Helmut Bernkopf, Vorstand OeKB
©beigestelltKontrollbank-Vorstand HELMUT BERNKOPF über den neuen ESG Data Hub der OeKB, Gefahren für die Bonität von Unternehmen, Chancen durch die grüne Transformation und rückläufige Exporte.
Die EU verschärft weiter die ESG-Richtlinien für Unternehmen. Das betrifft eigentlich nicht das Geschäft der Oesterreichischen Kontrollbank. Warum beschäftigen Sie sich trotzdem damit?
Bis dato haben die Richtlinien in Österreich nur rund 100 börsennotierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen betroffen. Ab 2025 geht es schon in Richtung 1.400. Schrittweise werden sich Unternehmen in allen Größenordnungen damit befassen müssen. Auch wenn ein Betrieb keinen Nachhaltigkeitsbericht erstellen muss, hat er oft Kunden, die seine ESG-Daten brauchen. Aus diesem Grund haben wir einen ESG Data Hub neu entwickelt.
Der Unternehmen wie genau das Leben erleichtern soll?
Der Hub erleichtert ihnen zumindest die Beziehung zu den Banken. Die sind schon seit 2018 zu Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet und brauchen immer mehr Daten zur Dokumentation ihres Anteils an Green Assets und für ihre Risikoeinschätzung. Uns ist früh die Gefahr aufgefallen, dass sich da in Österreich wieder für jede Bank ein eigener Standard entwickeln könnte. Da haben wir als neutraler Finanzdienstleister der Banken die Chance für die Festlegung eines einheitlichen Standards gesehen. In den letzten 18 Monaten haben wir dann den Markt bearbeitet. Jetzt nutzen ca. 60 Prozent der Kreditwirtschaft unserem Hub, und rund 500 Unternehmen melden darüber ihre ESG-relevante Daten. Der Vorteil für sie: Auch wenn sie drei oder fünf Hausbanken haben, können alle darauf zugreifen. Und das Unternehmen bleibt Herr seiner Daten. Für Kreditinstitute ist das ebenfalls eine effiziente Lösung.
Kassiert die OeKKB von beiden Seiten eine Gebühr für diese Dienstleistung?
Derzeit zahlen nur die Banken, für Unternehmen ist die Plattform kostenlos. Wir wollen künftig aber auch zahlungspflichtige Features anbieten. Prinzipiell ist es wichtig, dass der Zugang sehr niederschwellig und ohne finanzielle Hürden funktioniert.
Inwieweit fließen diese ESG-Daten der Unternehmen in die Bonitäts- und Risikoprüfung durch die Banken ein - und irgendwann auch in die Kreditkonditionen?
In Zukunft wird das sicher der Fall sein. Derzeit befindet sich die Datensammlung erst in den Anfängen. Das ändert sich, wenn über kurz oder lang alle - vielleicht mit Ausnahme von Einzelunternehmern -melden müssen und nur noch der Umfang unterschiedlich ist. Bei uns müssen etwa Großunternehmen 90 Fragen beantworten, KMU nur zwischen 20 und 50. In absehbarer Zeit wird das bestimmt Auswirkungen auf die Bonität aller Kreditkunden und auf den Risikoappetit der Banken haben. Wer kein Reporting hat, könnte dann mit dem schlechtestmöglichen ESG-Rating belegt werden, was Kredite teurer macht.
Wird auch die OeKB ihre Konditionen für Garantien und die Förderungen von Exporten entsprechend anpassen?
Für unsere Garantien und Finanzierungen führen wir schon seit 20 Jahren Umwelt- und Sozialprüfungen durch. Wir können niemandem eine Bundeshaftung für ein Exportgeschäft geben, das vielleicht die Umwelt verpestet oder Kinderarbeit zulässt. Es sind schon einige Garantien nicht zustande gekommen, weil Standards nicht erfüllt wurden. Und es ist heute schon schwierig, Garantien anzubieten, wenn ein Projekt auf kein Kriterium wie z. B. Verringerung der Armut oder saubere Luft einzahlt.
Die OeKB vergibt aber auch Exportkredite und Haftungen Wie werden sich die ESG-Regeln darauf auswirken?
Bei den Konditionen wird sich nichts ändern. Wir setzen aber auf eine Reihe von Incentives für grüne Investitionen, die unsere Finanzierung unterm Strich günstiger machen. Und wir analysieren natürlich auch das Risiko des Geschäftsmodells.
Denn wer ausschließlich "braun" produziert, wird wahrscheinlich nicht mehr allzu lange im Markt bleiben - weil ihm z. B. Autokonzerne seine Produkte nicht mehr abnehmen. Ausgeschlossen sind bei für den Export relevanten Investitionsfinanzierungen und Haftungen nur Atomkraft, Waffen und neue Kohleprojekte.
In anderen Weltregionen gelten keine so strengen Regeln. Und sie sind den Kunden in vielen Zielländern für Exporte auch ziemlich egal. Schaden sie dadurch der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs?
Aus meiner Sicht sind die Risiken für den Standort deutlich geringer als die Chancen. Erstens: Knapp 80 Prozent der Exporte gehen nach Europa, weitere zehn Prozent in die USA. Der Exportanteil in Länder, wo diese Standards noch nicht so relevant sind, ist also überschaubar. Zweitens: Unsere Unternehmen sind sehr gut bei Zukunftstechnologien und werden darum immer gefragter. Wenn Konsumenten nur mehr Autos aus grünem Stahl wollen, profitieren Produzenten, die ihn bieten können. Ja, im Moment ist das mit hohem Aufwand verbunden -übrigens auch für Banken. Aber trotz der großen Herausforderung ist es noch viel gefährlicher, den Wandel und die Umstellung zu verschlafen.
Das Lamento der Unternehmen, dass neben hohen Energie- und Personalkosten der Mehraufwand für den Green Deal nicht mehr gestemmt werden kann, ist übertrieben?
Gefühlt ist die Belastung verständlicherweise im ersten Moment extrem lästig und mühsam. Ich glaube aber, dass Betriebe, die vorangehen, nachhaltig erfolgreicher sein werden. Das belegen auch Studien: Kurzfristig wären Unternehmen ohne Transformationskosten produktiver, aber mittelfristig dreht sich das massiv. Außerdem sind die bis 2030 in Österreich notwendigen Investitionen in Höhe von 145 Milliarden Euro in sich wertschöpfend und ein Konjunkturprogramm. Die gravierenderen Themen sind Fachkräftemangel und Energiekosten.
Lieferketten unterliegen ebenfalls den ESG-Kriterien. Wenn etwa ein besonders günstiger Lieferant aus einem Billiglohnland diesen nicht genügt und ein Unternehmen woanders teurer einkaufen muss, leidet doch die Konkurrenzfähigkeit, oder?
Bei für die EU bestimmten Produkten nicht zwingend, weil ein asiatischer Mitbewerber, der mit diesem Lieferanten arbeitet, seine Waren ja auch nicht mehr in Europa vertreiben darf. Das muss und wird man durch Zölle bzw. Steuern bei der Einfuhr sicherstellen. Richtig ist, dass die Übergangsphase schwierig und enorm komplex ist. Das will ich gar nicht schönreden.
Die Lage für die erfolgsverwöhnte österreichische Exportwirtschaft ist aktuell nicht rosig. Wie fällt Ihr Ausblick aus?
Wir sind zweistellige Wachstumsraten gewohnt, da sind die gegenüber 2022 leicht rückläufigen Exporte, die wir jetzt erleben, schon ein Rückschlag. Nach der milden Rezession heuer erwartet die OeKB das nächste Jahr verhalten besser, mit einem Plus unter einem Prozent. Aber man darf jetzt auch nicht nur pessimistisch sein.
Wir sehen eine durchaus gute Nachfrage nach Investitionen für die grüne Transformation. Auch das Geschäft der OeKB wird nicht einbrechen, wir planen eine Seitwärtsbewegung.
Und: Wir können eine antizyklische Rolle für die Wirtschaft spielen. Wenn die Risiken und die Insolvenzen steigen, erhöht sich der Bedarf der Exporteure nach unseren Garantie- und Absicherungsprodukten, die stabilisierend wirken. Wahrscheinlich gilt das auch für unsere Liquiditätsprodukte.
Letztere hätte z. B. die Signa Gruppe gut brauchen können …
Wir machen aber keine Immobilienfinanzierung.
Das Interview ist aus trend. PREMIUM vom 7.12.2023.