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Supply Chain Management: Absicherung durch Nearshoring und Diversifikation

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Gerald Wolf, Managing Director Xvise

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Die während der Covid-19-Pandemie akut gewordenen Probleme in den globalen Lieferketten haben das Thema "Nearshoring" in den Fokus des Supply Chain Managements gerückt. In seinem Gastkommentar geht Gerald Wolf, Managing Director von Xvise Supply Chain Consulting, auf die daraus resultierenden Herausforderungen ein.

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Der in vielen Branchen und Bereichen weitreichende Stillstand in den Lieferketten, den Supply Chains der global organisierten Just-in-Time-Wirtschaft, hat das Thema "Nearshoring" in den Fokus des Supply Chain Managements gerückt. Hinter dem Begriff Nearshoring steht ist die smarte Strategie, der Verlagerung betrieblicher Aktivitäten in ein geografisch nahgelegenes Ausland. Ein Beispiel aus der DACH-Region ist die typische Verlagerung in Länder wie die Ukraine, Polen, Tschechien und Serbien.

Doch was macht Nearshoring attraktiver als ein "Offshoring", worunter man im Supply Chain Management die Verlagerung von Unternehmensprozessen ins ferne Ausland, unabhängig der geografischen Distanz, versteht? Einige Vorteile liegen auf der Hand:

  • Nähe bringt Effizienz. Die geografische Nähe reduziert nicht nur zeitliche Differenzen, sondern minimiert auch kulturelle Barrieren. Das Ergebnis: Bessere Kommunikation und ähnliche Arbeitsweisen und -zeiten führen zu schnelleren Reaktionen. Die Zusammenarbeit wird flüssiger, Missverständnisse treten seltener auf.

  • Ein Hilfsmittel gegen Fachkräftemangel. Nearshoring Länder bieten oft hochqualifizierte Fachkräfte, ein Vorteil in Zeiten des Fachkräftemangels.

  • Kostenvorteile auf allen Ebenen. Nearshoring bietet Einsparungen bei Löhnen. Zusätzlich reduzieren sich die Ausgaben für Schulungen, und die kürzeren Transportwege senken Logistikkosten. Im Vergleich zu Fernmärkten wie China profitieren Unternehmen zudem von niedrigeren Container-Frachtraten, Zoll- und Treibstoffkosten.

  • Schnelligkeit als Wettbewerbsvorteil. Kürzere Transportwege ermöglichen es Unternehmen, schneller auf Marktveränderungen und Kundenbedürfnisse zu reagieren. Diese Agilität kann im Wettbewerb entscheidend sein.

  • Innovation im Eiltempo. Nähe zu den Lieferanten beschleunigt die Entwicklung von Prototypen und Produktdesigns. Nearshoring fördert Innovationskraft und sorgt für eine schnellere Produktdifferenzierung am Markt.

Neue Herausforderungen

Ein Nearshoring hat für Unternehmen aber dennoch nicht nur Vorteile. Damit sind auch etliche Herausforderungen verbunden, die bedacht werden müssen. Dazu gehören die folgenden Punkte:

  • Arbeitsplatzabbau im Heimatland. Durch Verlagerung der Tätigkeiten ins Ausland kann es zu einem negativen Effekt in der lokalen Wirtschaft und der Beschäftigungssituation kommen.

  • Komplexität. Komplexere Unternehmensprozesse fordern zusätzliche Managementressourcen, um die Koordination und Kommunikation zwischen den Standorten effizient zu gestalten.

  • Datenschutz. Der Schutz von sensiblen Daten muss sichergestellt und die Datenschutzvorschriften eingehalten werden, dies erfordert erhöhte Aufmerksamkeit.

  • Steigende Personalkosten in Nearshoring-Ländern. Die hohe Nachfrage nach qualifiziertem Personal kann zu steigenden Personalkosten führen. Damit schmilzt ein wesentlicher Kostenvorteil, was die Nachhaltigkeit von Nearshoring schwächen kann.

Wie schafft man resiliente Lieferketten?

Wie können nun nachhaltig resiliente Lieferketten geschaffen werden? Globale Krisen wie Naturkatastrophen, Pandemien oder Kriege, machen die Verletzlichkeit von internationalen Lieferketten deutlich. Unternehmen, die auf maximale Kosteneffizienz setzen, merken, dass daraus ein Risiko für die Liefersicherheit entstehen kann. Umso wichtiger sind Maßnahmen für ein widerstandsfähiges Lieferkettenmanagement. Viele Unternehmen scheuen jedoch strukturelle Veränderungen, obwohl sie dringend notwendig wären.

Was die Krisen der letzten Jahre jedenfalls gezeigt haben ist, dass die günstigste Lösung nicht immer die zuverlässigste ist.

  • Ein erster Schritt zu einer nachhaltig resilienten Lieferkette ist deren gründliche Analyse und die der Risikofaktoren, um Störungen frühzeitig zu erkennen und abzumildern.

  • Eine zentrale Maßnahme zur Erhöhung der Resilienz ist die Diversifikation. Unternehmen verteilen dabei ihre Lieferketten auf mehr Orte und Lieferanten, um Abhängigkeiten von einzelnen Regionen zu verringern und so vor regionalen unvorhersehbaren Problemen geschützt zu sein.

Ein Teil der Strategie ist auch, die Lagerstrategien zu überdenken. Gerade in Zeiten von globalen Lieferkettenstörungen, kann es sinnvoll sein, eine höhere Lagerhaltung in Betracht zu ziehen. Eine Just-in-Case-Strategie kombiniert mit Nearshoring kann die Resilienz der Lieferkette deutlich steigern.

Ein Tipp zu dieser Just-in-Case Strategie: Angesichts anhaltender Engpässe bei Lagerbeständen und von Supply-Chain-Problemen sollten Sie eine flexible Just-in-Case-Bestandsstrategie verfolgen. Damit stellen Sie sicher, dass Sie stets über ausreichende Bestände verfügen, um alle Aufträge erfüllen zu können.

Die Rolle der Digitalisierung im Nearshoring?

Wenn es um Potenzialentfaltung geht, spielt die Digitalisierung der Lieferketten eine Schlüsselrolle.

Digitale Tools machen Lieferketten transparenter und besser kontrollierbar. Eine Total-Cost-of-Ownership-Analyse (TCO-Analyse) hilft dabei die Gesamtkosten der Lieferkettenprozesse zu erfassen, anstatt sich nur auf die unmittelbaren Kosten zu konzentrieren. Versteckte Kosten wie z. B. Risiken langer Transportwege oder Zollverzögerungen werden transparent gemacht und in Entscheidungen mit einbezogen.

Moderne Technologien ermöglichen es, Waren in Echtzeit zu verfolgen und frühzeitig auf Störungen zu reagieren und proaktiv zu handeln. Flexibilität ist in einem sich schnell wandelnden Marktumfeld ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. 

Fazit: Nearshoring ist kein Allheilmittel

Nearshoring kann eine nachhaltige Strategie sein, die Unternehmen hilft, ihre Lieferketten zu optimieren und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In einer zunehmend multipolaren Welt, in der Blockbildung und geopolitische Spannungen die Regel sind, bietet Nearshoring eine wertvolle Möglichkeit, Risiken zu minimieren und flexibel auf neue Marktanforderungen zu reagieren.

Allerdings erfordert die erfolgreiche Umsetzung von Nearshoring-Strategien eine enge Verzahnung von Digitalisierung und effizientem Lieferkettenmanagement. Unternehmen, die diese Herausforderungen annehmen, können nicht nur Kosten sparen, sondern auch ihre Flexibilität und Resilienz nachhaltig verbessern.

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