Iris Ortner, geschäftsführende Gesellschafterin IGO Industries
©trend/Lukas IlgnerIris Ortner, Chefin des Anlagenbauers IGO Industries, im trend. Interview über die Herausforderungen in der Bauwirtschaft, die wachsende Bürokratie und warum ihr Vater mit bald 80 Jahren die Geschäfte immer noch gemeinsam mit ihr führt.
Manche Experten warnen vor einem Tsunami, der auf die Bauwirtschaft zukommt. Was spüren Sie davon?
Die Bauwirtschaft befindet sich sicher in einer Umbruchphase. Wenn die Konjunktur schwächelt, trifft es natürlich auch die Bauwirtschaft, wobei der Wohnungsbau und da wiederum der private Hausbau besonders betroffen ist. Der Bau hat aber mehrere Sektoren. Und als IGO sind wir mehrheitlich für Industrie und Gewerbekunden tätig und daher bisher weniger betroffen. Außerdem spürt die Bauindustrie Konjunktureinbrüche immer verzögert. Wer einmal seinen Kran aufgestellt hat, baut ihn so rasch nicht wieder ab, sondern versucht, sein Bauprojekt durchzuziehen. Was wir aber schon spüren, ist, dass sich die Auftragseingänge verlangsamen und die Dynamik eine Delle bekommt. Aufträge, die jetzt nicht reinkommen, werden uns in einigen Monaten, vielleicht erst Ende 2024, fehlen.
Wie groß ist diese Delle?
Im Wohnbau sprechen wir von dramatischen Rückgängen von teilweise bis zu 50 Prozent. In der Industrie, der Pharmaindustrie, der Mikroelektronik, dem Fahrzeugbau, wo wir sehr gut aufgestellt sind, wird aber glücklicherweise schon noch investiert. Wir haben volle Auftragsbücher. Da macht sich jetzt unser Fokus auf komplexe Großprojekte bezahlt. Aber Verzögerungen spürt man vereinzelt schon.
Wie viel Ihres Portfolios ist von dem Einbruch betroffen?
Im Wohnbau reden wir von einstelligen Prozentzahlen. Auch bei Bürogebäuden und Hotels läuft es nicht ganz rund. Derzeit ist der Großteil unseres Geschäfts von den Einbrüchen noch nicht berührt. Unser Schwerpunkt liegt auf Industriebauten und Infrastrukturprojekten wie Spitälern.
Ihre Kunden sind also auch weniger preissensibel als private Hausbauer?
Natürlich rechnen auch gewerbliche Bauentwickler sehr genau und verlangsamen ihre Entwicklungen. Aber gerade in der Industrie gibt es viele, die sagen: Wenn wir jetzt nicht investieren, leidet unsere Wettbewerbsfähigkeit. Oft reden wir hier von langjährigen Kunden, mit denen wir immer noch einen Weg gefunden haben, um gemeinsam Projekte zu realisieren.
Haben Sie noch mit Lieferengpässen zu kämpfen?
Vieles hat sich normalisiert, oder man hat sich einfach an neue Lieferzeiten gewöhnt. Wir waren jahrelang durch Just-in-Time-Lieferungen verwöhnt. Davon hat man sich verabschiedet. Hat man früher auf Geräte wie Transformatoren zwei Monate gewartet, wartet man jetzt bis zu einem Jahr. Das plant man in den Prozess mit ein.
Wenn Sie durch zurückgehende Auftragseingänge eine künftige Delle erkennen können, wie reagieren Sie darauf?
Unser traditioneller Familienzugang lautet: Immer hart am Wind den Aufträgen hinterher. Und das tun wir jetzt eben noch intensiver. Wir wachsen als Unternehmer mit der Sorge auf, was das Morgen bringt, egal, wie der Markt gerade aussieht. Man könnte sagen, wir sind immer in einer guten Spannung.
Sie hören sich eigentlich sehr optimistisch an, aber wie würden Sie die Stimmung in der Baubranche beschreiben?
Wir müssen als Gesamtwirtschaft schauen, dass wir die neuen Rahmenbedingungen mit höheren Energiekosten, ESG-Zertifizierungen und Digitalisierung erfolgreich managen.
Machen Sie sich Sorgen, dass Lieferanten von IGO verstärkt Pleite gehen?
Nicht mehr als sonst. Außerdem haben wir eine breite Lieferantenbasis. Aber es wird sicher Marktbereinigungen geben.
Dieser Tage haben ja die Lohnverhandlungen begonnen. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie diese Verhandlungen?
Ich denke, die Verhandlungen sind bei den Sozialpartnern in guten Händen. Ich verstehe, dass Arbeitnehmer bei der Inflation eine entsprechende Anpassung verlangen, auf der anderen Seite darf man halt nicht vergessen, dass wir auf einem Weltmarkt tätig sind und schauen müssen, dass wir unsere Produkte noch verkaufen können. Und ein Drittel der Betriebe in der Metallindustrie rechnet mit einem negativen Ergebnis. Das ist ein Alarmzeichen.
Themen wie Nachhaltigkeit betreffen auch die Baubranche immer stärker. Wie sehen Sie das?
Nachhaltig zu bauen, halte ich generell für wichtig. Gebäude werden immer ESG-konformer, das macht den Prozess aber auch bürokratischer und teurer. Energieeffizientes Bauen ist unser Kernthema, aber da muss sich vieles noch einschleifen.
Sie sind seit mehr als zehn Jahren in der Geschäftsführung von IGO tätig. Hat sich in der Zeit etwas beim Bürokratieabbau getan?
Ich habe eher das Gefühl, dass noch mehr dazugekommen ist. Bauen ist sicher nicht leichter und weniger bürokratisch geworden.
Auch wenn Sie der Wohnbau nicht so trifft, was halten Sie von der umstrittenen KIM-VO (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung)?
Ich halte es generell für wichtig, dass Ziele erreichbar sind. Die KIM-VO macht das Ziel, sich Wohnungseigentum zu schaffen, für viele Menschen unerreichbar. Hier dürfen wir die Balance nicht aus den Augen verlieren.
In Deutschland soll jetzt ein Paket für die Bauwirtschaft geschnürt werden. Braucht es das in Österreich auch?
Die Bauwirtschaft ist sehr personalintensiv und damit ein logischer politischer Hebel für öffentliche Investitionen. Ob man dieses Instrument jetzt schon einsetzen sollte, kann ich nicht beurteilen.
IGO ist ja auch an UBM beteiligt. Die Aktie ist aktuell sehr günstig. Ist Zukauf ein Thema?
Momentan sind wir mit unseren Beteiligungen sehr zufrieden. Zukäufe wären auch nur in Maßen möglich, der Streubesitz ist sehr gering.
Welche Akzente haben Sie an der Spitze der IGO-Gruppe gesetzt?
Mein Vater hat aus einem Tiroler Installationsbetrieb eine international tätige Industriegruppe gemacht. Meine Aufgabe ist es, aus den einzelnen Betrieben eine Einheit zu formen, sprich: nach Synergien zu bündeln und Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Ich möchte den Samen, den er gesät hat, zum Erblühen bringen. Da ist uns auch schon viel gelungen. Wir bieten vom Entwickeln über Planen bis zum Bauen den gesamten Wertschöpfungsprozess aus einer Hand. In der Digitalisierung sind wir ebenfalls führend. Wir jammern auch nicht über Fachkräftemangel, sondern bilden unsere Lehrlinge und Fachkräfte selbst aus. Das Thema Aus-und Weiterbildung ist mein Steckenpferd.
Ihr Vater ist mit fast 80 Jahren immer noch Co-Geschäftsführer. Warum?
Ich führe das operative Geschäft gemeinsam mit Finanzchef Paul Unterluggauer. Mein Vater ist Unternehmer mit Leib und Seele. Er kann es sich aussuchen, ob er etwas im Unternehmen tun will oder nicht. Es wäre sehr unklug von mir, auf 55 Jahre Erfahrung zu verzichten.
In vielen anderen Familienunternehmen läuft die Übergabe weniger amikal ab. Woran liegt das?
Ich glaube, wir haben einfach Glück miteinander. Das heißt nicht, dass es bei uns keine Reibungen gibt. Aber aus Reibung entsteht Energie.
Ihr Vater war Großspender für Sebastian Kurz. Wie ist Ihr Verhältnis zur Politik?
Mit Parteipolitik habe ich nichts am Hut. Aber ich möchte einen Beitrag zum Wirtschaftsstandort leisten. Nicht aus Langeweile, sondern weil ich etwas beizutragen habe. Darum engagiere ich mich auch in der Industriellenvereinigung und im Aufsichtsrat der Öbag. Und eine kompetente Frau mehr in einem Aufsichtsrat dürfte in diesem Land kein Fehler sein.
Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 29.09.2023 entnommen.