Strabag Österreich-Vorständin Annette Scheckmann
©trend Lukas IlgnerFür das Jobangebot als Vorständin erbat sie sich Bedenkzeit: Annette Scheckmann, die erste Frau im Topmanagement des Baukonzerns Strabag in Österreich, agiert nach dem Motto: Hart in der Sache, weich zu den Menschen.
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Auftritte wie dieser machen Scheckmann Spaß. Sie ist entspannt, lacht viel und freut sich, dass es ihr als Managerin gelingt, die Jugendlichen in ihren Lebenswelten zu erreichen und für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren.
Bis 2040 will der Baukonzern Strabag klimaneutral werden. Dafür muss jeder Mitarbeitende etwas tun. Scheckmann selbst hat ihren Lebensstil schon teilweise umgestellt, fährt mit dem Zug zu den Olympischen Spielen nach Paris, verbringt den Familienurlaub in Österreich und kauft elektronische Geräte gebraucht. Nur nach Ibiza zum Management Retreat ist sie dann doch geflogen.
Seit Jänner 2023 ist Scheckmann Mitglied im vierköpfigen Vorstand des größten Baukonzerns in Österreich, Strabag AG, mit einem Umsatz von 2,8 Milliarden Euro und 9.400 Mitarbeitern. Die 48-jährige ist die erste Frau in dieser Position. Zusammen mit einem Kollegen verantwortet sie die kaufmännischen Angelegenheiten und darüber hinaus die Themen People & Culture, Compliance und Nachhaltigkeit. „Ich bin sehr positiv aufgenommen worden. Meine Kollegen haben mich auch nicht wie ein Alien behandelt. Aber natürlich muss man seine Rolle erst finden, wenn man irgendwo neu hinkommt. Und das ist für keinen einfach“, sagt die Managerin, die sich genau überlegt hat, welches Puzzleteil im Vorstand sie sein will. Als ihr Credo nennt sie: „Hart in der Sache, weich zu den Menschen“.
Die Bauwirtschaft in Österreich steckt weiterhin tief in der Krise. Für die beiden Bereiche, für die das Management in der Strabag AG zuständig ist, zeichnet sich eine zweigeteilte Entwicklung ab: „Während der Hochbau auch 2025 noch herausfordernd bleiben wird, ist die Ausschreibungslage im Verkehrswege-Neubau relativ konstant. Aber es gibt einen ausgeprägten Preiskampf“, sagt Scheckmann und ergänzt: „Wir bemühen uns, die Auswirkungen auf unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen so gering wie möglich zu halten.“ So wurden österreichische Kollegen bereits auf deutschen Baustellen untergebracht.
Mit dem Eiswagen aus dem Stimmungstief
Scheckmann ist eine Quereinsteigerin mit internationaler Erfahrung, kann einen wichtigen Sanierungserfolg vorweisen, teilt ihre Führungserfahrungen mit mehr als 6.200 Followern auf LinkedIn und trägt auch mal Jeans und Turnschuhe im Job, wenn das besser zum Event passt als ein Business-Dress. Und sie fällt in der eher nüchternen Baubranche durch ihr herzhaften Lachen auf. Dass sie heute so auftritt, wie sie wirklich ist, war ein Lernprozess. Zu Beginn ihrer Karriere ging es eher darum, die toughe Business-Frau zu sein. Ehrgeizig und zielstrebig war sie aber schon immer.
Geboren in Nysa in Polen zog Scheckmann im Kleinkindalter mit ihren Eltern, einer Sachbearbeiterin und einem Elektriker, nach Deutschland. Es folgten Banklehre, Studium zur Diplomkauffrau und erste Auslandserfahrungen in China und Polen für Bosch und die Wiener Städtische. „Schon zu Beginn meiner Karriere hatte ich sehr viele Freiräume. Und das ist etwas, was ich seitdem immer wieder gesucht habe: Gestaltungsspielräume zu haben, um Dinge neu und anders machen zu dürfen.“
2008 wechselte sie dann in die Baubranche, stellte aber bereits beim Vorstellungsgespräch klar, dass sie nur zwei Jahre bei der Strabag bleibe, weil ihr dann wahrscheinlich zu langweilig würde.
Doch es kam anders: Von Polen aus baute Scheckmann für den Konzern einen neuen Unternehmensbereich auf, wechselte dann in eine Zentraleinheit und reiste viel herum, bevor sie dann ab 2017 die Sanierung des deutschen Spezialtiefbauunternehmens Züblin in Stuttgart übernahm und erfolgreich umsetzte.
Eine wichtige Karriereetappe, gleich in mehrfacher Hinsicht: für die Sichtbarkeit, als Performancenachweis und für ihre persönliche Entwicklung. „Ich habe in dieser Zeit gelernt, dass mein Humor, mein Optimismus ansteckend sind und dass ich meine positive Art gezielt einsetzen kann, um Menschen mitzunehmen“, sagt sie. Ein solche Situation gab es etwa bei der Züblin, als die Stimmung dort vor einigen Jahren in Folge der Sanierung am Tiefpunkt war. Da mietete Scheckmann, die damalige Chefin, kurzerhand einen kleinen Eiswagen und fuhr damit von Bürotür zu Bürotür, um zu signalisieren: Schaut, die Ergebnisse sind zwar schlecht, aber solange die Geschäftsführung noch lachen und Eis verkaufen kann, geht es irgendwie weiter.
„Viele Männer hätten sofort Ja gesagt“
Die Spezialtiefbau-Tochter schaffte die Transformation – und die Managerin stand vor dem nächsten Karriereschritt. Im Mai 2022 wurde sie vom Strabag SE-Vorstand Alfred Watzl gefragt, ob sie sich vorstellen könne, Vorständin der Strabag AG zu werden. „Meine erste Antwort war: Lassen sie mich darüber nachdenken. Und ich glaube, das hat ihn überrascht. Viele Männer hätten wahrscheinlich sofort Ja gesagt“, erzählt sie. Das tat sie dann auch nach einigen Tagen.
Ihre Bestellung zur ersten Vorständin fiel innerhalb der Organisation positiv auf, sie erhielt zahlreiche Mails von Mitarbeiterinnen, die ihr gratulierten und sie bestärkten. „Da merkt man erst, dass man anscheinend ein Role-Model für einige ist“, sagt Scheckmann. Daraus ergaben sich dann weitere Aufgaben, wie Keynotes zu halten und zu Netzwerkveranstaltungen zu gehen. Solche Einladungen nehme sie gerne an, weil sie es wichtig finde, Frauen in ihrem Weg zu bestärken, erzählt sie.
Sie selbst erhält Bestärkung von anderen Managerinnen wie Stefanie Winkler-Schloffer (Campaigning Büro), Lisa-Marie Fassl (Female Founders) oder Sabine Gromer (Gründerin), mit denen sie heuer spontan im Sommer zum Management Retreat nach Ibiza geflogen ist – und diese Erfahrung später auf LinkedIn geteilt hat. Da findet sich auch ein Foto mit ihrer Tochter beim Coldplay-Konzert. Wenn diese im September ihren zehnten Geburtstag feiert, ist der Kuchen von Scheckmann selbst gebacken. Denn Backen ist eine ihrer großen Leidenschaften, mit denen sie sich Ausgleich vom Job verschafft. Die zweite ist Joggen. Aber ein Laufband fürs Büro, wie es andere Managerinnen haben, findet sie zwar toll, aber noch kommt sie ohne eines aus.