UNERMÜDLICHE TREIBER. Sonja Prodinger und Andreas Zotz forcieren als Nachhaltigkeitsbeauftragte die Umsetzung der ESG Kriterien bei der WienIT.
©WienITMotherboard for Mother Nature: PV-Anlagen für Rechenzentren, Wiederverwertung von Alt-Geräten, Förderung von Diversität und Barrierefreiheit – WienIT entwickelt sich schrittweise Richtung Nachhaltigkeit.
Rechenzentren, Datenräume und Drucker – als große Stromverbraucher gelten sie nicht gerade als Symbol für Nachhaltigkeit. Das muss aber kein Grund sein, um das Thema einen großen Bogen zu machen. Im Gegenteil: „Als IT-Unternehmen haben wir eine klare Verantwortung gegenüber der Umwelt und unserem Umfeld – und eben auch einen entsprechend großen Hebel für Verbesserungen“, betont Sonja Prodinger, gemeinsam mit Andreas Zotz verantwortlich für Nachhaltigkeit bei WienIT.
Hinter diesen sechs Buchstaben steht der IT-&-Business-Partner der Wiener- Stadtwerke-Gruppe. Beide große Nummern: Zu den Stadtwerken gehören unter anderem Wien Energie, Wiener Netze und die Wiener Linien, die Gruppe ist Nummer 13 im trend-Ranking der Top-100-Unternehmen Österreichs, noch vor Infineon und der Telekom Austria. Und WienIT ist der digitale Backbone des Konzerns, der sich um die digitale Infrastruktur kümmert (siehe Kasten rechts).
KONKRETE ROADMAP
Doch wer bei einem IT-Serviceprovider mit 650 Mitarbeitenden das Nachhaltigkeitsthema ernsthaft anpackt, dem springen gleich jede Menge Themen entgegen. Um sich angesichts der Vielfalt der Aspekte nicht zu zerfransen, haben Prodinger und Zotz eine Roadmap Richtung Klimawende erarbeitet und im April 2023 eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie gelauncht. Diese nennt neun Themen, in denen das Unternehmen einen wesentlichen Nachhaltigkeits-Impact leisten kann: Energie & Emissionen, Ressourcen & Kreislaufwirtschaft, Diversität, Mitarbeiter:innen-Zufriedenheit, Chancengleichheit & Inklusion, Lieferkette, Produkte & Services, Datenschutz & Cybersecurity, Kommunikation sowie Nachhaltigkeitsmanagement & ESGReporting. Daraus wurden 19 Ziele und insgesamt 70 Maßnahmen entwickelt.
„Um das Klimaziel zu erreichen, bis 2040 CO2-neutral zu sein, ist natürlich der Energieverbrauch ein wesentlicher Hebel“, sagt Andreas Zotz. Auf Dach und Fassade des Rechenzentrums wurden gemeinsam mit Wien Energie Photovoltaikmodule installiert, um einen Teil des Strombedarfs umweltfreundlich selbst zu erzeugen. Der größere Teil muss zwar immer noch zugekauft werden, aber auch hier wurde durch eine Änderung des Stromliefervertrages auf 100 Prozent österreichische Wasserkraft auf emissionsfreie Energieversorgung umgestellt. Allerdings: „Der für uns größte Handlungsbereich liegt im Einkauf und in der Beschaffung“, sagt Zotz. Der Abbau seltener Erden, die aufwendige Produktion von Mikrochips – vor dem ersten Einschalten eines neuen Rechners oder Servers hat das Gerät bereits 80 Prozent seiner CO2-Emissionen auf die Lebensdauer verbraucht. „Umso wichtiger ist es daher, genau zu überlegen, welche Geräte wo gekauft werden oder welche Software welche Ressourcen benötigt“, erläutert Zotz. Daraus ist inzwischen ein neuer Leitfaden für nachhaltige Beschaffung entstanden, der eben nicht nur Technik und Sicherheit berücksichtigt, sondern auch ökologische und soziale Aspekte.
ZWEITES LEBEN FÜR LAPTOPS.
Weitere. konkrete Maßnahmen sind ein Rahmenvertrag zur Wiederverwendung von ausgemusterten Firmenlaptops, PCs, Smartphones und Monitoren mit einem Refurbish-Anbieter, der die Geräte aufarbeitet und wieder in den Kreislauf zurückbringt. „Über 50 Prozent der ausgemusterten Geräte konnten so wieder genutzt werden“, freut sich Zotz. Ist das nicht möglich, werden sie fachgerecht entsorgt und wertvolle Rohstoffe gerettet.
Ständig werden Services digitalisiert, um Papier zu sparen und Abläufe effizienter zu gestalten. Das Motto des ESG-Teams: Motherboard for Mother Nature. Jüngstes Projekt: die emissionsfreie Zustellung von Dokumenten wie den Jahreskarten durch 25 Elektro-Lastenmopeds.
Klar ist bei WienIT aber auch: Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht auf Umwelt und Klima. „Wir orientieren uns an des ESG-Kriterien der EU zu Umwelt, Sozialem und verantwortungsvoller Unternehmensführung“, erläutert Sonja Prodinger. Was das konkret bedeutet: „Zum Beispiel bei Webseiten auf Barrierefreiheit zu achten“, sagt Prodinger, „das bezieht sich sowohl auf die Übersichtlichkeit als auch auf einfache Sprache.“ Dass das erfolgreich gelungen ist, zeigt die Auszeichnung der Single-Sign-on-Lösung der WienIT, die alle Kundenkonten der Wiener Stadtwerke vereint, mit dem WACA-Zertifikat für Barrierefreiheit in Silber durch den TÜV Austria.
Doch nicht alles lässt sich programmieren, manches Thema liegt tiefer. „Niemand soll sich im Unternehmen verstecken müssen, egal, welche sexuelle Orientierung er hat oder welche Lebensform sie bevorzugt“, sagt Prodinger. Heuer liegt der Fokus auf Awareness und dem Bewusstsein, das Vielfalt und Inklusion Teil des (Arbeits-)Lebens sind. Der Schlüssel dazu heißt Sensibilisierung.
In Diversity Talks, die gemeinsam mit der Plattform Pride Biz/Blickweisen gestaltet werden, stehen die Facetten der Vielfältigkeit im Fokus. Ein Stationenevent, in dem spielerisch verschiedene Diversitäts-Fragestellungen thematisiert werden, bindet speziell Führungskräfte ein, um hier einen Beitrag zu leisten.
Ein sichtbares Zeichen für mehr Vielfalt wird nicht nur im Büro gesetzt, sondern auch durch Engagement und Sponsoring beim Pride Run, „Queer in Tech“ oder bei den Eurogames, die heuer erstmals in Wien stattfanden.
Klingt gut, aber wie steht es um die Akzeptanz innerhalb des Unternehmens, wenn Prodinger und Zotz mit immer neuen Themen kommen, die den ohnehin komplexen Arbeitsalltag noch komplizierter machen? „Das Bewusstsein für diese Themen ist da, die Motivation zum Mitmachen groß“, weiß Sonja Prodinger. Das merke man an der Reaktion auf die regelmäßigen Sustainability-Talks wie zuletzt zu Green Coding oder Development & Substainable Operations, da gebe es „einen regelrechten Motivationsschub“.
VORGELEBTE VIELFALT.
Zudem gibt es ein klares Commitment der Geschäftsführung zu den ESG-Anliegen. Und das nicht nur auf dem Papier. Die Mitarbeiter:innen von WienIT kommen aus 25 verschiedenen Nationen, mehr als ein Drittel sind Frauen, die Zahl der Quereinsteiger:innen ist hoch, im Topmanagement beträgt der Frauenanteil fast 50 Prozent – ungewöhnlich für ein Tech-Unternehmen.
Und wie geht es jetzt weiter? Es läuft ein gemeinsames Forschungsprojekt mit der TU Wien, bei dem es darum geht, durch Datenanalyse den Energieverbrauch der zwei Rechenzentren zu optimieren. Dabei wird auch untersucht, welche IT-Jobs wann auf welchen Servern laufen und wie viel Energie diese brauchen. „Ziel ist es, die IT-Lasten in den Systemen gleichmäßiger zu verteilen, damit nicht alle Aufträge gleichzeitig laufen, und dadurch hohe Spitzen beim Energieverbrauch und Kühlbedarf entstehen“, erläutert Andreas Zotz.
Abseits der Technik geht die Sensibilisierung weiter. „Letztlich geht es darum, jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter zu motivieren und zu befähigen, im eigenen Verantwortungsbereich bewusst nachhaltig zu wirtschaften“, sagt Sonja Prodinger, „das ist ein Prozess, bei dem jeder Schritt zählt.“
AUF EINEN BLICK.
WIEN IT ist der IT-&-Businesspartner der Wiener Stadtwerke Gruppe (u. a. Wien Energie, Wiener Netze, Wiener Linien), mit knapp 17.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 6,2 Milliarden Euro eines der größten Infrastruktur-Unternehmen Österreichs. Die 650 Mitarbeitenden der WienIT betreuen die komplette IT-Infrastruktur der Gruppe von Datenbanken und Rechenzentren bis zu den Web-Auftritten, der Auswertung der Smart Meter und der Produktion der Öffi-Jahreskarten. Jährlich werden an die 500 IT-Projekte umgesetzt.