Lieferketten können von vielen äußeren Einflüssen gestört werden: Containerstaus in den großen Häfen, Produktionseinschränkungen wie in Schanghai durch monatelange Lockdowns, blockierte Handelsrouten wie im März 2021 der Suez-Kanal. Das führt zu weitreichenden Engpässen bei Rohstoffen und Zulieferprodukten. Laut IFO-Institut klagten im Juni 2022 drei von vier Unternehmen über Engpässe insbesondere bei Rohstoffen wie Kobalt, Bor, Silizium, Grafit, Magnesium, Lithium, Niob, seltenen Erden und Titan.
Bei Vorprodukten wie Halbleitern, Bauelementen oder integrierten Schaltungen wird mit einer Verknappung bis ins nächste Jahr hinein gerechnet, bei Halbleitern sogar bis 2026. Besonders betroffen ist der Maschinenbau, dicht gefolgt von der Elektro- und Automobilindustrie. Dazu kommt eine Verteuerung der Vorprodukte durch steigende Energiekosten – Gas- und Strompreise kletterten auf Rekordhoch, entsprechend entwickelten sich die Preise etwa für Roheisen und Stahl.
Die Preisentwicklung ist jedoch nicht linear: Es kommt immer wieder zu plötzlichen Einbrüchen. Genau diese Volatilität macht es den Unternehmen so schwer, ihre Preisstrategien auf einer validen Basis anzupassen – und natürlich der andauernde Krisenmodus, in dem auf ständig neue wirtschaftliche und (umwelt-) politische Eruptionen reagiert werden muss. Dadurch wird die strategische Handlungsfähigkeit enorm beschnitten.
Mehr Profit mit der richtigen Strategie
Mit der richtigen Strategie kann die aktuelle Situation jedoch auch eine Chance sein. Für produzierende Unternehmen gibt es einige Instrumente, die bei richtigem Timing und adäquatem Einsatz erfolgversprechend sind. Dazu zählen laufendes Monitoring samt Preiskontrollen, die weitergehende Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen sowie die wirksame Kundenkommunikation von selektiven Preiserhöhungen.
>> Permanentes Monitoring: Nur wenn Firmen einen guten Überblick über Preisentwicklungen, Verfügbarkeiten und Lieferfristen haben, können sie ihre Preise rechtzeitig anpassen und den Vertrieb darauf einstimmen. Das Monitoring muss dabei zielgerichtet und systematisch geplant und umgesetzt werden – und kontinuierlich stattfinden. In dieses „Frühwarn- und Überwachungssystem“ fließen firmeninterne Kosten und Preise ebenso ein wie Kunden- und Marktdaten, die alle Bereiche abdecken.
>> Adäquates Preiscontrolling: Auch wenn Preiserhöhungen bereits erfolgt sind, muss deren Effizienz stetig bewertet werden. Nur so wird nachvollziehbar, welche Folgen eine Preisanpassung um einen bestimmten Prozentsatz hat. Auf dieser Basis können dann Ziel- und Mindesterhöhungsdefinitionen für einzelne Produkte und Kunden simuliert wer-den. Preiscontrolling und geeignete Kennzahlen erlauben es überdies, Umsatzpotenziale zu identifizieren, ihre Wirkung zu messen und Umsetzung zu steuern.
>> Userfreundliche Datenauswertung: Excel-Datenblätter sind nicht mehr zeitgemäß. Wenn man die vielfältigen Chancen von Data Analytics nutzen will, braucht es vollständig automatisierte Datenströme in Echtzeit und digitalisierte Prozesse zur Auswertung – natürlich unter Einbindung von externen Marktdaten. Ein gutes digitales Tool unterstützt das Management im Sinne eines Frühwarnsystems. Sind die Berichtsansichten auch userfreundlich, wird sich die Reaktionsgeschwindigkeit automatisch erhöhen.
>> Adaptierte Prozesse: Einkaufs- und Verkaufsziele müssen infolge der volatilen Preise und gestörten Lieferketten ständig neu ausgerichtet werden. Dafür sollten die jeweiligen Abteilungen im Unternehmen enger kooperieren – mit kurzen Informationswegen sowie integrierten Prozessen und Systemen. Das macht einen End-to-End-Prozess vom Einkauf bis in den Vertrieb nötig – mit festgelegten Rollen, klaren Verantwortlichkeiten, Steuerungskennzahlen und einer abgestimmten Daten- und IT-Grundlage.
>> Selektive Preiserhöhungen: Preissteigerungen sollten nicht pauschal, sondern differenziert und selektiv umgesetzt werden, etwa nach Marktsegmenten, Vertriebskanälen oder Produktgruppen – schon allein, weil die Preissensibilität in den Kundensegmenten unterschiedlich ausgeprägt ist. Bestimmte Produkte enthalten zudem weniger Rohstoffe, und auch die Nachfrage kann unterschiedlich sein. Zusätzlich braucht es eine Preisstrategie, die Kunden nach ihrem Kaufverhalten, Zahlungsbereitschaft etc. segmentiert.
Ein paar Grundsätze gelten in jedem Fall: So muss die Profitabilität immer im Fokus stehen. Produkte mit negativer oder niedriger Marge sind daher die ersten Ziele für eine Preiserhöhungsinitiative. Auch der Umsatz kann eine Basis sein. So ist es ratsam, die Preise für Produkte mit geringem Umsatz zuerst zu erhöhen. Die Verkaufszahlen zählen ebenso: Produkte, die sich seltener verkaufen und nicht zu den A-Artikeln gehören, sind selbstverständlich Aspiranten für eine Preiserhöhung.
Dann die Produktart: Benötigt ein Hersteller für ein Produkt nur einen Halbleiter und für ein anderes Produkt zwei. Der gestiegene Preis für Halbleiter hat somit einen unterschiedlichen Effekt auf den jeweiligen Produktpreis. Alleinstellungsmerkmale sind ein weiteres Kriterium, da Preiserhöhungen bei solchen Produkten eher durchzusetzen sind als bei Standardware. Nicht zuletzt sind mehr oder weniger preissensitive Kundengruppen und Vertriebskanäle geeignete Differenzierungsmerkmale.
>> Offensive Kommunikationsstrategie: Positive Umsatzeffekte entstehen vor allem durch operative Exzellenz in der Preisdurchsetzung. Wichtig ist daher, dass die Kundenkommunikation über anstehende Erhöhungen frühzeitig und transparent erfolgt. Insbesondere die wichtigsten Kunden sollten über die Gründe und die Höhe der Teuerung gut informiert werden. Dafür ist es notwendig, dass die Vertriebsmitarbeiter Zugang zu den wichtigsten Informationen von Kunden, Märkten und aus dem Preismonitoring haben.
Fazit: Volatile Beschaffungsmärkte fordern vom Management aktive, laufende Anpassungen von Umsatzzielen und Preisen. Dies jedoch nicht in blindem Aktionismus, sondern auf Basis fundierter Monitorings und Analysen, sinnvollen Entscheidungsmodellen, Einbezug aller beteiligten Bereiche und gut vorbereiteter Kundenkommunikation. Wenn zur ganzheitlichen Performance-Optimierung digitale Prozesse und Analysen mit Fach- und Management-Know-how verbunden werden, können Anpassungen der Preisstrategien sogar Chancen für Umsatzsteigerungen bieten.
DER AUTOR
Thorsten Lips ist Partner und Gesellschafter der Managementberatung Horváth in Düsseldorf mit Fokus auf Vertrieb, Marketing und Pricing.
Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Managementberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".