Adrian Wons, CEO von Senken
©Hannes Thun"Unternehmen, die sich frühzeitig für Nachhaltigkeit engagieren und innovative Lösungen entwickeln, werden langfristig wettbewerbsfähig bleiben", sagt Adrian Wons, CEO des ClimateTech-Startups Senken.
Können Sie uns einen kurzen Überblick darüber geben, wie sich das Konzept der Nachhaltigkeit in den letzten Jahren in der Unternehmenswelt entwickelt hat?
Früher wurde Nachhaltigkeit hauptsächlich aus der Marketingperspektive betrachtet, oft im Rahmen von Corporate Social Responsibility. Heutzutage sehen wir jedoch, dass Nachhaltigkeit zunehmend aus den Risikoabteilungen der Unternehmen heraus angegangen wird. Das führt nicht nur zu einem höheren Budget für nachhaltige Maßnahmen, sondern auch zu einer Integration auf höheren Ebenen innerhalb der Unternehmensleitung, wie beispielsweise durch einen Chief Risk Officer oder sogar den CFO. Diese Verschiebung ist auf den Einfluss von Nachhaltigkeit auf das Tagesgeschäft zurückzuführen. Unternehmen wie z.B. Volkswagen können strenge Nachhaltigkeitsanforderungen an ihre Zulieferer stellen, was zu einer höheren Priorisierung und Integration von Nachhaltigkeit führt. Zusätzlich sehen wir vermehrt die Schaffung neuer Positionen wie den Chief Sustainability Officer.
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit heute für die strategische Ausrichtung von Unternehmen, und welche Rolle spielt sie bei der Entscheidungsfindung auf höchster Ebene?
Nachhaltigkeit ist heutzutage von entscheidender Bedeutung für die strategische Ausrichtung von Unternehmen, insbesondere in Deutschland aufgrund der Vielzahl von Branchen mit einem hohen ökologischen Fußabdruck, wie Maschinenbau oder Chemie. In den kommenden Jahren wird Nachhaltigkeit einen immer größeren Einfluss auf strategische Entscheidungen und die Entscheidungsfindung auf höchster Ebene haben. Besonders zentral ist die Berücksichtigung, wie Unternehmensentscheidungen die Kunden beeinflussen. Im B2C sehen wir, dass Kunden immer mehr zu Marken tendieren, die ein nachhaltiges Image haben. Im B2B würde ich nochmal ein Beispiel mit Volkswagen skizzieren: VW wählt seine Zulieferer basierend auf deren Nachhaltigkeitsbemühungen aus, was einen direkten Einfluss auf deren Geschäftsabschlüsse haben kann.
Unternehmen müssen sich zunehmend darauf konzentrieren, ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und gleichzeitig sicherstellen, dass ihre Geschäftsentscheidungen mit den sich verändernden Umweltanforderungen im Einklang stehen.
Welche Schritte sollten Unternehmen Ihrer Meinung nach zuerst unternehmen, um eine effektive Klimaschutzstrategie zu implementieren und wie können sie dabei sicherstellen, dass diese Maßnahmen mit ihren Geschäftszielen übereinstimmen?
Zunächst sollten Unternehmen sicherstellen, dass die Ressourcen für ihre Klimaschutzstrategie von der obersten Unternehmensebene abgestimmt sind. Das betrifft nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch die Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitern. Eine enge Verbindung zwischen der Geschäftsleitung und der Klimaschutz -Abteilung ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Klimaschutzmaßnahmen mit den übergeordneten Geschäftszielen übereinstimmen. Des Weiteren ist eine umfassende Status quo-Analyse erforderlich, um die aktuellen Umweltauswirkungen des Unternehmens zu verstehen und erste Maßnahmen zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks zu identifizieren. Das erfordert oft die Einbindung von spezialisierten Personal, insbesondere in größeren Unternehmen.
Welche Kennzahlen und Indikatoren werden typischerweise verwendet, um die Nachhaltigkeit in Unternehmen zu messen und zu bewerten?
Die wichtigste Kennzahlen zur Messung der Nachhaltigkeit in Unternehmen ist die Menge der CO2-Emissionen, die oft in verschiedene Kategorien (Scopes 1, 2 und 3) unterteilt werden. Obwohl sich diese Indikatoren im Laufe der Zeit ändern können, bleiben die Scopes ein gängiges Mittel zur Messung des ökologischen Fußabdrucks eines Unternehmens.
Zur Erläuterung: Scope 1: Direkte Emissionen aus Produktion etc.
Scope 2: Emissionen durch Verwendung der Energie, z.B. Strom. Scope 3: Alle Emissionen, die indirekt sind, z.B. Zulieferer.
Können Sie Beispiele für innovative Ansätze oder Technologien nennen, die Unternehmen nutzen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?
Da würde ich ein Beispiel aus der Baubranche nennen. Gebäude machen einen erheblichen Anteil der weltweiten Emissionen aus. Im Bau und dann in ihrer Nutzung. Ich kenne ein Verfahren, in dem CO2 in Zement gespeichert wird. Dieser Zement wird dann zum Bau genutzt.
Durch solche innovativen Technologien können Gebäude theoretisch zu negativen Emissionen beitragen, indem sie mehr CO2 absorbieren, als bei ihrer Herstellung und Nutzung freigesetzt wird.
Wie können sich Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen eigentlich langfristig auf die finanzielle Leistung eines Unternehmens auswirken?
Angesichts der steigenden Bedeutung von Netto-Null-Zielen und des wachsenden regulatorischen Drucks sind Unternehmen gezwungen, in nachhaltige Praktiken zu investieren, um ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Durch die Reduzierung von Emissionen und die frühzeitige Anpassung an sich ändernde Umweltauflagen können Unternehmen Kosten senken und Risiken minimieren. Darüber hinaus können sie von neuen Marktchancen profitieren und das Vertrauen der Verbraucher und Investoren gewinnen, was langfristig zu einer gestärkten finanziellen Position führen kann.
Welche Hauptprobleme und Risiken begegnen Unternehmen, wenn sie versuchen, nachhaltiger zu werden?
Das Hauptproblem bei der Umsetzung nachhaltiger Praktiken ist oft der Mangel an Bildung und Bewusstsein innerhalb der Unternehmen. Die Notwendigkeit einer umfassenden Schulung und Weiterbildung im Bereich Nachhaltigkeit wird oft vernachlässigt, was häufig mit einer geringeren Akzeptanz und Umsetzung einhergeht. Das liegt auch daran, dass in den letzten Jahren viel in die digitale Transformation investiert wurde. Auch ein wichtiger Schritt, aber ohne die nachhaltige Transformation gibt es kein Morgen.
Darüber hinaus ist eine klare Kommunikation der Unternehmensentscheidungen und -ziele auf allen Ebenen erforderlich, um das Engagement aller Mitarbeiter zu gewinnen. Es ist wichtig, dass alle Mitarbeiter verstehen, warum bestimmte Änderungen vorgenommen werden und wie sie dazu beitragen können, nachhaltige Praktiken umzusetzen.
Wie beeinflussen staatliche Vorschriften und internationale Abkommen die Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen?
Die Auswirkungen variieren je nach Branche und Unternehmensgröße. Unternehmen in stark regulierten Branchen wie der Schifffahrt oder der Energieerzeugung sind bereits frühzeitig durch staatliche Vorschriften wie den europäischen Emissionshandel (EU-ETS) beeinflusst worden. Diese Vorschriften zwingen Unternehmen dazu, ihre Emissionen zu reduzieren und tragen somit zur Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien bei. Zusätzlich werden neue gesetzliche Anforderungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dazu führen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen verstärken müssen, um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden.
Inwieweit beeinflusst das wachsende Interesse von Investoren an nachhaltigen Praktiken die Unternehmenspolitik und -strategie?
Das steigende Interesse hat einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik und -strategie. Immer mehr Investoren berücksichtigen Faktoren der Nachhaltigkeit bei ihren Anlageentscheidungen und setzen sich für nachhaltigere Unternehmenspraktiken ein. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen und transparent über ihre ESG-Leistung berichten, können dadurch das Vertrauen der Investoren gewinnen und langfristige Partnerschaften aufbauen. Investoren üben auch Druck auf Unternehmen aus, indem sie beispielsweise Anforderungen hinsichtlich der Reduzierung von CO2-Emissionen oder der Einhaltung internationaler Umweltstandards stellen. Denn: Die Scope 3 Emissionen des Portfolios eines Investors sind nun mal alle Emissionen seiner Unternehmen. Die Unternehmen müssen ihre Ziele erreichen, damit der Investor seine erreichen kann.
Wie wichtig ist das Engagement der Mitarbeiter:innen für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen, und wie können Unternehmen dies fördern?
Mitarbeiter spielen eine wichtige Rolle bei der Identifizierung und Umsetzung von nachhaltigen Praktiken im Arbeitsalltag. Unternehmen können das Engagement ihrer Mitarbeiter fördern, indem sie ihnen klare Ziele und Richtlinien zur Nachhaltigkeit bereitstellen, Schulungen und Weiterbildungen anbieten und Anreize für umweltfreundliches Verhalten schaffen. Darüber hinaus ist eine offene Kommunikation und Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse entscheidend, um ihr Engagement und ihre Motivation zu steigern.
Welche langfristigen Auswirkungen kann ein starker Fokus auf Nachhaltigkeit auf ein Unternehmen und seine Stakeholder haben?
Unternehmen, die sich frühzeitig für nachhaltige Praktiken engagieren, können langfristig von niedrigeren Kosten, einem verbesserten Markenimage und einem besseren Zugang zu Kapital und Märkten profitieren. Darüber hinaus können sie das Vertrauen und die Loyalität ihrer Kunden und Mitarbeiter stärken und langfristige Partnerschaften mit Lieferanten und Investoren aufbauen.
Können Sie einige Beispiele für Best Practices in der Unternehmensnachhaltigkeit nennen und erklären, warum diese erfolgreich sind?
Ich denke, die Erstellung eines Online-Hubs oder Informationszugangs für alle Mitarbeiter, der klare Ziele und Richtlinien zur Nachhaltigkeit bereitstellt und transparent über den Stand dieser Ziele berichtet, ist überall sinnvoll. Eine regelmäßige Kommunikation und Einbindung der Mitarbeiter sowie die transparente Berichterstattung über Nachhaltigkeitsfortschritte sind entscheidend für den Erfolg solcher Initiativen. Darüber hinaus können Unternehmen durch den Ausgleich von unvermeidbaren Emissionen durch den Kauf qualitativer Zertifikate ihre Umweltbilanz verbessern und das Vertrauen ihrer Stakeholder stärken.
Wie sehen Sie die Zukunft der unternehmerischen Nachhaltigkeit, und welche Trends sollten Unternehmen im Auge behalten?
Unternehmen müssen sich zunehmend auf neue gesetzliche Anforderungen und regulatorische Vorschriften vorbereiten, die den Druck auf nachhaltige Praktiken erhöhen werden. Darüber hinaus sollten Unternehmen die Verfügbarkeit und Kosten von Ressourcen für ihre Nachhaltigkeitsstrategien im Auge behalten und frühzeitig Pläne und Strategien in der Schublade haben, um ihre ökologischen Fußabdrücke zu reduzieren und sich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten. Unternehmen, die sich frühzeitig für Nachhaltigkeit engagieren und innovative Lösungen entwickeln, werden langfristig wettbewerbsfähig bleiben und von den Chancen profitieren, die eine nachhaltige Wirtschaft bietet.
Zur Person
Adrian Wons ist CEO und Co-Founder von Senken. Hinter dem ClimateTech-Startup steckt eine digitale Plattform für den Kauf- und Handel von Carbon Credits.