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Ihr erstes Start-up hat Kimberly Ofori vor vielen Jahren in Spanien gegründet, als sie dort als Expat keinen Job finden konnte. Ihre Idee: eine Plattform, die Jobsuchende und offene Stellen in der Umgebung zusammenbringt. Das Jobportal wurde relativ schnell erfolgreich – und es folgte ein Exit an einen lokalen Arbeitsvermittler.
Ihr zweites Start-up gründete sie nach ihrem Umzug in die Niederlande. Dabei handelte es sich um ein soziales Netzwerk für afrikanische Unternehmer und Gründer, die sich für ein Leben im Ausland entschieden haben. Ein US-Investor kaufte Ofori später die Plattformtechnologie ab.
„Neben diesen Erfolgsgeschichten gibt es aber auch Start-ups, die ich gegründet habe und die gescheitert sind. Ich habe vieles ausprobiert, bevor ich wieder neu durchgestartet bin“, sagt Ofori, CEO der in den Niederlanden ansässigen Strategie- und Innovationsagentur Ofori & Company und viel gebuchte Rednerin über Frauenkarrieren in der nach wie vor männlichen dominierten Start-up-Szene.
Ihre nächste Reise wird Ofori nach Wien führen, wo sie im Rahmen des großen vom 27. Mai bis 3. Juni stattfindenden Start-up-Festivals ViennaUP auf der Female-Konferenz „Lead Today. Shape Tomorrow.“ über ihre Erfahrungen als weibliche Gründerin und Innovationsberaterin sprechen wird (Details siehe unten). „Es gibt immer noch zu wenige Frauen in der Start-up-Szene. Das müssen wir mit vereinten Kräften ändern“, sagt Ofori, die hofft, in Wien auf viele Gleichgesinnte zu treffen.
Von Frauen gegründete Unicorns.
Die Zahlen zeigen, wie weit der Weg zur Gleichstellung noch ist: Nach der 2019 veröffentlichten „Startup Heatmap“ liegt der Anteil der weiblichen Gründerinnen in Europa bei rund 16 Prozent. In Österreich sieht es in Sachen Diversität ähnlich aus. Hier wurden zuletzt rund zwei Drittel der Start-ups von Männern gegründet. Bei rund einem Viertel gab es gemischte Gründerteams, und nur jedes zehnte Start-up wurde von einer oder mehreren Frauen hochgezogen. „Männer haben eine Vielzahl von Rollenvorbildern, an denen sie sich orientieren können. Frauen fehlen diese Vorbilder – und das ist ein großes Hindernis, wenn es darum geht, mehr Frauen zum Gründen zu motivieren“, sagt Ofori.
Das beginnt sich zwar zu ändern, aber nur langsam: Nach einer aktuellen Studie des Female Founders Fund gab es 2021 mehr als viermal so viele von Frauen gegründete und geführte neue Unicorns wie ein Jahr zuvor. In Summe waren es 83 – denen aber 512 von Männern gegründete Unternehmen mit Unicorn-Status gegenüberstanden. Mit einer Bewertung von 40 Milliarden Dollar ist die australische von Melanie Perkins gegründete Designplattform Canva aktuell das wertvollste Frauen-Unicorn, das zuletzt auch in Österreich auf Einkaufstour ging und mit der Übernahme des auf künstliche Intelligenz spezialisierten Start-ups Kaleido einen der größten Deals in der hiesigen Szene abschloss.
Von dem vielen Geld, das aktuell in die Start-up-Szene fließt, profitieren Frauen zunehmend. So weist Pitchbook in einer aktuellen Erhebung eine Verdopplung des Risikokapitals aus, das im Vorjahr an weibliche Gründerinnen floss. Gleichzeitig ist aber reichlich Luft nach oben: Denn die Milliarden für Start-upperinnen machen nur rund zwei Prozent des gesamten Risikokapitals aus. „Frauen investieren in Frauen, wenn sie die finanziellen Möglichkeiten dazu haben“, ist Ofori überzeugt und ergänzt: „Wir müssen diesen Hebel für uns nutzen und mehr Frauen zu Investorinnen machen.“
Eine Einschätzung, die Deepali Nangia teilt. Die Mutter von zwei Kindern hat sich in Großbritannien als Investorin in von Frauen oder gemischten Teams gegründete Start-ups einen Namen gemacht. Ihr Portfolio besteht heute aus 30 Beteiligungen rund um die Themen Gesundheit, Bildung und Klimawandel. Ihrer Erfahrung nach bringen weibliche Investmentmanagerinnen ein anderes Verständnis für die speziellen Belange von Gründerinnen mit: „Mich muss man nicht erst überzeugen, dass man gleichzeitig eine Familie und ein eigenes Unternehmen haben kann. In Themen wie Frauengesundheit kann ich mich leichter reindenken, während männliche Investoren hier oft eine gewisse Scheu an den Tag legen“, sagt Nangia, die seit Anfang des Jahres als die zweite weibliche Partnerin beim Wiener Risikokapitalfonds Speedinvest agiert und dort das Thema weibliche Gründer noch stärker vorantreiben will.
Nicht nur bei Speedinvest, in der gesamten Risikokapitalszene ist die Geschlechterparität noch in weiter Ferne. „Quoten sind ein interessanter Ansatz, aber in der Szene nicht sehr beliebt“, sagt Nangia. „Aber um eines Tages Geschlechterparität zu erreichen, würde ein Instrument helfen, das sicherstellt, dass man bei Rekrutierungen, bei Besetzungen von Topjobs gezielt nach Frauen Ausschau hält“, sagt sie.
Frauenspezifische Angebote.
Der Anteil weiblicher Gründerinnen ist nach wie vor gering. Wenn Frauen gründen, dann oft im Bereich Green Tech. Hier gehört Jordanova, Co-Gründerin des Berliner Start-ups Plan A, zu den Vorzeige-Start-upperinnen. Plan A, spezialisiert auf softwaregestützte Kohlenstoffbilanzierung und Dekarbonisierung, beschäftigt 80 Mitarbeiter. Standorte gibt es in Paris und München, heuer soll Wien folgen. Jordanova konnte bisher rund 15 Millionen Dollar an Risikokapital einsammeln. Sie fordert: „Die Finanzierungsangebote sollten besser auf die Bedürfnisse und Ideen von Frauen zugeschnitten werden.“
Umdenken notwendig.
LubomilaJordanova weiß um die Herausforderungen, als weibliche Gründerin an Risikokapital zu kommen. „Ich habe Plan A zu einer Zeit gegründet, als der Kampf gegen den Klimawandel in der öffentlichen Diskussion noch eine untergeordnete Rolle spielte. Das machte es nicht unbedingt leichter, als Gründerin eines Green Techs für softwaregestützte Kohlenstoffbilanzierung und Dekarbonisierung an Risikokapital zu kommen“, sagt sie. Auch wenn es heute mehr Möglichkeiten gebe, zeige sich noch immer, dass Gründerinnen seltener Finanzierungen erhielten. Hier müsse dringend ein Umdenken stattfinden: „Frauen gründen anders als Männer, die Finanzierungsangebote sollten daher besser auf die Bedürfnisse und Ideen der Gründerinnen zugeschnitten werden“, fordert sie. Und den Gründerinnen könne sie aus eigener Erfahrung nur raten, ausdauernd und hartnäckig zu sein. „Für die eigene Idee einzustehen, ist in dieser Hinsicht der Weg zum Erfolg“, sagt Jordanova, die über ihre Erfahrungen auf der von der Wirtschaftsagentur Wien initiierten Start-up-Konferenz ViennaUP sprechen wird.
Die ViennaUP lockt ab Ende Mai eine Woche lang mehrere Tausend Start-upper, Investoren und Interessierte nach Wien, um ihnen das Start-up-Ökosystem in all seinen Facetten näherzubringen. Ein Schwerpunkt der heurigen Ausgabe liegt auf dem Thema Female. „Die starke Konzentration auf weibliche Gründerinnen und Investorinnen ist ein Alleinstellungsmerkmal. Das weiß ich sonst von keinem anderen Festival auf der ganzen Welt“, sagt Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien. Und Gabriele Tatzberger, Leiterin Startup Services der Wirtschaftsagentur Wien, ergänzt: „Wir können auf Frauen und ihre Sichtweise nicht verzichten. Deshalb ist es wichtig, dass Frauen als Unternehmerinnen die Wirtschaft mitgestalten. Und es ist auch richtig: Diverse Unternehmen sind nachhaltiger und wirtschaftlich erfolgreicher aufgestellt.“ Dabei sollen auch gezielte Frauenprogramme helfen: So stattet die Wirtschaftsagentur Wien Förderprojekte, die von einer Frau geleitet werden, mit zusätzlichen Mitteln aus.
Diversität.
Dem Thema Diversität hat sich Lisa-Marie Fassl verschrieben. Als Co-Gründerin der in Wien beheimateten und vor sechs Jahren gegründeten Plattform Female Founders will sie einen Beitrag leisten, dass die nach wie vor männlich dominierte Start-up-Szene weiblicher und diverser wird. Dafür bietet Female Founders verschiedene Programme an – vom Start-up-Accelerator „Grow F“ über das Leadership-Programm „Lead F“ bis hin zum Consulting. Die jährlich stattfindende Konferenz „Lead Today. Shape Tomorrow.“ findet heuer im Rahmen der ViennaUP statt und lockt im hybriden Format mehr als 2.000 Teilnehmerinnen an.
Wien als Female-Hub.
Das Thema Diversität ist auch ein großes Anliegen von Lisa-Marie Fassl, Co-Gründerin von Female Founders. Die in Wien vor sechs Jahren gegründete Organisation will Frauen dabei unterstützen, selbst zu gründen, erfolgreich Risikokapital einzusammeln oder als Managerinnen unternehmerischer zu denken. Mittlerweile erreicht Female Founders nach eigenen Angaben mehr als 46.000 Frauen in ganz Europa. Zum wichtigsten Event des Jahres, der hybrid stattfindenden Konferenz „Lead Today. Shape Tomorrow.“ im Rahmen der ViennaUP, erwartet Fassl mehr als 2.000 Teilnehmerinnen. Rund 350 von ihnen werden das Event vor Ort miterleben können.
Neben den Female Founders gibt es zahlreiche andere Organisationen in Wien, die sich der Förderung von weiblichen Gründerinnen verschrieben haben. Die starke Unterstützung in diesem Bereich hat der Donaumetropole sogar den Spitzenplatz in einem jüngst von „Startup Heatmap“ veröffentlichten Ranking eingebracht, wonach es in Wien den höchsten Anteil an frauenspezifischen Start-up-Events gibt.
Darauf will man nun aufbauen – und Wien zum Hub für Female Entrepreneurship machen. „Es gibt bis dato kein Thema, mit dem Wien als Start-up-Standort stark assoziiert wird. Durch die Ausrichtung auf Female Entrepreneurship können wir die internationale Sichtbarkeit des Standortes erhöhen“, ist die Start-up-Beauftragte Fassl überzeugt.
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VIENNAUP 22: Der Fokus liegt auf Frauen.
ViennaUP. Die dezentral organisierte und von der Wirtschaftsagentur Wien initiierte Start-up-Konferenz findet heuer vom 27. Mai bis 3. Juni in Wien statt. Das Thema Female bildet einen Schwerpunkt, zu dem zahlreiche Veranstaltungen von Programmpartnern als hybride Formate angeboten werden. Die Tickets für die einzelnen Events sind direkt über die Partner zu beziehen.
Lead Today. Shape Tomorrow. Die von Female Founders organisierte Konferenz gehört zu den Höhepunkten im Rahmen der ViennaUP. Vom 1. bis 2. Juni werden internationale Gründerinnen und Investorinnen wie Lubomila Jordanova von Plan A, Kimberly Ofori von Ofori & Company und Deepali Nangia von Speedinvest von ihren Erfahrungen berichten. Im Rahmen der Konferenz findet zudem ein Wettbewerb für frauengeführte Start-up statt. Mehr Infos und Tickets: leadtodayshapetmrw.org
Womentor. Das Frauennetzwerk beteiligt sich an der ViennaUP mit einem eigenen Programmtag rund um den Schwerpunkt „Collaboration versus Competition“. Am 31. Mai finden mehrere Workshops statt, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Infos und Tickets: womentor.at/collaboration-competition
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