ORF-Generaldirektor Roland Weißmann
©ORF/Thomas RamstorferDer Generaldirektor des ORF, Roland Weißmann, über Wünsche an die künftige Regierung, den Erfolg der neuen „Blauen Seite" und Schulterschlüsse mit heimischen und internationalen Broadcastern.
Unabhängig davon, wie sie aussieht – was wünschen Sie sich von einer künftigen Regierung für den Medienstandort Österreich?
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind aktuell sehr herausfordernd. Aber auch in ökonomisch schwierigen Zeiten braucht es Qualitätsmedien, die den Unterschied machen, Geschichten noch recherchieren und Meinungen nicht ungefiltert wiedergeben. Wir sind mittlerweile mit sehr viel Desinformation und Fake News konfrontiert. Ein funktionierender Medienstandort muss für Politik und Gesellschaft von größtem Interesse sein – nicht zuletzt, da es vermehrt mediale Parallelwelten gibt.
Wie könnte so etwas in der Praxis aussehen?
Ich bin bekanntlich kein großer Freund von Monopolstellungen. Ich bin überzeugt, dass nur ein duales Mediensystem, in dem die Marktplayer und ihre Stakeholder kooperieren, den heimischen Medienstandort stärkt. Konkret kann ich mir Schulterschlüsse vorstellen, damit Werbegeld nicht in Richtung Google und Facebook abwandert. Oder auch das Schaffen und Bereitstellen einer gemeinsamen technischen Infrastruktur halte ich für sehr wichtig. APA-Chef Clemens Pig spricht in diesem Zusammenhang gerne von einem kooperativen Medienmarkt.
Als ORF-Chef wünschen Sie sich also von der Politik gute Rahmenbedingungen für alle?
Ja, es geht darum, dass es in Zukunft einen fitten, heimischen Medienmarkt gibt, der Qualitätsjournalismus aus Österreich und für Österreich liefert.
2025 feiert der ORF seinen 70. Geburtstag. Sie kommentierten einmal launig, das Akronym solle künftig für Online-Radio-Fernsehen stehen. Wie interpretieren Sie eigentlich den öffentlich-rechtlichen Auftrag?
(Lacht.) Das habe ich damals durchaus humorvoll gemeint. Mir gefällt nach wie vor der Leitspruch der BBC „Inform, educate, entertain!“ Insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Spaltungsversuche und Fake News. So gesehen ist der öffentlich-rechtliche Auftrag aktueller denn je und zeitlos gültig.
Welche Rolle spielen europäische Schulterschlüsse in strategischen Überlegungen für den ORF?
Es gibt eine sehr enge Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und der Schweiz. Gerade gab es ja eine intensive Diskussion um die Zukunft von 3Sat. Aber auch innerhalb der European Broadcasting Union (EBU) gibt es regelmäßig Abstimmungen. Aktuell arbeiten die ARD und das ZDF gemeinsam an einem öffentlich-rechtlichen Streaming-Netzwerk. Wir wurden gemeinsam mit dem Schweizer SRF eingeladen, daran mitzuwirken.
Die Idee dazu wird ja schon seit einigen Jahren diskutiert. Welche konkreten Schritte sollen hier in unmittelbarer Zukunft gesetzt werden?
Neben Abstimmungen zu technischen Fragen, die schon sehr weit gediehen sind, geht es auch darum, Rechts- und Lizenzfragen zu klären. Hier sind wir bereits auf einem guten Weg, wir werden schon bald Ergebnisse sehen.
Zur Person
Roland Weissmann, 56, ist seit mehr als 30 Jahren im ORF. Der gebürtige Oberösterreicher startete seine Karriere als Journalist im ORF-Landesstudio Niederösterreich, arbeitete u. a. als Chef vom Dienst bei Ö3 und folgte 2010 Richard Grasl als Büroleiter der ORF-Finanzdirektion. 2017 wurde er Vizefinanzdirektor, seit 2022 steht er als Generaldirektor an der Spitze. Das Fachmagazin „Österreichs Journalisst:in“ kürte ihn 2024 zum „Medienmanager des Jahres“.
Etwa bei Kooperationen, wenn es um Sportrechte geht?
Diese Kooperationen gibt es ja bereits bei internationalen Großevents. Es gibt dafür insbesondere infrastrukturelle Überlegungen, etwa dass Studios vor Ort gemeinsam betrieben werden. Eine länderübergreifende Teilung von Rechten hat es bislang aber noch nicht gegeben. Aber es kommt natürlich vor, dass die EBU Rechte für Großveranstaltungen kauft und dann auf ihre Mitgliedsländer aufteilt. Ehrlicherweise ist es leichter, Kooperationen im selben Lizenz- und Rechteraum umzusetzen. Wir arbeiten deshalb häufig mit Servus TV und Puls4 zusammen. Etwa bei Übertragungen der Formel eins oder der österreichischen Eishockey-Liga.
Welche Rolle spielen Sharing von Rechten, Lizenzen und Technik bei Budgetüberlegungen? Nächstes Jahr sollen ja wieder 80 Millionen Euro eingespart werden.
Wir haben ein breites Sparmaßnahmenpaket geschnürt. Schließlich müssen wir bis 2026 nachweisen, rund 350 Millionen Euro eingespart zu haben. Mit restriktiven Einsparungen bei Sach- und Personalkosten, aber auch maßvollen Gehaltsabschlüssen sind wir hier auf einem sehr guten Weg und werden das schaffen.
Wie ist es für den ORF 2024 gelaufen?
Insgesamt war es ein schwieriges Jahr. Der ORF hatte einige logistische Aufgabenstellungen zu bewältigen. Aber die Umstellung von der GIS-Gebühr auf den ORF-Beitrag ist grosso modo gut gelaufen. Zentral war heuer auch die Umsetzung der Digitalnovelle. Wir hatten dafür ja tatsächlich nur wenig Zeit und arbeiten nach wie vor daran. Mittlerweile ist ORF ON die größte Plattform in Österreich, und wir liegen in der Nutzung auch vor internationalen Streaminggiganten wie Netflix oder Amazon Prime. Der Weg vom Broadcaster zur Plattform wird also konsequent beschritten.
Diese Transformation ist nach wie vor das Herzstück der ORF-Strategie für 2030 …
Und eine Megaherausforderung für uns, weil unser Haus auf festen, gewachsenen Strukturen beruht. Strukturen, die sich am Nutzerverhalten orientieren. Nur: Wie Menschen Medien konsumieren, ändert sich massiv. Das heißt, wir müssen dem Publikum unsere Produkte anders darbieten und sie auch anders erstellen. Große Veränderungen lassen sich nur meistern, wenn man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnimmt, klare Richtungen vorgibt und dann Entscheidungen trifft. Wir wollen in allen Bereichen der Marktführer bleiben.
Deswegen die Entscheidung, mit der „ZiB“ auf YouTube aktiv zu werden?
Das war eine Idee, die aus der Mannschaft gekommen ist, und ich habe das stark unterstützt. Genau so muss Transformation funktionieren.
Dort matcht man sich jetzt auch mit – vorsichtig formuliert – ziemlich einschlägigen Informationsquellen …
Wir machen das nicht gegen jemanden, sondern um Menschen zu erreichen, die möglicherweise keine Nachrichten und klassischen Medien mehr konsumieren. Und zwar proaktiv, um unser Programm jungen Menschen zugänglich zu machen.
Wo sind strategischen Entscheidungen und der Umbau zur Plattform sonst noch spürbar?
Wir produzieren mit bereits gut zehn Prozent unserer Produktionsmittel Online-first-Inhalte, und wir wissen viel übers Nutzungsverhalten unserer Zuseherinnen und Zuseher. Fiction, Comedy oder Kabarett werden gerne gestreamt, Sport und Nachrichten werden klassisch linear bzw. just-in-time geschaut.
Anfang des Jahres wurde auch die beliebte „Blaue Seite“ reformiert. Weniger Text, mehr Bewegtbild und Audio. Wie entwickelt sich die Seite eigentlich?
Die Menschen nehmen unser Angebot weiter sehr gut an. Geschichten werden mittlerweile in allen multimedialen Formen konsumiert, speziell die Videonutzung wächst stetig wie vom Gesetzgeber beabsichtigt. Ergo sind wir mit der Entwicklung und Nutzung der „Blauen Seite“ nicht unzufrieden.
Letzte Frage. Was wünschen Sie sich persönlich für 2025?
Nichts Spezielles. Im Winter freue ich mich aufs Skifahren und die Ski-Heim-WM in Saalbach. Ansonsten bin ich ein Freund von Frühling, Sommer und Herbst.
Lesen Sie das vollständige Interview in der trend.EDITION Ausgabe vom 20. Dezember 2024.
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