Trend Logo

Billa-Chef Marcel Haraszti: "Preise sind kein Thema mehr"

Subressort
Aktualisiert

REWE International CEO Marcel Haraszti

©LUKAS ILGNER
  1. home
  2. Aktuell
  3. Unternehmen

Billa-Chef Marcel Haraszti erklärt im trend-Interview die steigende Inflation in den Rewe-Supermärkten für beendet und will mit „Billa To Go“ ein neues Shopformat für maximalen Kundenservice ausrollen. Darüber hinaus legt er sich beim neuen EU-Renaturierungsgesetz und mit der Forderung nach einem schnellen Aus für Vollspaltenböden in der Schweinehaltung mit der Landwirtschaft an.

von

trend

Bisher war die Rewe-Stiftung „Blühendes Österreich“ eher ein Marketingvehikel. Nun hat man sich allerdings weit für das neue EU-Renaturierungsgesetz aus dem Fenster gelehnt, gegen den erklärten Willen von ÖVP und Landwirtschaft. Das klingt fast nach einer Retourkutsche für so manche Politiker und Bauernvertreter, die die Supermärkte in jüngster Vergangenheit oft und gerne als Inflationstreiber hinstellt haben. Stimmt der Eindruck?

Marcel Haraszti

Ich will diese politische Dimension der Vorgänge gar nicht bewerten. Fix ist nur, wir machen das, worüber jetzt bei der Renaturierungsverordnung geredet wird, einfach schon lange von selbst. Wir sichern tausend Hektar an Flächen, die einen Beitrag für Biodiversität leisten, und haben die letzten Jahre auch zweieinhalb Millionen Euro dafür investiert. Das wollen wir jetzt verdoppeln.

trend

Aber wieso rufen Sie dann nach EU-Vorgaben? Wenn Unternehmen wie Billa das ohnehin schon die ganze Zeit machen, braucht es die vielleicht gar nicht?

Marcel Haraszti

Ich kann jetzt nicht beurteilen, ob dieses Gesetz vielleicht nicht andere doch dazu bringt, Flächen zu erhalten, die für Biodiversität wichtig sind. Aber zugegeben, es ist eine zutiefst österreichische Frage: Muss man alles reglementieren oder macht man es nicht ohnehin aus tiefster Überzeugung oder zumindest geschäftlicher Notwendigkeit? Und ob die EU mit ihrer Regulierungsbürokratie wirklich in alle Bereiche so tief eingreifen muss, ist schon sehr fragwürdig. Da werden immer neue Vorgaben erfunden, obwohl die vorhergehenden noch nicht einmal umgesetzt werden konnten. Ich kann jedenfalls nur sagen, dass wir mit Renaturierung schon vor Jahren begonnen haben und somit Vorreiter sind in Österreich.

trend

Aber je höher die Naturschutzauflagen und je aufwendiger die Renaturierung – angeblich sind 80 Prozent der Fläche geschädigt –, desto teurer wird die Agrarfläche und damit auch die Lebensmittel. Ist es nicht keck, just aus Ihrer Position als Händler hier eine Verschärfung einzufordern?

Marcel Haraszti

Es ist ja immer die Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Landwirtschaft braucht genug Flächen für die Versorgungssicherheit. Auf der anderen Seite müssen wir auf ein ökologisches Gleichgewicht schauen, auch das ist essenziell für uns.

trend

Das Gleiche gilt für das Reizthema Tierhaltung. Billa setzt sich für ein möglichst rasches Verbot der Vollspaltenböden in der Schweinemast ein. Auch das verteuert natürlich die Produkte im Supermarkt.

Marcel Haraszti

Vollspaltenböden sind unzeitgemäß und entsprechen nicht mehr den Anforderungen der Gesellschaft an eine verantwortungsvolle Tierhaltung. Wir wollen eine Systemänderung in der Schweinezucht voranzutreiben und setzen mit unseren Tierwohlprogrammen Standards, die über jenen des Gesetzgebers hinausgehen. Das sind substanzielle Verbesserungen, die wir den landwirtschaftlichen Betrieben auch entsprechend abgelten. Das kostet dann ein bisschen mehr, aber wir merken, dass die Kunden bereit sind, diesen Mehrwert auch abzugelten.

trend

Bis die Regeln zu Renaturierung oder Vollspaltenböden wirklich greifen und die Produkte wirklich teurer machen, dauert es jedenfalls eine Weile. Was wird denn kurzfristig die Preisentwicklung im Supermarkt bestimmen?

Marcel Haraszti

Die Preisentwicklung im Supermarkt als Thema ist grundsätzlich gegessen. Bei einer Inflation von 3,4 Prozent liegt der Lebensmittelhandel aktuell bei nur 2,8 Prozent, im Mai sind zumindest wir als Rewe bald bei einer Nullinflation. Und wir reden jetzt noch immer darüber? Wir haben massiv gegengesteuert, Hunderte Artikel preisgesenkt, die Aktionen massiv erhöht. Wir haben allein bei Billa 850 Artikel auf Discount-Preisniveau.

Blurred image background

Marktanteile im Lebensmitteleinzelhandel 2023

 © trend
trend

In Summe scheint eine Normalisierung aber noch in weiter Ferne, wenn man etwa die Inflation des Miniwarenkorbs der Statistik Austria für die täglichen Einkäufe anschaut.

Marcel Haraszti

Erstens sind bei dem Miniwarenkorb auch andere Produkte dabei als Lebensmittel. Und zweitens sind die Rahmenbedingungen immer noch äußerst herausfordernd. Auch wenn wir einen Peak im Jahr 2022 hatten, liegen etwa die Energiekosten für uns aktuell noch immer um 50 Prozent höher, als sie es 2020 waren. 50 Prozent höher! Bei den Spritpreisen ist es ähnlich. Was das bei unserer Lkw-Flotte von 360 Dieselfahrzeugen bedeutet, können Sie sich vorstellen. Zusätzlich müssen wir einen KV-Abschluss von bis zu 9,2 Prozent verkraften, das ist ein dreistelliger Millionenbetrag mehr an Lohnkosten. Und auch das neue Plastikpfand kostet in der Vorbereitung hohe zweistellige Millionenbeträge.

trend

Zumindest dafür gibt es eine Entschädigung.

Marcel Haraszti

Ob die unseren Aufwand abdeckt, wird sich weisen. Wir haben als Teil der international tätigen Rewe-Gruppe den Vorteil, dass wir auch auf europäische Erfahrungen zurückgreifen können, wie der Handlingprozess optimal gestaltet werden muss. Brauchst du einen oder zwei Rückgabeautomaten, wie läuft das ab, damit es keinen Stau gibt, nichts schmutzig wird oder ausrinnt und so weiter. Der Kundenlauf muss schon auch umgedacht werden, aber wir gehen davon aus, dass es funktionieren wird.

trend

Die Getränkeindustrie ist nicht sehr begeistert von dem neuen System, das Flaschenpfand summiert sich übers Jahr immerhin auf 700 bis 800 Millionen Euro, um die die Plastikgebinde teurer werden.

Marcel Haraszti

Also ich würde eher sagen, das ist Jammern auf hohem Niveau. Die Industrielobby in Österreich ist traditionell sehr laut und gut organisiert und findet mehr Gehör als notwendig. Auf der anderen Seite werden wir als Händler immer eher als Proletariat der Wirtschaft gesehen, obwohl wir die größten Arbeitgeber des Landes sind. Also würde ich sagen, die Lebensmittelindustrie sollte nicht nur klagen, sondern sich mehr um Innovationen kümmern. Dann hätte sie wahrscheinlich auch bessere Chancen gegenüber unseren Eigenmarken.

trend

Der Lebensmittelhandel ist tatsächlich oft im Visier von Politik oder Lobbyingorganisationen, und dennoch hat die Wettbewerbsbehörde Ihre Branche zuletzt vom Vorwurf freigesprochen, dass man sich in der Corona-Zeit ein Körberlgeld verdient hat. Sind Sie zufrieden?

Marcel Haraszti

Man muss sich auch vor Augen halten, welche Einflüsse der Weltmarkt auf Produkte wie Schokolade, Orangensaft oder Olivenöl hat. Wenn es aufgrund von Extremwetter zwischen Dürreperioden, Starkregen oder Überflutungen zu einer Verknappung des Kakaoangebots in den Anbauländern wie Elfenbeinküste oder Ghana kommt, verschärft das die Preissituation bei uns.

trend

Dafür beklagt die BWB einen Österreicher-Aufschlag der Lebensmittelhersteller, also ihrer Lieferanten.

Marcel Haraszti

Das ist ein wichtiger Punkt bei den internationalen Konsumgüterriesen. Das ist schlicht eine Diskriminierung der österreichischen Kunden. Auch ist ganz klar: Wir fordern ein Verbot dieser unfairen Praktik territorialer Lieferbeschränkungen der Industrie auf EU-Ebene.

trend

Die Wettbewerbsbehörde hat aber auch vorgeschlagen, eine Preisvergleichsplattform für stärkeren Wettbewerb im Lebensmittelhandel zu installieren. Ist daraus etwas geworden?

Marcel Haraszti

Für uns war die Transparenz nie das Problem. Unsere Preise sind überall vergleichbar, und wie der BWB-Bericht zeigte, funktioniert der Wettbewerb. Besser übrigens mit nur vier oder fünf großen Playern am Markt, die mit Argusaugen auf jeden Mitbewerber schauen und unverzüglich reagieren müssen.

trend

Wenn ich Sie richtig verstehe, hat sich die Preisentwicklung im Supermarkt also etwas beruhigt. Wissen das Ihre Kunden auch? Hat sich deren Einkaufsverhalten situationsgemäß auch stabilisiert?

Marcel Haraszti

Nach Corona hatte sich da ja so einiges verändert. Also ich glaube, es ist eine Lebensaufgabe, dass man die Kunden zufrieden macht, da gibt es immer Luft nach oben. Aber wir sehen ja auch, das Kundenverhalten hat sich geändert. Die Leute greifen mehr zum Preiseinstieg. Das ist ein ganz klarer Trend. Unsere Preiseinstiegsmarke Clever ist 2023 um 27 Prozent gewachsen. Das ist schon sehr, sehr viel. Und natürlich greifen sie mehr zu Aktionen, die wir auch ausgebaut haben.

trend

Hat dafür der Absatz von teureren Qualitätsprodukten gelitten?

Marcel Haraszti

Nein, das ist ja das Spannende, es gibt keinen Monotrend, sondern viele Trends gleichzeitig. So ist etwa unsere vegane Eigenmarke Vegavita 2023 um 17 Prozent gestiegen, auch unsere Tierwohlprodukte boomen. Oder nehmen wir Bio: Wir sind ja Pionier mit Ja! Natürlich, zusätzlich haben wir vor zwei Jahren Billa-Bio eingeführt, und gemeinsam haben die Marken den Bioanteil bei Billa auf zwölf Prozent gepuscht, das ist fast doppelt so viel wie in Deutschland.

Blurred image background

MARCEL HARASZTI zur verlorenen Poleposition am Markt: „Von irgendeiner Position bei einer Marktanteilsberechnung im Promillebereich kann sich kein Kunde etwas kaufen.“

 © LUKAS ILGNER
trend

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für Ihre weitere Strategie?

Marcel Haraszti

Erstens bauen wir unsere Eigenmarken weiter aus. Wir haben jetzt schon einen Anteil von 32 Prozent und sehen, dass es noch weiteres Potenzial gibt. Wir können so viel schneller und flexibler reagieren. Das Kundenverhalten wird immer individueller, und wir brauchen mehr Konzepte, um darauf reagieren zu können. So werden wir übrigens neben Billa Corso und Billa Plus mit Billa To Go ein neues Shopformat testen, ein Kleinformat mit vielen Selfscan-Kassen und den Schwerpunkten Convenience und Sofortverzehr. Damit sind wir schon sehr flexibel.

trend

Und dann organisiert Billa ja mittlerweile unter ganz unterschiedlichen Konstellationen die Belieferung der Shops von gleich vier Tankstellenketten in Österreich, Shell, BP, Jet und OMV. Das zählt wohl auch zu innovativem Shopformat?

Marcel Haraszti

Mit gutem Grund, unsere Stärke ist, dass wir aufgrund der genossenschaftlichen Organisation der Muttergesellschaft in Deutschland ein partnerschaftliches Denken haben. Wir liefern für jede Kette ein eigenes Convenience-Konzept mit ganz unterschiedlichen Kooperationsgraden von der Konzepterstellung bis zur Vollversorgung. Das differenziert uns von Mitbewerbern, und wir sehen an der Umsatzgenerierung, warum der Mineralölhandel gerne mit uns zusammenarbeitet.

Blurred image background

AUSWEITUNG DER BILLA-ZONE. Vor zwei Jahren wurde die Marke Merkur zugunsten Billa Plus eingestampft. Damit wurde der Weg frei, um die Brand zu erweitern. Neuerdings mit Convenience-Stores (Billa To Go) und selbstständigen Kaufleute-Läden.

 © ROBERT HARSON (3), KARL MICHALSK
trend

Das Ziel, wieder Nummer eins am Markt zu werden, ist also noch am Plan? Auch wenn sich der Abstand zu Marktführer Spar eher vergrößert hat? Laut aktuellen Marktforschungszahlen liegen die Kollegen mit fast drei Prozentpunkten vorne.

Marcel Haraszti

Wir wollen Nummer eins beim Kunden werden, das ist ein Unterschied, und den messen wir regelmäßig durch unsere Kundenbefragungen.

trend

Das ist aber nur eine interne Messlatte die nicht veröffentlicht wird.

Marcel Haraszti

Um das Ziel zu erreichen, haben wir schon 2019 etwa den Jö-Club gegründet, das größte Kundenbindungsprogramm Österreichs mit 4,6 Millionen Karteninhabern. Dann haben wir 2020 Merkur und Billa unter einem Markendach zusammengeführt, unseren Vertrieb und lokalen Einkauf in sieben Regionen aufgeteilt, die sehr nahe am Kunden sind. So viele regionale Artikel, wie wir die letzten zwei Jahre eingelistet haben, haben wir die fünf Jahre davor nicht in den Regalen gehabt. Und außerdem wollen wir das neue Kaufleute-System massiv ausbauen, bis 2026 haben wir 100 eigenständige Kaufleute, die unter dem Namen Billa ihr eigenes Geschäft führen.

trend

Was bringt das?

Marcel Haraszti

Kaufleute wissen genau, was die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden in der Umgebung sind. Sie kennen ihre Gemeinde perfekt und sind involviert, sie sind Teil der Gemeinde. Sie können unsere Konzepte natürlich an ihre Umgebung anpassen, Kooperationen eingehen und noch mehr lokale Produkte einlisten.

trend

Eigenständige Kaufleute wissen das alles besser als angestellte Marktmanager?

Marcel Haraszti

Wir alle sind der tiefsten Überzeugung, dass wir noch näher zum Kunden rücken müssen. Wir haben es bereits von einer sehr zentralistischen, ostlastigen Zentralorganisation in eine föderale Organisation geschafft. Und von da schaffen wir mit den Kaufleuten jetzt wirklich eine lokale Organisation. Das ist aus meiner Sicht einer der großen Gamechanger in den nächsten Jahren.

trend

Der Flächenwettkampf der vergangenen Jahre ist gar kein Thema mehr?

Marcel Haraszti

Wir müssen in Zukunft bei der Standortentwicklung viel klüger vorgehen. Es geht sehr stark um die Modernisierung, um die Ökologisierung. Aber wir machen sicher keinen Flächenausbau um jeden Preis. Das hatten wir in der Vergangenheit, da war das so irgendwie der Sport im österreichischen Handel.

trend

Immerhin hat Ihr Mitbewerber Spar damit vor ein paar Jahren die Poleposition erobert.

Marcel Haraszti

Das sollte man genauer analysieren. Wir haben 2023 61 Märkte geschlossen und 31 eröffnet und damit in Summe 12.000 Quadratmeter weniger Verkaufsfläche, ein Flächenrückgang von 1,5 Prozent. Bei steigenden Erträgen hatten wir damit aber auch die beste Flächenleistung, die der Konzern je hatte, wir sind plötzlich rentabler und können mehr in den Umbau, in die Eigenmarken, in die Preise und vor allem in die Kundenorientierung investieren, darum geht es. Von irgendeiner Position bei einer Marktanteilsberechnung im Promillebereich kann sich kein Kunde etwas kaufen.

Zur Person

© beigestellt

Steckbrief

Marcel Haraszti

Beruf
Vorstand REWE International AG
Beschreibung

Marcel Haraszti, geboren im September 1975, ist seit 2016 Vorstand der REWE International AG. Er begann seine Laufbahn in der REWE Group 2001 und wechselte nach einer Station als Vorstandsassistent in Österreich 2004 in die Geschäftsleitung von BILLA Ukraine. Von 2007 bis 2008 war Marcel Haraszti CEO bei BILLA Rumänien. Danach wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsführung des Handelskonzerns IKI in Litauen berufen. Im Jahr 2012 trat Haraszti in die Geschäftsleitung von REWE Vollsortiment in Deutschland ein und verantwortete dort die Region Süd.

In der REWE International AG obliegen ihm die Verantwortungsbereiche BILLA, BIPA, BIPA Kroatien, ADEG, jö Bonus Club und Unternehmenskommunikation

Das Interview mit REWE-International-CEO Marcel Haraszti ist der trend. PREMIUM-Ausgabe vom 12. Juli 2024 entnommen.
Zur Magazin-Vorschau: Die aktuelle trend. Ausgabe
Zum trend. Abo-Shop

Über die Autoren

Logo
Jetzt trend. ab € 14,60 im Monat abonnieren!
Ähnliche Artikel