Der russische Gazprom-Konzern wickelt von Wien aus diskret seine internationalen Geschäfte ab.
©iStockphotoStill und heimlich hat sich die russische Gazprom Neft Trading mit einem Jahresumsatz von 11,5 Milliarden Euro unter die Top 5 der heimischen Unternehmens-Rangliste gepirscht.
Selbst die voestalpine oder der Autohandelsriese Porsche Holding haben da das Nachsehen. Dabei hat die Gazprom Neft mit der noblen Adresse am Wiener Schwarzenbergplatz nur 52 Mitarbeiter. Auch wenn die Tochter des russischen Giganten Gazprom nur als reiner Händler agiert, ist diese Größenordnung erstaunlich. Und zeigt den Stellenwert, den Wien für den russischen Gasmoloch hat.
Der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte deutsche Journalist und Autor Jürgen Roth hat nun ein neues Buch vorgelegt: "Gazprom - Das unheimliche Imperium".
Roth taucht darin tief in den größten und mächtigsten Konzern Russlands ein. Die rund 500.000 Gazprom-Mitarbeiter erwirtschafteten zuletzt einen Jahresgewinn von rund 28 Milliarden Dollar. Dieser Erfolg ist neben der Exploration in den Weiten Sibiriens vor allem den unzähligen Tochtergesellschaften der Gazprom geschuldet, die die west- und osteuropäischen Staaten eng an die Gasversorgung aus Russland binden.
Drehscheibe Wien, Schwarzenbergplatz
Kernthese von Roth dabei: Diese riesigen Deals der Gazprom erfolgen nicht ohne Grund über zigfach verschachtelte Unternehmenskonstrukte. Vielmehr geht es laut dem Autor darum, Korruption, politische Einflussnahme und sogar mafiaartige Aktivitäten zu verschleiern.
Gazprom ist die Machtbasis von Wladimir Putin und seinem noch aus Zeiten des Kalten Kriegs stammenden Netzwerk aus KGB-Agenten, dubiosen Geschäftsleuten, Oligarchen und Militärs. Der Energiegigant ist ein wesentlicher Stützpfeiler für die im Moment in Russland herrschende Schicht rund um Putin. Durch Tarnfirmen und ausgeklügelte Verträge werden die Gasabnehmer außerhalb Russlands kontrolliert und abhängig gemacht.
Der wichtigste Angelpunkt der Gazprom-Aktivitäten in Westeuropa ist Wien. Von der österreichischen Hauptstadt aus agiert ein verzweigtes Firmennetzwerk. So sind die Gazprom Neft Trading, Gazprom Germania sowie die Gazprom Export mit ihren zahlreichen Tochterfirmen bestens in Österreich verankert. Auf Handelsgesellschaften, Gasspeichern, Lieferverträgen und Pipeline-Projekten liegt der Hauptfokus der Gazoviki, wie die Gazprom-Manager und ihre Mitarbeiter genannt werden. Gazprom ist auch mit der dem Wiener Investor Martin Schlaff nahestehenden Centrex in engster Verbindung, die wiederum an Gashandelsfirmen in Osteuropa und am Balkan mit bis zu 100 Prozent beteiligt ist. All diese Firmen verfügen über Briefkästen und Stiftungen auf Zypern, in Liechtenstein oder der Schweiz.
Das Ziel: Verwirrung zu stiften, Transparenz zu verhindern und dienliche Manager mit lukrativen Posten zu versorgen. Buchautor Roth vermutet gar, dass die Gazprom die wahren Profiteure der Gasdeals verschleiern will - sogar vor den eigenen Aktionären. Und das gewonnene Schwarzgeld wird zur Absicherung der Macht eingesetzt.
Die Austro-Connection
Der Standort Wien ist kein Zufall. Österreich ist seit dem Zweiten Weltkrieg traditionell ein großer Gaskunde der Russen - auch heute kommen 60 bis 70 Prozent des Gases, das nach oder durch Österreich geleitet wird, von Gazprom. Wien bietet aber noch viele andere Vorteile: ein dichtes Netzwerk an russischen Einrichtungen (die russische Botschaft in der Reisnerstraße samt ihren Dependancen ist eine der mitarbeiterstärksten der Welt), das Rechtsvehikel Privatstiftung, diskrete und sichere Banken. Die Kontakte in die Politik sind gut. Hinzu kommt, dass Wien vom Kalten Krieg bis heute ein dichtes Netzwerk an Informanten, Geheimdienstlern und Osthändlern aufweist.
Führende Gazprom-Mitarbeiter wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Alexander Medwedew haben ebenfalls eine geschäftliche Wien-Vergangenheit - in seinem Fall die Donau Bank - und sprechen oft fließend Deutsch. Medwedew war bei einem Besuch zuletzt auch voll des Lobes für die Alpenrepublik: "Die Beziehungen Gazproms mit Österreich sind aus meiner Sicht ein großer Erfolg."
Buchautor Roth dazu: "Medwedew war auch Direktor der Inter Trade Consult und danach Direktor der österreichischen IMAG Investment Management Gruppe. Dass die einstige Donau Bank zu Zeiten des Kalten Krieges auch Gelder des KGB verwaltete, war in Wien und Washington kein Geheimnis."
Beziehungen und Abhängigkeiten
Viele Beziehungen gibt es zwischen Gazprom und der OMV. Mit dem österreichischen Energiekonzern ist Gazprom über langjährige Lieferverträge verbunden, mit der RAG (Rohölaufsuchungsgesellschaft) betreibt man den zweitgrößten europäischen Gasspeicher in Haidach bei Straßwalchen. Und wiederum mit der OMV ist man im South-Stream-Pipelineprojekt verbunden.
Das Konkurrenzprojekt Nabucco, ebenfalls von der OMV forciert, wird allerdings von Gazprom torpediert. Jürgen Roth: "Die OMV hat ein zwiespältiges Verhältnis zur Gazprom. Einerseits ist man von Lieferungen abhängig, betreibt aber auch gemeinsame Projekte und steht unter dem Druck, in Osteuropa kooperativ zu sein."
Beste Kontakte unterhalten die Gazoviki in Österreich zu allen Parteien - bis auf die Grünen. Buchautor Roth erwähnt auch die guten Beziehungen zu staatsnahen Unternehmen oder ein Netzwerk heimischer Expolitiker und Manager, die in GUS-Republiken aktiv sind.
Wiener Melange
Roth zitiert aus einem Resümee der früheren Einsatzstelle zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, EDOK: "Die größte Bedrohung stellen die enormen Gelder der GUS-Staaten dar, die über eigens in Österreich gegründete Handelsgesellschaften in das heimische Bankwesen einfließen. Die Herkunft der Gelder ist meist nicht zu ermitteln. Es gibt immer wieder Hinweise auf Betrug, Drogenhandel und Korruption." Roth stellt auch einen Zusammenhang mit dem mysteriösen Gashandelsmilliardär Dmytri Firtash her, der über seine österreichischen Firmen eine Zentralfigur vieler Gazprom-Deals ist.
Der lange Arm des Gazprom-Imperiums in Österreich wurde zuletzt auch im Juli 2011 deutlich sichtbar. Damals wurde ein mit Interpol-Haftbefehl gesuchter ehemaliger KGB-Offizier am Wiener Flughafen verhaftet. Er soll vor zwanzig Jahren für den Tod litauischer Unabhängigkeitsdemonstranten mitverantwortlich gewesen sein. Nach massiven Interventionen der russischen Botschaft wurde der Geheimdienstler freigelassen und durfte ungehindert nach Moskau weiterreisen, was diplomatische Verstimmungen mit Litauen zur Folge hatte.
Geheime Gazprom-Armee
Den Jahresgewinn von zuletzt rund 28 Milliarden Dollar setzt Gazprom an unterschiedlichen Fronten ein.
So kontrolliert das Unternehmen die größte Medienholding Russlands und verfügt neuerdings auch über eine Privatarmee, deren Einsatzgebiet auch ins Ausland reicht. Möglich macht dies ein Gesetz von Putins Gnaden, das es strategisch wichtigen Privatunternehmen erlaubt, ihre Sicherheitsfirmen mit schweren Waffen auszurüsten.
Ausdrücklich sind diese Security-Kräfte auch ermächtigt, im Ausland zu operieren.
Wachsender Machtfaktor
Nicht zuletzt dank üppiger Auslandsaktivitäten wie in Österreich wird Gazprom nach Ansicht von Jürgen Roth weiter wachsen und noch mächtiger werden. Grund dafür ist die Wiederwahl Putins als Präsident sowie die weiter wachsende Abhängigkeit Westeuropas vom russischen Gas. Dabei zahlen schlussendlich die Verbraucher drauf. Denn Gazprom hat geschickt die Gaspreise mit den Ölpreisen vertraglich verwoben. Der Clou: Öl wird teurer und knapper, doch die Gasreserven Russlands werden jährlich größer, da laufend neue Vorkommen entdeckt werden und die Förderung noch auf Jahrzehnte nicht ihr Maximum erreicht hat. Trotzdem steigt der Gaspreis, den Konsumenten zu zahlen haben, parallel zum Ölpreis.
Roth zieht ein alarmierendes Fazit: "Gazprom ist kein normaler Energiekonzern, sondern eine politische Waffe der Kleptokratie aus dem Kreml." Unterstützt wird diese Waffe mit gleichgeschalteten, Gazprom-eigenen Medien in Russland. Roth prophezeit: "Solange Putin an der Macht ist, wird sich nichts ändern."
In Westeuropa setzt der Gazprom-Konzern neuerdings auf Sportsponsoring, etwa mit einem Vertrag über 125 Millionen Euro mit dem deutschen Fußball-Erstligisten Schalke 04.
Die europaweite Kritik an Gazprom wächst zwar trotz solcher PR-Aktionen, ist aber eher harmlos. Kürzlich haben Nacktaktivistinnen der Gruppe "Femen" aus Protest gegen Russlands Energiepolitik oben ohne das Gazprom-Gelände in Moskau gestürmt.