Margarete Schramböck zieht es nach Saudi Arabien
©Roland MühlangerEx-Ministerin MARGARETE SCHRAMBÖCK dockte bei Aramco, dem reichsten Konzern der Welt, an. Im trend-Exklusiv-Interview spricht sie über ihr Faible für Saudi-Arabien, wo sie nun eine Firma gründet.
Sie sind als Österreicherin neu im Board der saudi-arabischen Aramco Digital. Was tun Sie dort konkret?
Ich habe eine Position zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, beide Gremien bilden gemeinsam das Board. Kick-off war im Frühjahr 2023. Jetzt wird das Unternehmen zu einer vollen Digitaltochter des Ölkonzerns Aramco ausgebaut, die mehrere Ziele verfolgt: erstens, eigene IT-Entwicklungen weltweit marktfähig zu machen und Betrieben anzubieten, etwa KI für Energieunternehmen, Industrieautomatisierung und Cybersecurity. Ein wichtiger Faktor ist zweitens die Digitalisierung der saudischen Wirtschaft. Und drittens: Talente aufbauen. Da bringe ich mich ebenso ein wie bei der "Vision 2030".
Sind Sie nur tageweise in Saudi-Arabien, oder ist das eher ein Fulltime-Job?
Hängt davon ab, ob wichtige Entscheidungen anstehen. Ich habe noch mein Beratungsunternehmen in Österreich und gründe jetzt eines in Saudi-Arabien. Ich helfe Firmen aus der ganzen Welt, diesen rasch wachsenden Markt gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch besser zu verstehen und dort Fuß zu fassen. Ein stabiles Netzwerk ist da genauso wichtig wie in Österreich. Ich arbeite mit Infrastruktur-, Industrie- und Digitalunternehmen, aber auch in Sparten wie E-Sports und Kultur. Ich habe z. B. die Drone Champions League ins Land gebracht.
Klingt danach, dass Sie häufig vor Ort sind. Haben Sie auch einen Wohnsitz?
Ich verbringe sicher mehr als 50 Prozent meiner Zeit dort und schaue mich gerade nach einem Wohnsitz um.
Wie sind Sie ausgerechnet auf Saudi-Arabien gekommen?
Schon als Ministerin bin ich durch diverse Gespräche mit dem Land in Kontakt gekommen. Saudi-Arabien ist einer der weltweit interessantesten Märkte, gerade für Digitalisierungsprojekte. Ein nur fünfeinhalb Stunden entfernter Zielmarkt für europäische Unternehmen aller Art. Deswegen sind viele auf mich zugekommen.
Wie weit sind die Bemühungen der Saudis, unabhängiger vom Ölgeschäft zu werden?
Unter der "Vision 2030" des Kronprinzen ist ein großer Transformationsprozess im Gange. Dazu gehört, neben Aramco auch andere, im Mittleren Osten und global führende Unternehmen zu etablieren. Das passiert schon alles: Ein eigenes E-Auto namens CEER wird entwickelt, eine Schiffswerft errichtet, Industriezonen mit verschiedenen Schwerpunkten wie Automotive, Logistik oder Pharma aufgebaut. Dazu Schwerpunkte in Tourismus, Sport, Kultur.
Tourismus? Will man Urlaub machen, wo einen Sittenwächter beobachten?
Die sind gar kein Thema mehr, man kann sich völlig frei bewegen. Frauen können alleine reisen, Paare werden im Hotel nicht mehr gefragt, ob sie verheiratet sind. Ein Visum dauert online 20 Minuten. Und die Menschen sind sehr gastfreundlich. Jeder sollte jetzt hinfahren: Weltkulturstätten wie al-'Ula besuchen oder das Red Sea Project, wo Hotels in bislang unberührter Natur entstehen.
Sie erlebten als westliche Frau nie einen Kulturschock?
Es war für mich sehr überraschend, diese Freiheit dort zu genießen – auch was Kleidung betrifft. Die saudischen Frauen gehen jetzt abends auch aus. 34 Prozent von ihnen arbeiten bereits – innerhalb kürzester Zeit und auch in hochqualifizierten Jobs. Es gibt Vizeministerinnen, Botschafterinnen, Astronautinnen. Firmen müssen jetzt beweisen, dass sie Frauen fördern.
Die Menschenrechtslage ist jedoch immer noch eine sehr bedenkliche. Kann man dieses Faktum ausblenden?
Das sind unterschiedliche Ebenen. Natürlich wird das in Europa politisch diskutiert. Aber wer wirtschaftlich kooperiert, hat eine Basis, miteinander zu reden. Wir sollten nicht immer einseitig die Menschenrechte sehen, sondern auch den großen Fortschritt bei Frauenrechten.
Es gibt extrem harte Strafen bis hin zu Todesurteilen, auch wenn jemand nur gegen das Königshaus auftritt?
Das kann ich nicht beurteilen. Aber wenn Europa darauf besteht, nur mit denen zu reden, die Demokratien in unserem Sinn sind, werden da nicht so viele übrig bleiben.
Reden soll man mit allen, aber soll man auch Geschäfte machen?
Geschäftlicher Austausch ist die Voraussetzung, um Vertrauen aufzubauen. Ein wesentlicher Schritt z. B. ist die vollkommene Erneuerung des Gesellschaftsrechts, um Unternehmen Rechtssicherheit zu geben. Die Politik muss ihre Themen regeln, und die Wirtschaft macht ihre Dinge.
Gibt es in der saudi-arabischen Wirtschaft und Gesellschaft ein Bewusstsein, dass der globale CO2-Ausstoß drastisch verringert werden muss? Oder ist das egal?
75 Prozent der Bevölkerung sind unter 35, für die ist das sehr wohl ein großes Thema. In der Strategie des Staats spielt die Ökologisierung eine wesentliche Rolle. Die größte Wasserstoffproduktion der Welt, die gerade in Bau ist, wird zuerst mit Gas betrieben, später auf erneuerbare Energien umgestellt. Auch bei den Investments der Aramco ist Klimaschutz ein zentraler Faktor: Da sind ganz viele Start-ups dabei, die hierfür Lösungen entwickeln.
Die Saudis sind gerade dem BRICS-Staatenbündnis beigetreten, das sich explizit gegen die Dominanz des Westens richtet. Sieht sich Riad auch als Gegenspieler Europas?
Die BRICS-Staaten wollen eine Rolle in der Welt spielen. Europa sollte sich darum aktiver positionieren, um nicht zwischen den USA, China und diesen aufstrebenden Nationen aufgerieben zu werden. Es herrscht aber in Saudi-Arabien keine antiwestliche Stimmung. Das empfinde ich überhaupt nicht so. Und Österreich hat bei den Saudis sowieso einen Stein im Brett. Sie kommen gerne nach Zell am See, Salzburg oder Wien.
Kennen Sie den mächtigen Kronprinzen persönlich?
Kennen ist übertrieben, aber ich habe schon mit ihm gesprochen. Er ist eine Führungspersönlichkeit mit einer klaren Vorstellung, wohin er will. Jedes Kindergartenkind kennt die "Vision 2030". Dadurch ist ein für alle spürbarer Aufbruch im Land entstanden. Eine andere Dynamik als manchmal in westlichen Demokratien.
Zur Person:
Margarete Schramböck (1970) war ab 2002 Geschäftsführerin von NextiraOne und dann im Vorstand der A1 Telekom Austria. Von 2018 bis 2022 war Schramböck unter Kanzler Kurz Wirtschaftsministerin. Jetzt hat sie ihren beruflichen Schwerpunkt nach Saudi-Arabien verlagert.
Das Interview ist in der trend. PREMIUM Ausgabe vom 08.09. 2023 erschienen.