ist es so schwer, im Gesundheitswesen ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen?
Wir haben leider nach wie vor keine umfassende Betrachtung der volkswirtschaftlichen Kosten von erfolgreichen Behandlungsmethoden auf der einen und Krankheit auf der anderen Seite - obwohl wir das seit Jahrzehnten fordern. Mit ein Grund dafür ist das zersplitterte österreichische System mit verschiedenen Kompetenzen und Zahlern - und dabei schaut jeder nur auf seine unmittelbaren Kosten. Das große Ganze wird dabei völlig ausgeblendet. Dabei wären bei einer besseren Abstimmung enorme Summen einsparbar.
Wie müsste die neue EU-Regelung aussehen, damit die heimische Pharma-Branche gut damit leben kann?
In der EU-Pharmastrategie vor drei Jahren wurden viele sinnvolle Ziele definiert - auf diese müsste man sich wieder besinnen: Wichtigste Maßnahme für die Innovationskraft ist nun mal der Schutz des geistigen Eigentums, da muss das derzeitige Niveau erhalten bleiben.
Und die Versorgungssicherheit wird durch die Stärkung der Produktion in der EU erhöht. Für beide Bereiche braucht es auch Anreize und faire Preise.
Pharmabranche Österreich
Die pharmazeutische Industrie besteht aus ca. 150 Unternehmen, die mehr als 18.000 Mitarbeiter beschäftigen und für eine Wertschöpfung von 9,2 Mrd. Euro sorgen. Unter den heimischen Betrieben sind einige durch ihre hiesigen Aktivitäten für den gesamten Weltmarkt relevant. Mehr Informationen dazu auch unter www.pharmastandort.at.
Das Interview ist aus trend. edition+ vom Dezember 2023.
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