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Pleiten: Gläubigerschutzverbände im Großeinsatz

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Signa-Baustelle Kaufhaus Lamarr

©picturedesk.com/APA/Georg Hochmuth
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Ein „Rekordpleitenjahr" erwartet der Alpenländische Kreditorenverband, schon jetzt seien die Gesamtverbindlichkeiten auf einem historischen Höchststand. Angesichts der aktuellen Pleitewelle wird der Wettbewerb zwischen den vier Gläubigerschutzverbänden härter. Signa & Co. bedeuten mehr Arbeit, aber auch mehr Geld.

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Da staunte so mancher Involvierte nicht schlecht, als vor einigen Monaten bekannt wurde, wie hoch die Einnahmen der Gläubigerschutzverbände bei den Pleiten der Signa Development Selection (SDS) und der Signa Prime Selection (SPS) ausfielen: 1,1 Millionen Euro bekamen alle Verbände zusammen bei SDS und knappe vier Millionen Euro standen ihnen für SPS zu. Nicht weniger als fünf Millionen Euro also für die Mitwirkung an den beiden wohl umfangreichsten Signa-Pleiten. Und das für die Arbeit weniger Wochen! Wer aber sind diese Verbände, wie arbeiten sie, und was machen sie mit all dem Geld?

Insgesamt sind in Österreich mit dem KSV1870, dem Alpenländischen Kreditorenverband (AKV), der Creditreform (ÖCV) und dem Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer (ISA) vier Verbände bevorrechtet, sprich, sie haben in Insolvenzverfahren besondere Rechte wie Akteneinsicht, ähnlich einem Rechtsanwalt. Um die Bevorrechtung von der Regierung zu erlangen, müssen diese Verbände aber darauf ausgerichtet sein, keinen Gewinn zu erzielen. Etwas außer Konkurrenz läuft der ISA, der bei der Arbeiterkammer eingerichtet ist und ausschließlich Arbeitnehmer in Insolvenzverfahren vertritt.

Die Arbeit der Verbände rückt speziell jetzt in den Vordergrund, wo die Zahl der Insolvenzen explodiert. Soeben hat der AKV von einem historischen Rekord der Gesamtverbindlichkeiten im Ausmaß von 14,3 Milliarden Euro bereits nach drei Quartalen gesprochen, er spricht von einem „Rekordpleitenjahr". Laut Creditreform Österreich werden die Firmeninsolvenzen heuer so hoch ausfallen wie seit 15 Jahren nicht mehr. „Ich gehe von mehr als 7.200 Insolvenzen im heurigen Jahr aus. Entsprechend viel ist natürlich auch für uns zu tun“, berichtet Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform Österreich. Ricardo-José Vybiral, sein Kollege vom KSV1870, relativiert etwas: „Wir liegen aktuell bei einer Insolvenzquote von zwei Prozent. Da lagen wir schon einmal weit höher“.

18 Pleiten täglich

Aber auch er bestätigt den gestiegenen Arbeitsaufwand und das wachsende Bedürfnis nach Informationen bei den Unternehmen. 18 neue Pleiten täglich betreuen die Mitarbeiter aktuell. „Da muss man bei jeder Tagsatzung, jedem wichtigen Termin dabei sein“, so Vybial. Und der Fall Signa erfordert besonderen Einsatz: „Signa bringt eine Potenz an Aufwand zusätzlich mit sich“, berichtet Vybiral. Zu den österreichweit 361 KSV-Mitarbeitern sollen in Teilbereichen jedenfalls noch ein paar dazukommen. Allerdings, so Vybiral, würde die Insolvenzvertretung nur rund ein Viertel des Gesamtgeschäfts des KSV1870 ausmachen. Der größte Umsatzbringer seien die Bonitätsauskünfte, auch Inkassogeschäft betreibt der KSV. Jüngst hat der KSV1870 nach eigenen Auskünften jedenfalls die 34.000-Mitglieder-Marke übersprungen. Vybiral: „Wir sind noch nie so stark gewachsen“.

Damit dürfte der KSV der größte Gläubigerschutzverband in Österreich sein. Auch wenn Vergleichsdaten fehlen, weil weder AKV noch Creditreform die Zahl ihrer Mitglieder nennen. Die Creditreform spricht auch von enormem Kundenwachstum, nennt aber lediglich die Zahl ihrer Mitglieder europaweit. Da liegt man bei 165.000. Mehr wolle man aus Wettbewerbsgründen nichts sagen, so Weinhofer. Auch der AKV, der heuer seinen 100. Geburtstag feiert, hält sich bedeckt und spricht lediglich von „einigen Tausend“ Mitgliedern, wobei die Zahl jener Kunden, die nicht fix dabei sind, jene der permanenten Mitglieder übertrifft. „Natürlich suchen wir Personal. Aber das Insolvenzrecht ist ein spezielles Rechtsgebiet, und die Einschulung der Mitarbeiter dauert fünf bis sechs Monate“, erläutert Cornelia Wesenauer vom AKV. Allein in Wien hat der Verband zurzeit 35 Mitarbeiter nur in der Insolvenzvertretung im Einsatz, der Großteil davon sind Juristen.

Bei der Signa vertritt der AKV mit 35 Gläubigern bei SPS und 20 bei SDS die größte Gruppe. „Da bekommt man oft erst ein bis zwei Tage vor dem Gläubigerausschuss seitenlange Insolvenzberichte zum Durchlesen“, schildert Wesenauers Kollege Franz Blantz die Schwierigkeiten. Und davor gilt es dann auch noch jeden einzelnen Gläubiger umfassend zu informieren.

Insolvenzderby

Der Wettbewerb zwischen den drei großen Verbänden ist hart. „Es ist wie Rapid gegen Austria“, schildert Weinhofer von Creditreform. Wer bei dem Match wer ist, ließ er jedoch offen. Der KSV-Chef hält den „intensiven, sportlichen“ Wettbewerb zwischen den Verbänden jedenfalls für wünschenswert: „Dadurch entsteht schnelle, gute, hochqualitative Arbeit“, glaubt Vybiral. Sein Kollege Plancz hält die Vielfalt mehrerer Verbände vor allem in den Gläubigerausschüssen für sinnvoll: „Drei bis vier unterschiedliche Meinungen sind für die Meinungsbildung sicher sinnvoll.“

Dass die Verbände in diesen Ausschüssen, auch wenn sie alle die Interessen der Gläubiger vertreten, nicht immer einer Meinung sind, hat einmal mehr das Beispiel Signa gezeigt, wo sich der KSV so wie die Finanzprokuratur gegen die Treuhandlösung ausgesprochen hat, der AKV und der ÖCV aber dafür.

Andrea Fruhstorfer, Insovenzverwalterin bei SDS, die sich nun seit November nahezu täglich im Austausch mit den diversen Gläubigerschutzverbänden befindet, streut diesem Austro-Spezifikum Rosen: „Ich schätze ihre Arbeit sehr. Sie bringen sich meist gut ins Verfahren ein und haben gute Ideen. Als Insolvenzverwalter wäre unser Leben schwerer, wenn wir die Gläubigerschutzverbände nicht hätten.“ Auch Dorda-Insolvenzrechtsexperte Felix Hörlsberger hält Gläubigerschutzverbände für „Erfolgsgaranten“ in Sanierungsverfahren. Vor allem kleinere Gläubiger würden so zu einer günstigen Rechtsvertretung kommen. Interessant auch, dass Großkanzleien wie Dorda manchmal selbst die Leistungen von Verbänden in Anspruch nehmen. „Manchmal lohnt es sich nicht, eigene Vertreter zu schicken“, so der Rechtsanwalt.

Denn die Gläubigerschutzverbände bieten ihre Dienste deutlich günstiger als Rechtsanwälte an. So bietet etwa die Creditreform ein sogenanntes „Insolvenzschutzpaket“ um 159 Euro an, wobei drei Insolvenzvertretungen kostenfrei sind. Der AKV verlangt aktuell 250 Euro Mitgliedsgebühr pro Jahr, Forderungen unter 3.000 Euro kosten nichts. Besondere Services gibt es für Jungunternehmer, die überhaupt drei Jahre lang gratis serviciert werden. Ähnlich handhabt es der KSV, wobei dieser heuer erstmals ein Erfolgshonorar von 20 Prozent vom Kunden einbehält. „Das hat den Preiskampf auf eine neue Ebene gehoben“, sagt Blantz vom AKV. Seither würden einige Kunden vom KSV zum AKV überwechseln, so Blantz. Denn in Österreich ist die Quote, die durchschnittlich erreicht wird, mit 42 Prozent europaweit sehr hoch. Heißt: Im Optimalfall bleibt beim Gläubigerschutz auch ein hübsches Erfolgshonorar hängen. Beim KSV begründet man die Gebührenordnung anders. „Das Modell soll unseren Kunden noch mehr entgegenkommen und Risiko von ihnen wegnehmen“, erläutert der KSV-Chef. Ob das letztlich höhere oder niedrigere Einnahmen für sein Haus bedeutet, könne er aber jetzt noch nicht sagen. „Aber“, so Vybiral, „auch wenn wir Gewinne schreiben, werden diese wieder investiert.“ Diese sollen in Finanzbildung, Jungunternehmerförderung und die Vertretung der Gläubiger gegenüber Medien oder Politik fließen. Die KSV Holding, in der diverse Leistungen des Vereins ausgelagert wurden, erzielte jedenfalls 2023 laut Konzernabschluss bei einem Umsatz von 47 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 1,5 Millionen Euro.

Erfolgsmodell

Millionen-Entlohnungen wie jene bei der Signa, die sich per Gesetz wiederum an der Entlohnung des Insolvenzverwalters orientieren, sind Ausreißer, bestätigen alle Beteiligten. „Bei einer Quote von null Prozent bekommen wir gar nichts und arbeiten de facto gemeinnützig“, erläutert Weinhofer. Und auch Insolvenzverwalterin Fruhstorfer meint: „Die meisten Belohnungsanträge, die von den Gläubigerschutzverbänden bei Gericht eingebracht werden, sind angemessen.“

So hart der Wettbewerb zwischen den Gläubigerschutzverbänden zu sein scheint, so einig ist man sich darin, dass das Institut des Gläubigerschutzverbandes ein sehr gutes ist. „Es wundert mich, warum es in keinem anderen Land eingeführt wird“, sagt Weinhofer. Auch Cornelia Wesenauer ist davon überzeugt, dass Österreich über ein „ausgezeichnetes Insolvenzrecht“ verfügt, das bei den aktuell stattfindenden EU-weiten Harmonisierungsbestrebungen mitberücksichtigt werden sollte. Ergänzend verweist sie auf die durchschnittliche Quote von 42 Prozent in heimischen Insolvenzverfahren, die verglichen etwa mit jener in Deutschland (unter fünf Prozent) sehr hoch ausfällt. Vybiral wiederum verweist auf das sehr „effiziente und faire System zwischen Schuldner und Gläubiger“.

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