NADJA SWAROVSKI, Gesellschafterin und Ex-Vorständin vom Tiroler Swarovski-Konzern - hier bei der Auszeichnung mit dem World Woman Hero Award in Davos.
©beigestelltIm Tiroler Kristallreich Swarovski gärt es auch nach der Machtübernahme noch gewaltig, wie das Interview mit Nadja Swarovski, Gesellschafterin und Ex-Vorständin, zeigt. Die Managerin kritisiert unter anderem den Ausfall der Dividenden und verfehlte Personalpolitik.
Ihnen wurde küzlich in Davos der World Woman Hero Award überreicht. Wofür genau haben Sie ihn bekommen?
Der Award wird von der World Woman Foundation verliehen, die über 15.000 Mitglieder in 20 Ländern hat und es sich nicht nur zum Ziel gesetzt hat, die Gleichstellung voranzutreiben, sondern auch die jüngere Generation zu inspirieren, sich als Kraft für eine florierende Wirtschaft zu etablieren. Ich habe den Award für meine Arbeit bei Swarovski für Gleichstellung, Nachhaltigkeit und Innovation bekommen. Als erste Frau im Vorstand von Swarovski habe ich mich sehr für die Sache der Frauen engagiert, was durch die Zusammenarbeit mit der UN unterstützt wurde. Durch Gründung der Abteilung für Nachhaltigkeit war es möglich, umwelt- und klimafreundlicher zu agieren und zu produzieren. Die UNSDGs (United Nations Sustainable Development Goals) waren dabei ein guter Leitfaden zur positiven Weiterentwicklung des Unternehmens von Gleichberechtigungsthemen bis zur sauberen Produktion. Innovation war der Treiber vieler Projekte und Produkte wie zum Beispiel der "created diamond"-Kollektion von Atelier Swarovski oder der reaktiven Kristall-LEDs auf Kleidern oder in Lustern von Swarovski Crystal Palace.
Was bedeutet Ihnen so eine Auszeichnung?
Es ist eine große Ehre, dass meine jahrelange Arbeit anerkannt wird.
Umso trauriger ist es, dass Sie diesen Weg bei Swarovski nicht mehr fortsetzen können ...
Lassen Sie es mich so sagen: Ich habe den Weg für Frauen bei Swarovski geebnet und engagiere mich jetzt in anderen Projekten.
Auf welche Leistung in Ihrem beruflichen Leben sind Sie besonders stolz?
Sehr stolz bin ich auf mein internationales Team von ungefähr 200 Leuten in New York, Los Angeles, London, Paris, Milan, Zürich, Wien, Wattens, Dubai, Hongkong, Singapur und Seoul und dessen Motivation und wirkungsvolle Arbeit. Ich bin stolz auf die gute und symbiotische Zusammenarbeit, etwa mit internationalen Designern, Architekten oder Künstlern. Diese Kooperationen haben den Medien- und Markenwert von Swarovski signifikant erhöht. Die Nachhaltigkeitsabteilung und die Foundation zu etablieren, war für mich von großer Bedeutung, da diese die Werte meines Urgroßvaters Daniel Swarovski und meiner Vorfahren reflektieren und Swarovski auf die richtige Weise positionieren.
Sie haben viele Jahre den Swarovski-Konzern geleitet und sind noch immer Gesellschafterin. Wie zufrieden sind Sie jetzt mit der Performance?
Ich war 26 Jahre im Unternehmen, elf davon im Vorstand. Das neue Management versucht, Standardprodukte stärker im Luxussegment als in den letzten Jahrzehnten zu positionieren. Hoffentlich wird diese Strategie aufgehen. Im Moment sind die Gesellschafter sehr enttäuscht, dass in den letzten drei Jahren keine Dividende ausgezahlt wurde und es voraussichtlich in den nächsten Jahren auch keine geben wird.
Aber zuletzt hat das Management schwarze Zahlen angekündigt ...
Ich möchte mich dazu nicht äußern.
Ist es Ihrer Meinung nach richtig, dass nun niemand aus der Familie im Vorstand vertreten ist?
Nein. Gut ausgebildete und intelligente Familienmitglieder mit viel Arbeits- und Führungserfahrung sollten integriert werden. Nehmen wir meinen Cousin Paul Swarovski, der zwei Jahrzehnte Schulter an Schulter mit meinem Vater Helmut Swarovski im Unternehmen zusammengearbeitet hat und technisch und juristisch gebildet ist. Solch ein Wissen und eine Erfahrung in einem fünf Generationen alten Familienunternehmen hat einen riesigen Wert und kann einen bedeutenden Beitrag zum Wohl des Unternehmens, der Belegschaft, der Kunden und dem Ruf des Unternehmens leisten.
Juckt es Sie, wieder mitzumachen?
Mein Herz wird immer für Swarovski schlagen, aber im Moment bin ich sehr mit anderen aufregenden Projekten beschäftigt.
War Ihr Ausscheiden aus dem Management im Einvernehmen?
Es kam jedenfalls überraschend für mich. Die 26 Jahre, in denen ich in Hongkong, New York, Paris und London stationiert war und für das Unternehmen gearbeitet habe, waren großartige und erfüllende.
Warum sind Sie auch aus der Swarovski-Stiftung ausgestiegen?
Ich wollte einen klaren Schnitt vom Familienunternehmen machen.
Und warum sind Sie beim Opernball-Komitee nicht mehr dabei?
Heutzutage bin ich weniger in Österreich, und es war zu kompliziert. Aber ich schätze die Tradition des Opernballs, besonders die musikalische Einleitung des Balls.
Sie wollen die nächste Generation ermutigen, sich als Kraft für eine florierende Wirtschaft zu etablieren. Wie soll das gelingen?
Ganz zentral dafür ist eine entsprechende Bildung und dass die jungen Leute entdecken, wo ihre Talente liegen. Mir war es immer wichtig, dass sich die Menschen mit ihrer Arbeit auch emotional identifizieren können.
Das mag ja in manchen Jobs gut gelingen, aber wie soll das bei einem Fließbandarbeiter funktionieren?
Bei einer guten Unternehmensführung ist das schon möglich. Man muss den Mitarbeitenden den individuellen Wert ihrer Arbeit immer wieder erläutern und deren positiven Einfluss vor Augen führen.
Es gibt Bestrebungen in Europa, die Arbeitszeit zu reduzieren, die junge Generation achtet viel stärker auf Work-Life-Balance, Leistung hat nicht mehr den Stellenwert - wie stehen Sie dazu?
Das ist eine große Herausforderung. Es wird Aufgabe der Regierungen und der Unternehmensführungen sein, Menschen den Wert seriöser Arbeit wieder schmackhaft zu machen. Arbeit sollte erfüllend sein. Dass junge Menschen Wert auf eine gewisse Balance in ihrem Leben legen, ist verständlich, aber ich habe das Gefühl, dass sich manche unter dem Schlagwort Work-Life-Balance auch vor der Arbeit drücken wollen.
Die Gleichstellung von Frauen ist jedenfalls in der österreichischen Wirtschaft noch lange nicht erreicht. Warum nicht?
Gesellschaftliche Veränderungen dauern immer sehr lange. Weltweit ist eine große Bewegung zur Erreichung der Gleichstellung aktiv. Österreich hinkt leider ein wenig nach, trotzdem habe ich große Hoffnung, dass auch Österreich die Gleichstellung erreichen wird. In der Zwischenzeit ermutige ich die Frauen, sich so gut wie möglich zu bilden und ihre Rechte zu kennen, sich Gehör zu verschaffen und einander gegenseitig zu unterstützen.
Kürzlich erst wieder kam eine Studie zum Schluss: Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer. Sehen Sie Handlungsbedarf?
Ja, auf jeden Fall. Es geht um bessere Bildung und Chancengleichheit, mehr Wert auf Individualismus, mehr Motivation zur Arbeit und zum unternehmerischen Denken und Handeln. Ich bin nicht überzeugt, dass höhere Steuern auf den Wohlstand, der durch harte Arbeit erreicht wird, dieses Dilemma lösen kann. Es braucht ein allgemeines Umdenken.
Einige Millionäre drängen darauf, besteuert zu werden. Was halten Sie davon?
Wer mehr von seinem Einkommen abgeben will, kann das ja tun und verdient Respekt. Außerdem kann man über wohltätige Organisationen der Gesellschaft zurückgeben.
Um welche Projekte kümmern Sie sich jetzt?
Ich investiere in europäische Organisationen und unterstütze sie dabei, Kunsthandwerk zu fördern und technologische Entwicklungen im Konsumbereich voranzutreiben. Bei meinen Investments sind mir jedenfalls Nachhaltigkeit, Tradition und Kreativität wichtig. Ich bin auch an einem Thinktank beteiligt - IMAGINE, gegründet vom Ex-CEO von Unilever Paul Polman -, der Antworten auf die großen Fragen der Menschheit geben will mit starkem Fokus auf Nachhaltigkeit. Darüberhinaus habe ich einige weitere Projekte in der Pipeline, auch in Österreich.
Wem würden Sie einen "World Woman Hero"-Award verleihen?
Dafür kommen viele großartige Frauen in Frage, etwa Shelly Zalis, CEO von "The Female Quotient", die es sich mit ihrem Unternehmen zum Ziel gesetzt hat, die Gleichstellung von Frauen voranzutreiben. Auch Leena Nair, erste farbige Chefin von Chanel, würde einen Award verdienen. Ihr Vortrag in Davos war sehr beeindruckend und demonstrierte die neue Art und Weise der Führung: freundlich, stark, inklusiv.
Zur Person
Steckbrief
Nadja Swarovski
Nadja Swarovski [Jahrgang 1970] ist die Ururenkelin des Swarovski-Firmengründers Daniel Swarovski. Sie war die erste Frau im Vorstand des Unternehmens. 2021 legte sie die Funktion im Zuge eines Gesellschafterstreits zurück. Sie ist weiter Gesellschafterin und engagiert sich in diversen internationalen Organisationen.
Das Interview ist aus trend.PREMIUM vom 9. Februar 2024.
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