Andreas Wilfinger, Gründer und CEO Ringana
©Felix WerinosAndreas Wilfinger, Gründer und CEO des steirischen Natur- und Frische-Kosmetikunternehmens Ringana, schwimmt in seiner Branche seit Jahren erfolgreich gegen den Strom. Im trend. Interview spricht er über die Hintergründe des Erfolgs.
Herr Wilfinger, Ihr Unternehmen Ringana hat in den letzten Jahren eine außergewöhnliche Entwicklung durchgemacht.
Das kann man wohl sagen. Die letzten fünf Jahre waren für uns unglaublich spannend. Wir sind als Unternehmen stark gewachsen, haben unseren Umsatz verdreieinhalbfacht, in neue Märkte expandiert und auch unsere neue Homebase, den Ringana Campus bezogen. Dafür haben wir übrigens auch einige Architekturpreise eingeheimst.
Für ein solches Wachstum benötigt man auch entsprechend viele Mitarbeiter. Die ganze Wirtschaft klagt über Arbeitskräftemangel. Beschäftigt Sie der nicht?
Doch, natürlich. Wir haben daher auch eine Dependance in Wien, um dort jene Mitarbeiter zu rekrutieren, die wir in der Steiermark nicht in der benötigten Menge finden. Sprich internationale Mitarbeiter mit Rot-Weiß-Rot-Card für unser Customer Service, wo Fremdsprachenkenntnisse gefragt sind. Da tun wir uns in Wien deutlich leichter. Und natürlich suchen wir wie jedes andere Unternehmen in unserer Größenordnung händeringend nach IT-Fachkräften suchen, insbesondere in den neuen Bereichen wie Artificial Intelligence. Interessanterweise ist es eine deutlich geringere Herausforderung, Kräfte für unseren Life Sciences Bereich zu finden. Erstens, weil wir in dieser Branche einen sehr positiv besetzten Ruf haben und natürlich auch, weil in Graz an der Karl-Franzens-Universität sehr viele Ausbildungen in diesem Bereich angeboten werden.
Sie haben mit Ihren Produkten und dem Label „Frische-Kosmetik“ offenbar eine Marktnische gefunden und erfolgreich besetzt.
Das Thema Naturkosmetik wird generell immer wichtiger. Es gibt einen sehr starken Trend in Richtung natürliche Rohstoffe. Wir setzen dem Ganzen aber noch eines drauf, indem wir „Frische-Kosmetik“ formulieren. Das bedeutet, dass wir sämtliche Produkte frisch produzieren. Das ist eine Herausforderung und schränkt die Haltbarkeit der Produkte ein. Aber ich sehe dabei keine Wachstumsgrenzen. Ich sehe auch keine Wachstumsgrenzen, was unseren Vertrieb betrifft. In Österreich stagnieren wir allerdings bereits auf einem sehr hohen Niveau, zum Beispiel in der Gesichtspflege. Also mehr geht in Österreich vermutlich schlicht und einfach nicht.
Die Exportquote von Ringana liegt bei rund 70 Prozent.
Inzwischen bei bei über 70 Prozent. Wir liefern in 33 Länder, aber 90 % des Umsatzes machen wir in den fünf Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, Spanien und Italien. Die meisten Märkte bedienen wir von St. Johann in der Steiermark aus. Zusätzlich haben wir einige Hubs eingerichtet, in Girona nahe Barcelona, in Bozen oder in Neufahrn bei München und sogar auf Gran Canaria. Das liegt einfach daran, dass wir mit unseren Produkten schnell zu den Endkunden kommen müssen, weil lange Lieferzeiten die Frischephilosophie konterkarieren würden.
Vor kurzem haben Sie nach Mexiko expandiert was ebenfalls außergewöhnlich für ein Familienunternehmen mit Sitz in Sankt Johann in der Haide in der Steiermark ist.
Mexiko ist für uns ein großer Schritt. Es ist das erste Mal, dass wir über den großen Teich gehen, und wir haben dort viel vor. Dabei helfen uns die Erfahrungen, die wir in Gran Canaria gesammelt haben. Wir sehen Mexiko einerseits schon als sehr guten, sehr großen Markt. Das liegt an der Pflegeaffinität der Mexikanerin, aber auch der Direktvertriebsaffinität der Mexikanerin. Darüber hinaus ist Mexiko natürlich auch eine Basis für die weitere Expansion, sowohl nach Norden als auch nach Süden, also nach Nordamerika und Südamerika.
Bisher wurden alle Ihre Produkte in der Steiermark produziert und dann exportiert. Wird das auch nach dem Schritt nach Übersee so bleiben?
Das hängt von der Entwicklung des Marktes ab. Mittelfristig ist geplant, zumindest auch selektiv vor Ort in Mexiko zu produzieren. Wobei bereits jetzt die Produktion und das Abfüllen der Produkte hier in Österreich erfolgt. Fertig konfektioniert und an die Endkunden versandt werden sie dann in Mexiko. Wir versuchen das innerhalb weniger Tage zu bewerkstelligen. Dafür sind wir im Oktober mit vier Angestellten vor Ort gestartet.
Das Ringana Frische-Konzept bedingt eine laufende Produktion. Wie gelingt es Ihnen trotzdem, eine breite Produktpalette anzubieten?
Wir haben unser Sortiment auf das wirklich Essentielle reduziert und nur ungefähr 60 Produkte im Sortiment, was für ein Unternehmen in dieser Branche extrem wenig ist. Bieten also beispielsweise nur ein Shampoo und nur eine Körpermilch an. Der Hintergrund ist, dass wir frisch produzieren wollen, ja müssen. Da könnten wir nicht zehn verschiedene Shampoos in kleinen Mengen frisch produzieren. Wir haben auch eine sehr moderne, absolut state-of-the-art Infrastruktur. Darauf bin ich auch sehr stolz. Aber obwohl wir vermutlich eines der größeren Independent Life Science Unternehmen weit und breit sind, hat unser größtes Rührwerk ein Volumen von nur 2.000 Liter. Das ist, verglichen mit den Maßstäben von Mitbewerbern, immer noch ein Laborgerät.
Die Produktionsplanung und die Beschaffung der Rohstoffe dürften dennoch eine Herausforderung sein.
Die Herausforderung der Prognoserechnung, der Bedarfsrechnung und der saisonalen Planung ist so alt wie unser Unternehmen selbst und eine hochkomplexe Aufgabe. Dafür haben wir eigene Spezialisten im Haus. Wir produzieren unsere Produkte abgeleitet von deren Prognosen, nicht auf Bestellung. Das wäre auch gar nicht möglich. Aber wir erzeugen jedes einzelne Produkt sehr häufig und tun damit genau das Gegenteil von dem, was der Markt üblicherweise macht. In der Regel werden dort Halbjahres- oder Jahreschargen produziert dann auf Lager gelegt. Anders ausgedrückt: Die Sonnenkosmetik des nächsten Jahres wird im Herbst, im September des Vorjahres, produziert. Wir produzieren die Sonnenkosmetik dagegen ab März. Von Seiten der Kostenrechnung und des Controllings ist das vielleicht teilweise absurd, aber das ist unser Alleinstellungsmerkmal.
Eine weitere Besonderheit von Ringana ist, dass es die Produkte nicht im normalen Handel zu kaufen gibt, sondern nur im Direktvertrieb über Partnerinnen oder den Onlineshop. Hat dieses Konzept auf lange Sicht Bestand?
Das ist eine echte Erfolgsstory. Wir gewinnen Kundinnnen und natürlich verlieren wir auch wieder Kundinnen. Es gelingt uns aber Jahr für Jahr, hier ein schönes Delta aufzubauen. Und wir wachsen auch bei den Partnerinnen weiter. Unser Ansatz ist, Kundinnen nicht nur zufriedenzustellen, sondern in der gesamten Customer Journey zu begeistern. Das scheint uns einigermaßen zu gelingen. Wir sind – wie jedes andere Unternehmen auch – sehr stark auf die Leads, die Erstkontakte, angewiesen. Wir generieren die eben aus der Tätigkeit unserer Partnerinnen und bezahlen dafür eine Provision. Die Alternative wäre, rein online im E-Commerce tätig zu sein und eben an Alphabet, Meta oder eine andere Plattform zu zahlen. Das tun wir nicht. Uns erscheint es deutlich sympathischer, hier in unserer Volkswirtschaft oder im europäischen und seit kurzem auch im mexikanischen Raum unsere Partnerinnen zu bezahlen. Im Übrigen nicht steueroptimiert.
Das heißt, setzen nicht auf Google- oder Facebook-Ads?
Nur untergeordnet. Also wir als Ringana selbst gar nicht. Wir halten uns da ganz stark zurück. Wir setzen natürlich auch im Rahmen unserer PR auf Social Media, denn wenn man diese Kanäle auslassen würde, wäre die Entwicklung doch eingeschränkt. Wir überlassen aber sehr viele dieser grundsätzlich handwerklichen Marketingtätigkeiten unseren Partnerinnen, stellen ihnen aber Sujets zur Verfügung, damit das Markenbild nach außen konsistent bleibt. Wir sind nicht so sehr darauf angewiesen, in den sozialen Medien unmittelbar zum Kunden zu kommen. Das machen unsere Partnerinnen und dafür bekommen sie auch eine Provision. Und das ist gut so.
Der Verkauf über den eignen Onlineshop schlägt sich nicht mit dem Direktvertrieb über die Partnerinnen?
Die beiden Schienen sind zu 100 % kompatibel. Wir haben so etwas wie Kundenschutz, sprich wenn eine Partnerin eine neue Kundin gewinnt, dann bleibt sie auch ihre Kundin. Wenn die Partnerin über ihr Online-Office eine Bestellung weiterleitet, bekommt sie eine Provision und wenn die Kundin direkt im Onlineshop einkauft ebenfalls. Im Grunde laufen aber alle Verkäufe über unseren Onlineshop, weil wir eine Lagerhaltung verbieten. Das wollen wir nicht, es würde unseren Frischeansatz konterkarieren. Es ist daher bei Ringana nicht möglich, dass eine Partnerin Produkte über die Haushaltsmenge hinausgehend bestellt und dann weiterverkauft. Das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen Unternehmen in dieser Branche. Es geht dabei auch um den Schutz der Partnerinnen. Sie müssen keinerlei Investitionen tätigen. Der gesamte Verkauf läuft über Ringana.
Wie hat sich der Direktvertrieb eigentlich in der Zeit der Covid-Pandemie bewährt, in der persönliche Kontakte teilweise über Monate nur eingeschränkt möglich waren?
Wir haben in der Zeit wie die meisten E-Commerce-Unternehmen, zu denen es viele Parallelen gibt, wenn schon nicht profitiert, dann zumindest nicht gelitten. Wir mussten natürlich unsere Hausaufgaben im Bereich der Digitalisierung und beim Homeoffice machen. Aber wir konnten weiter sehr gut expandieren. Und wir haben auch erkannt, dass Kontakte nicht nur physisch, sondern genauso auch online oder über Social Media erfolgen können. Davon haben wir wirklich profitiert. Aus Corona herauszukommen war letztlich schwieriger als in Corona hinein. Dennoch war die Zeit eine große Herausforderung, sowohl beruflich als auch privat. Aber ja, wir sind mit weniger als einem blauen Auge rausgekommen.
Die auch in ihren wichtigen Exportmärkten sehr strengen Schutzmaßnahmen haben sie nicht getroffen?
Ex post betrachtet hat es funktioniert. Nachdem wir sehr vom spanischen Markt abhängig sind, habe ich oft selbst überlegt, wie das funktionieren kann, wenn in Spanien plötzlich alles dicht ist. Oder auch in Italien. Unsere ganze Logistik- und Wertschöpfungskette war immer wieder unterbrochen. Aber irgendwie ist es gegangen. Auch, weil unsere Mitarbeiter Höchstleistungen erbracht haben, teilweise auch von zu Hause aus.
In Asien sind Sie bisher noch nicht aktiv. Steht das als nächster Expansionsschritt an?
Wir haben vor dem Schritt nach Mexiko evaluiert, ob wir nach Westen oder nach Osten gehen sollen und haben uns dann eben für den Westen entschieden.
Das bedeutet, ja?
Unser Wachstum ist rein organisch, auch wenn es in manchen Jahren doch sehr hoch ist. Und bei unserer komplexen Wertschöpfungskette gibt es bei einer Expansion sehr viele Herausforderungen. Wir müssen auch in jedem neuen Land ein Vertriebsnetz aufbauen. Es ist immer ein Beginn bei null. Wir möchten daher Schritt für Schritt weitergehen. Weitere Märkte, auch Australien, sind am Horizont. Langfristig kann ich mir sehr viel mehr vorstellen als die aktuelle west- und mitteleuropäische Konzentration. Wir strecken uns nach der Decke. Unsere Planung sieht auch einige neue Länder in den nächsten drei Jahren vor, aber schauen wir mal, wie sich das entwickelt.
Ihr Sohn ist seit Juli 2022 in der Geschäftsleitung. Welche Rolle hat er dort?
Er ist gleichberechtigt mit meiner Person und wir teilen uns unsere Agenden, ohne klare Aufteilung. Jeder macht oder kann im Grunde alles. Ich habe ihn nicht nur deshalb in die Geschäftsführung berufen, weil er mein Sohn ist. Er ist auch ein hochkompetenter Mann, der mich toll unterstützt, und es macht richtig Spaß, mit ihm zu arbeiten.
Steht bei Ringana dann auch bald die Übergabe des Unternehmens an die nächste Generation an?
Mir macht meine Arbeit Spaß und meine Pension ist sicher noch nicht ganz nahe. Aber mein Nachfolger ist schon aufgebaut.
Zur Person
Steckbrief
Andreas Wilfinger
Andreas Wilfinger, geb. 1969, ist Gründer und CEO des Natur- und Frische-Kosmetikunternehmens Ringana mit Sitz in Sankt Johann in der Haide in der Steiermark. Ringana beschäftigt 462 Mitarbeiter:innen, der Jahresumsatz des Unternehmens lag zuletzt bei 178,20 Mio. € (Geschäftsjahr 2022).