Sandra und Martin Pronnegg
©Katrin PainerKlein- und Mittelbetriebe zögern oftmals, künstliche Intelligenz einzusetzen. Ein Fehler, denn gerade Unternehmen mit begrenzten Ressourcen können mit diesem Potenzial große Produktivitätssprünge machen.
Um die künstliche Intelligenz haben sich zwei große Lager gebildet: Die einen verweigern sich dem Thema konsequent, die anderen probieren die KI aus und sehen, was sie im Tagesgeschäft damit tun können. Klar ist, die zweite Gruppe wächst. Allein der bekannteste Chatbot, ChatGPT, hat seine Nutzerzahlen seit November 2023 auf 200 Millionen weltweit verdoppelt.
In Österreich sind viele Unternehmer leider noch immer ratlos: Im August erst hatte die Wirtschaftskammer in einer EPU-Umfrage auch die KI-Nutzung abgetestet: Sieben von zehn Ein-Personen-Unternehmen gaben an, in naher Zukunft keinen Einsatz von KI-Tools zu planen. Und die, die damit arbeiten, bezeichneten „fehlende oder nicht ausreichende Expertise“ als größte Herausforderung. Das ist bedauerlich, denn gerade kleine Unternehmen, die kaum Personalressourcen haben, profitieren. Sandra Pronnegg aus Deutschlandsberg könnte sich mit den Erträgen ihrer Ölmühle noch keinen Mitarbeiter leisten. Dank der KI schafft sie mehr in kürzerer Zeit. Das Investment ist überschaubar: 20 Dollar pro Monat kostet der KI-Assistent und am Anfang etwas Einarbeitungszeit.
Nicht anders als in großen Unternehmen geht es bei Kleinfirmen darum, einen Plan zu entwickeln. Daran scheitern derzeit viele. Sie stehen vor einem Werkzeugkoffer, wissen aber nicht, wo die Baustellen sind. Christoph Becker, CEO beim IT-Trainingsinstitut ETC, kennt das Phänomen, etwa von den Schulungen für den KI-Assistenten Copilot von Microsoft: „Im Frühjahr saßen die Early Adopter in den Schulungen, es waren Tausende. Jetzt sind es noch immer Hunderte. Viele haben noch keine Idee, wie der Business Case aussieht.“ Er ist aber optimistisch, dass sich diese Orientierungslosigkeit auflösen wird, schlicht weil die Möglichkeiten vielversprechend sind: „Beim Mobile Working waren die Österreicher skeptisch, bei der Cloud waren sie es auch. Bei der KI ist das nicht der Fall. Da sind sich alle einig. Ja, das brauchen wir.“
Wer sich eine erste Orientierung verschafft und erste Schritte mit der KI gewagt hat, wird rasch auf immer neue Einsatzideen kommen. In diesen Pioniertagen lernen die Hersteller von KI-Werkzeugen genauso viel wie ihre Kunden und bringen laufend Funktionserweiterungen und Verbesserungen in ihre Produkte.
Büroturbo
Microsoft hat seinem KI-Assistenten Copilot Mitte September ein sehr großes Update namens „Wave 2“ spendiert und extrem spannende Optionen in Excel, Powerpoint & Co. eingebaut. „Wir haben das Feedback unserer Kunden eingearbeitet“, sagte Microsoft-CEO Satya Nadella anlässlich der Vorstellung von 700 Updates und 150 neuen Funktionen. Offensichtlich kommt der Microsoft 365 Copilot an: „Kein Produkt wurde schneller angenommen als dieses, und die Kunden kaufen immer weitere Lizenzen nach“, sagt Sadella.
Diese 30 Dollar pro Monat leistet sich auch die Wiener Agentur digitalwerk für ihre 27 Mitarbeitenden, die Kunden wie BYD, Hofer, Ruefa, Haus der Barmherzigkeit, Asfinag, Subaru und viele mehr betreut. Der Copilot wird dort sehr geschätzt: Er fasst blitzschnell Ausschreibungsunterlagen mit Hunderten Seiten zusammen, liefert auf Zuruf brauchbare Mailvorschläge und findet in der Sekunde die Letztversion einer Projektpräsentation. Creative Director Anna Benda: „Das ist eine sehr effiziente Hilfestellung, die einem ermöglicht, schnell und nahtlos in neue Projekte einzusteigen oder Fortschritte aufzuholen – und damit viel Recherchezeit spart.“ Aber, betont sie: „Ein kontrollierender menschlicher Blick auf die Sinnhaftigkeit von Formulierungen oder Ergebnissen ist ein Muss.“
Prüfender Blick
Die Erkenntnis, dass die Resultate der virtuellen Assistenten natürlich einen prüfenden Blick brauchen, haben alle Anwender gewonnen, auch das Bewusstsein für Datenschutz hat sich herumgesprochen. Ölmühlen-Besitzerin Sandra Pronnegg ist eine kritische Anwenderin: „Mir ist bewusst, dass ich die Ergebnisse hinterfragen muss. Und mit meinen Kundendaten füttere ich den Bot natürlich nicht.“
Die Unternehmerin traut sich mittlerweile, selbst mit bildgebenden KI-Programmen zu arbeiten. „Einen spontanen Flyer mache ich heute mit Canva. Für ein neues schönes Etikett gehe ich aber doch lieber zu meiner Marketingagentur“, sagt sie. Die Werkzeuge der künstlichen Intelligenz können viel und immer mehr. Aber nur wer sie selbst einsetzt, weiß, wo die technischen Grenzen liegen und welche Jobs in menschlicher Fachhand besser aufgehoben sind.
Ölmühle Pronnegg: Chatbot hilft bei Kreativarbeit und Informationsbeschaffung
Vor zwei Jahren hat das Ehepaar Pronnegg im steirischen Deutschlandsberg eine Ölmühle übernommen, der Vorbesitzer war in den Ruhestand gegangen. „Wir haben eine Landwirtschaft, und unser Wunsch war, alles aus eigener Hand zu machen“, sagt Sandra Pronnegg, „neben Ab-Hof-Verkauf und Präsenz auf Märkten betreiben wir auch einen Onlineshop.“ Sandra Pronnegg will neben den Einheimischen und Touristen auch neue Kunden von auswärts gewinnen: „Das geht nur über Social Media. Wenn man es gut machen will, ist das zeitaufwendig“, erzählt sie, die Buchhaltung, Marketing und Verkauf in Personalunion ist. Ihr Mann produziert das Öl und gemeinsam ziehen sie zwei noch kleine Kinder auf. „Wir sind als Unternehmen so klein, dass wir uns keine zusätzliche Arbeitskraft leisten können,
die uns Dinge abnehmen könnte“, sagt Pronnegg. Sie hat sich einen eigenen ChatGPT für ihre wichtigsten Kommunikationsbelange trainiert und macht mit ihm Newsletter, Social-Media-Geschichten und auch Auswertungen. Sie hat damit von Beginn eine massive Entlastung erreicht: „Früher habe ich für einen einzelnen Post allein eine halbe Stunde getextet. Das habe ich jetzt in nicht einmal zehn Minuten erledigt.“
Sie lässt sich von der KI aber nicht nur beim Texten „beraten“. Auch die Recherche zu Produkttrends – etwa was die Kunden gerade beschäftigt – gelingt Pronnegg viel schneller und sie kann diese Informationen in ihren Verkaufsgesprächen weitergeben, wie sie erzählt. Und für den Onlineversand in europäische Länder muss sie unterschiedliche Steuersätze für die Rechnungen berücksichtigen: „Natürlich weiß ChatGPT, wie hoch die Steuer auf Kürbiskernöl in Polen sein muss.“
Agentur digitalwerk: Generative KI ist wie ein „Junior“, der mitarbeitet
Die größte Wucht hat die KI vom Start weg in der Kreativbranche entfaltet. In der Wiener Agentur digitalwerk war das nicht anders. Alle Mitarbeitenden haben Premiumlizenzen für OpenAI und MS Copilot. „ChatGPT und Midjourney werden von uns selbstverständlich als virtuelle Sparringspartner genutzt“, erzählt Creative Director Anna Benda. „Das ist so, als hätte jeder von uns einen Junior an seiner Seite.“ Diese Werkzeuge bringen vor allem in der ersten Konzeptionsphase, in der früher etwa viel Zeit mit der Bildersuche verbracht wurde, enormen Zeitgewinn. „Für illustrierte Storyboards oder Layout-Konzepte, die dem Kunden eine erste Idee näherbringen sollen, haben wir früher viel Zeit aufwenden müssen“, sagt Art Director Raphael Berthold. „Diese Moods können wir heute mit ein paar Prompts mit der KI unmittelbar umsetzen.“
Kommt die Idee an, geht es in die Umsetzung mit Produktionspartnern wie Kameraleuten, Fotografen bis hin zu Set-Designern, und das traditionell im besten Sinne. „Es macht Sinn, automatisierbare Arbeitsschritte an die generative KI zu übergeben, damit uns mehr Zeit bleibt, uns auf das Wesentliche zu fokussieren: die Originalität der Idee“, sagt Berthold. „Das sind zum Beispiel Formatmutationen, Tonkorrekturen oder Untertitel. Auch beim Videoschnitt gibt es Abkürzungen durch die KI.“
Wichtige Lieferanten der Kreativbranche wie Adobe bauen immer mehr KI-Funktionen in die Produkte ein. Auch abseits der visuellen Gestaltung hat sich das Arbeiten durch die generative KI verändert. „Während man die KI brieft, entsteht im Kopf eine ganz eigene Klarheit“, erzählt Benda, „oft schon Lösungen. Das Arbeiten mit der KI ist wie ein Katalysator.“
Sporthotel alpin: KI-Assistent hilft im Marketing und übersetzt für arabische Gäste
Fassungslos und begeistert war Stefan Moritz nach dem KI-Tagesseminar von Manuela Machner, die sich als KI-Coach auf den Tourismus spezialisiert hat. „Natürlich hatte ich einiges über KI gehört“, erinnert sich der Betreiber des Sporthotels in Zell am See, „was das unserem Betrieb bringen könnte, davon hatte ich wirklich keine Idee.“ Tags darauf aktivierte er einen Premium-Account für ChatGPT und ein halbes Jahr später hat die Begeisterung keinen Deut abgenommen. Moritz hat sich seinen eigenen KI-Assistenten gebaut, den er mit den Daten zum Hotel, Geschichte und Angeboten trainiert hat. „Wir nutzen die KI für die Suchmaschinenoptimierung auf den unterschiedlichen Buchungsplattformen“, sagt er. „Für die Beschreibung von Angeboten wie Golf-Packages bekomme ich in weniger als einer Minute Textvorschläge, die ich für das Marketing nur mehr überarbeiten muss.“ Der Hotelier ist mit seiner Begeisterung nicht allein. „Ich weiß, dass viele meiner Branchenkollegen etwa ihre Speisekarten mit Leonardo.Ai machen. Ich hätte gern ein Beef Tatar mit etwas mehr Petersil dabei.“ Bestellt, gerechnet, erledigt.
Moritz hat noch andere Einsatzgebiete entdeckt: die Kommunikation mit arabischen Touristen über ChatGPT. „Ich sage ChatGPT am Telefon, was ich sagen möchte, und die arabische Audioübersetzung ist perfekt.“ Er spricht auf Englisch ein, „weil ChatGPT besser vom Englischen weg übersetzen kann.“ Vor wenigen Wochen hat er dasselbe mit einer koreanischen Reisegruppe ausprobiert. „Ich habe die Informationen von der mitreisenden Übersetzerin prüfen lassen. Die war extrem überrascht, weil die Übersetzung perfekt war.“ ChatGPT ist im Sporthotel Alpin zu einem Assistenten geworden, der „extrem viel Zeit spart“, freut sich Moritz.