von
Eigentlich wollte sie mit ihrem eigenen Fahrrad kommen. Doch ein aufziehendes Gewitter macht den Plan von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zunichte. Denn schließlich geht es bei dem Treffen am Rande des Praters nicht nur um reine Symbolik, sondern darum, gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft ein authentisches Zeichen für den Klimaschutz zu setzen.
Von dem gemeinsamen Radausflug in der grünen Lunge Wiens bleibt nur das Gruppenfoto mit Fahrrädern -und eine angeregte Diskussion zwischen Politik und Wirtschaft über Eigeninitiative und Regulierung, Leadership und Motivation, spinnerte Ökos und betriebswirtschaftliche Strategie.
Eingeladen zu dem nachhaltigen Gipfeltreffen der besonderen Art hat Andreas Tschas, Co-Gründer und CEO des Wiener Klimaschutz-Start-ups Glacier, das Unternehmen bei ihren grünen Aktivitäten unterstützt und deren Mitarbeiter auf Wunsch einschlägig ausbildet. "Für mich ist jeder Job ein Klimajob", begründet Tschas seine Initiative. "Es reicht nicht, wenn sich nur ein paar wenige Personen innerhalb einer Firma mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, es betrifft jeden Bereich - von der Entwicklung über Produktion und Verkauf bis zu Human Resources."
Das Bestreben von Glacier sei es, europaweit 100 Millionen Mitarbeiter in den Bereichen Nachhaltigkeit und Klimaschutz auszubilden: "Wir wollen zum Gigacorn werden, das ist das bessere Unicorn, mit dem Ziel, eine Gigatonne CO2 zu vermeiden."
Dafür bietet Glacier im Rahmen der Glacier Academy mehrere Ausbildungen an - vom Basiskurs für Blue-Collar-Worker bis zu den Master Classes, bei denen Experten das Know-how vermitteln, das nötig ist, um die Transformation in den Unternehmen voranzutreiben. Tschas: "Wir bauen gerade das größte Weiterbildungsprojekt im Klimabereich auf." Parallel dazu findet von 10. bis 14. Oktober die Climate Week statt, für die sich schon mehr als 200 Firmen angemeldet haben.
An einem Strang
Das Treffen von Klimaschutzministerin und CEOs im Vorfeld der Climate Week soll zeigen, welche Bedeutung das Thema Klimaschutz für alle Beteiligten hat. "Für mich ist das ein wichtiges Signal, dass Klimaschutz ein gemeinsames Anliegen ist, bei dem wir alle unsere Aufgabe und Verantwortung in unterschiedlichen Rollen haben", sagt Gewessler im Rahmen der Diskussionsrunde: "Die Zeit des polemischen ,Klima- und Umweltschutz ist nur etwas für spinnerte Ökos' ist endgültig vorbei. Wir werden das nur alle gemeinsam stemmen."
Robert Zadrazil, Vorstandsvorsitzender der UniCredit Bank Austria, die Foundingpartner von Glacier ist, kann das absolut bestätigen. Die Bank hat schon 2008, also lange bevor es Druck seitens Kunden oder Regulatorik gab, damit begonnen, den eigenen ökologischen Footprint zu verbessern, etwa im Rahmen des Klimaaktiv-Pakts, im Rahmen dessen sich elf Großbetriebe selbst verpflichtet haben, die Emissionen deutlich zu verringern.
"Für uns als einer der größten Kreditgeber im Land ist das Thema schon lange von strategischer Bedeutung, weil es wichtig ist, dass die Geldströme in klimaschonende Projekte gelenkt werden", so Zadrazil. "Darum machen wir auch gerne bei dieser Initiative mit, weil zusätzlich zu dem, was wir unseren Kunden bereits offerieren und intern in dieser Hinsicht machen, auch der Austausch mit anderen wichtig ist." Etwa im Rahmen der Connect-Events der Climate Week, die unternehmens- und branchenübergreifende Gespräche ermöglichen.
Geist aus der Flasche
Auch bei A1 ist ESG bereits seit Längerem Teil der Unternehmensstrategie. Als Vater zweier kleiner Kinder ist es Thomas Arnoldner, CEO der A1 Telekom Austria Group, besonders wichtig, alle Möglichkeiten zu nutzen, das Kerngeschäft möglichst nachhaltig zu betreiben. Seine Erfahrung ist, "dass die ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen immer kongruenter werden. Die Zielkonflikte lösen sich auf" - wobei, so wirft Zadrazil ein, in der Übergangsphase die Unterstützung der Politik notwendig sei.
Dass das Thema auch bei den Mitarbeitern immer stärker ankommt, merke Arnoldner an der Reaktion auf die vielfältigen Aktivitäten innerhalb des Konzerns: "Das ist, wie wenn man einen Geist aus der Flasche lässt. Die vielen positiven Reaktionen zeigen, wie wichtig das Thema für alle ist." Jetzt gehe es darum, "den Kulturwandel weiter voranzutreiben, Vorbehalte abzubauen und Expertise aufzubauen" - zum Beispiel, indem 100 Führungskräfte Schulungen bei Glacier absolvieren werden.
Der Hebel für Investitionen
Karin Fuhrmann, Partnerin des Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmens TPA Österreich, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit nachhaltigen Lösungen, vor allem im Energiebereich. "Wir wollen unseren Kunden die Angst vor der zunehmenden Regulatorik in diesem Bereich nehmen" - auch wenn Fuhrmann in Richtung Politik anmerkt, dass gerade, was die neue EU-Taxonomie betrifft, vieles noch Neuland sei: Während sonst Tausende Richtlinien Klarheit schaffen, stehe man da erst am Anfang, was die Sache nicht leichter mache.
Ein Punkt, den Gewessler aufgreift und meint: "Die EU-Taxonomie ist ein Riesenhebel, der einheitlich für alle regelt, was als echte grüne Investition gilt. Das wird einen großen Druck in Richtung nachhaltige Investitionen machen, auch für Reibung sorgen, aber vor allem Transparenz schaffen und Sicherheit geben. Mein Ziel ist es dabei, die Umsetzung möglichst praxisnah zu gestalten, sonst haben wir alle nichts davon."
Andreas Köttl, CEO von Value One, einem Entwickler und Betreiber von nachhaltigen Immobilien und Stadtquartieren wie dem Viertel Zwei in Wien, unterstreicht die Bedeutung der EU-Taxonomie. Nur so sei Nachhaltigkeit einheitlich messbar, wodurch Investitionen an Wert gewinnen: "Ich sitze hier, weil ich andere ermutigen möchte, dass Nachhaltigkeit auch ein Geschäftsmodell sein kann. Nachhaltigkeit bringt Geld. Wenn das alle verstanden haben, benötigen wir keinen Zwang mehr."
Einig sind sich alle Diskutanten, dass es, um die eigenen Mitarbeiter zu motivieren, in allen Bereichen ihrer Tätigkeit möglichst nachhaltig zu denken und zu agieren, "ein klares Bekenntnis von oben braucht, sonst wird es nicht funktionieren", wie Fuhrmann ausführt. Und das ist bei TPA gegeben. So wird das ESG-Team von TPA ganz bewusst vor dem Start der Climate Week in alle Bundesländer reisen, um die dortigen Mitarbeiter auf das Thema einzuschwören. Fuhrmann selbst stellt sich überdies auch als Vortragende für die Master Classes von Glacier zur Verfügung.
Auch Gewessler unterstützt die Initiative von Glacier gerne: "Um Klimaschutz in allen Bereichen vorantreiben zu können, braucht es Menschen in den Führungsebenen, die diese Strategie tragen, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Rücken stärken und ihnen Raum geben und sie inspirieren. Dabei ist Wissen und Know-how von besonderer Bedeutung. Andreas Tschas von Glacier ist da einer der großen Motivatoren, der für das Thema begeistern kann, einem die nötige Instrumente in die Hand gibt und vor allem nicht klein denkt, sondern sich und seinem Team sehr hohe Ziele steckt. Und genau das brauchen wir in der heutigen Zeit: Menschen, die groß denken und auch andere motivieren können."
Aktionswoche fürs Klima
Mitte Oktober steht für über 200 Unternehmen eine ganze Woche im Zeichen des Klimaschutzes.
KLIMASCHUTZ KONKRET. Das Start-up Glacier ruft vom 10. bis 14. Oktober zur Climate Week auf, einer Aktionswoche, in der Unternehmen die Möglichkeit haben, sich gemeinsam mit ihren Mitarbeitern mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, konkrete Maßnahmen umzusetzen und das Bewusstsein für den Klimaschutz zu schärfen.
"Klimaschutz wird zum Topthema und für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konkret und greifbar", beschreibt Glacier-CEO Tschas das Konzept: "Perfekt integrierbar in den regulären Arbeitsalltag warten spannende Speaker, klimafreundliche Aktivitäten und Events online, offline und in den teilnehmenden Unternehmen."
Neben Bank Austria, TPA, ServiceNow oder ProSiebenSat.1 Puls4 als Hauptpartner werden in der Woche über 200 Unternehmen wie Magenta, A1, ÖBB, Casinos Austria oder UBM ein Zeichen für den Klimaschutz setzen. Die Beschäftigten haben dabei die Möglichkeit, auf unterschiedliche Arten inspiriert zu werden: Topexperten wie die Primatologin Jane Goodall, ORF-Wettermann Marcus Wadsak oder die Aktivistin Heather Mills werden via Livestream informieren, und mit interaktiven Challenges, Workshops und Webinaren sollen die Teams motiviert werden, gemeinsam der Klimakrise entgegenzuwirken.
Anmeldung & Infos via Internert: glacier.eco