Georg Winter, CEO des Versicherungs- und Risikomanagement-Spezialisten Grec im Gespräch mit trend.
©Elke MayrDer wirtschaftliche Abschwung, Krisen und Transformationsprozesse setzen Unternehmen und den Standort Österreich unter Druck. Georg Winter, CEO des Versicherungs- und Risikomanagement-Spezialisten Greco, macht sich zur Entlastung von Unternehmen, zur Standortsicherung und Stärkung des Finanzplatzes Österreich für Captive-Versicherungsmodelle stark.
Herr Winter, der Osten Österreichs hat eben ein Jahrhundert-Hochwasser erlebt. Tausende Privathaushalte und Unternehmen sind betroffen. Auch die Infrastruktur: Die ÖBB-Westbahnstrecke wird etwa über Monate nur eingeschränkt befahrbar sein. Die Frage an Sie als Versicherungsspezialisten: Sind solche Naturkatastrophen überhaupt noch versicherbar?
Solche Naturkatastrophen gab es immer. Das Problem ist, dass diese klassischen Risiken, für die es bisher Berechnungsmodelle gab in denen ihre Wahrscheinlichkeit berücksichtigt wurde, durch den Klimawandel und zunehmende Extremereignisse zu systemischen Risiken. Das führt zum Problem der Versicherbarkeit. Dazu gilt auch für neue Risiken wie Cyber-Angriffe - mit allen ihren Auswirkungen. Diese neuen oder veränderten Risiken sind für die Versicherungswirtschaft sehr schwer einschätzbar. Aber ein wesentlicher Faktor für die Versicherer die Schätzbarkeit eines Risikos, welche Wahrscheinlichkeit und welche Auswirkung es hat.
Das bedeutet, es wird es für sie schwer, ein Produkt anzubieten?
Richtig. Klassisch wurden Versicherungen abgeschlossen und somit das Risiko an den Versicherungsmarkt transferiert. Unternehmen sind aber jetzt im permanenten Krisenmodus. Dementsprechend brauchen wir neue Möglichkeiten und neue Lösungen. Denn der Versicherungsmarkt stößt an seine Grenzen. Die Versicherbarkeit nimmt ab, weil das Risiko unkalkulierbar und nicht mehr betriebswirtschaftlich darstellbar ist.
Wie können solche neuen Lösungen aussehen?
Es geht darum ein Bewusstsein für die Risiken zu schaffen und Unternehmen - die unsere Zielgruppe sind - dazu zu bringen, einen Teil der Risiken selbst zu tragen. Naturgefahren oder Cyber-Attacken werden weder der Höhe nach noch dem Grunde nach nicht vollumfänglich versicherbar. Dafür ist es wichtig, Transparenz zu haben, zu wissen, welches Risiko man eingeht und ob man sich das leisten kann. Das ist von der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen abhängig.
Das klingt nach Selbstbehalten. Es werden nur Teile des Risikos versichert. Was liegt die neue Idee?
Wir denken an ein Captive-Modell, wie es in Frankreich, Irland oder Luxemburg beispielsweise rechtlich bereits möglich ist. Die Idee dahinter ist, dass Unternehmen selbst eigene Versicherungsgesellschaften, Captives, gründen, in denen nur sie versichert sind. Und damit unternehmenseigene Risiken absichern.
Wie soll das funktionieren?
Unternehmen könnten Schäden und Selbstbehalte auch aus dem Cashflow zahlen. Das wird bei hohen Beträgen aber schwierig. Sie könnten auch Rückstellungen bilden, die aber versteuert werden müssten. Wenn Unternehmen bereit sind, in die eigene Risikovorsorge zu investieren, sollte das nicht der Fall sein. Ein Captive-Modell ermöglicht das.
Wo liegt konkret der Vorteil für Unternehmen? Die Gründung und der Betrieb eines Captives ist klingt nach Aufwand und Bürokratie.
Der Vorteil ist, dass sie wie eine Versicherungsgesellschaft Rückstellungen bilden können, die vollumfänglich nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen. Der Punkt ist aber damit die strategische Resilienz verbessert wird und Unternehmen unabhängiger werden. Und nachdem es solche Modelle weltweit, auch in Europa, bereits gibt, in Österreich aber nicht, bedeutet das einen Standortnachteil für Österreich. Die Folge ist, dass Unternehmen ins Ausland gehen, weil es dort die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gibt.
Sie wollen also die Politik dazu bringen, steuerfreie Captive-Modelle zu ermöglichen?
Das ist unser Ziel. Die Rahmenbedingungen auch in Österreich zu schaffen, um die Resilienz österreichischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb und den Wirtschaftsstandort zu stärken. Das ist eine große Chance, auch für den Finanzplatz Österreich. Wir wollen die Politik und Interessensvertreter überzeugen, dass dieses Modell wichtig für die österreichische Industrie und Unternehmenslandschaft ist.
Bringen Sie mit dieser Idee nicht die Versicherungswirtschaft gegen sich auf?
Nein. Man muss auch die Versicherungswirtschaft ins Boot holen. Das Modell funktioniert nur gemeinsam mit den Versicherern. Für die hat das Modell auch den Vorteil, dass Risiken geringer, einschätzbarer und kalkulierbarer würden.
Wie würde ein Captive im Schadensfall agieren?
Im Normalfall ist es so, dass es bis zu einem gewissen Limit den Schaden übernimmt.
Das klingt, als wäre das nur für sehr große Unternehmen eine Überlegung wert.
Wir wollen das Modell auch kleineren Unternehmen zugänglich machen. Dass der Mittelstand, der keinen Zugang zum Ausland hat, in den Genuss kommt.
Welche Schritte müsste der Gesetzgeber konkret setzen, um dieses Modell in Österreich den Unternehmen zugänglich zu machen? Nur die Köst-Befreiung von Rücklagen, die in Captives wandern?
Es geht darum, die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen Bedingungen zu schaffen. Wir empfehlen wir die Einführung eines vereinfachten und beschleunigten Gründungsprozesses mit einer schlanken Berichterstattung für die Versicherungsgesellschaften, weil sie nur Risiken des eigenen Unternehmens tragen. Momentan gibt es da nicht sehr viel Interpretationsspielraum und und Auslegungsspielraum. Und dementsprechend tun es sich Unternehmen in Österreich gar nicht an, darüber nachzudenken.
Wäre dafür eine Art Banklizenz erforderlich?
Genau. Das müsste entfallen, weil das Captive als Versicherung ja nur fürs eigene Unternehmen einspringt. Sonst wären auch die Gründungskosten und die Betriebskosten zu hoch. Es muss schlanke Betriebskosten geben. Dazu kommen die steuerrechtlichen Voraussetzungen. Da geht es um das um das Versicherungsaufsichtsgesetz. Bei dem muss der Rahmen nachgeschärft werden, die Berechnungsvorschriften für die Schwankungsrückstellungen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann die FMA im Einzelfall eine Abweichung von den allgemeinen Berechnungsvorschriften anordnen. Hier müssen die Möglichkeiten ausgelotet und Rechtssicherheit geschaffen werden. Dann muss der Gründungsprozess beschleunigt werden. Der darf maximal 6 bis 8 Monate dauern.
Welche Rolle würden Sie als Risikoversicherungsspezialist dabei einnehmen?
Wir treten an um den ersten Schritt zu machen, Gespräche mit mit den Entscheidungsträgern aufzunehmen, um Thema zu diskutieren. Um neue, innovative Lösungen für Unternehmen zu finden. Wir sehen uns hier als Interessensvertreter der versicherungsnehmenden Wirtschaft und dementsprechend ist das auch unser Auftrag.
Und es ist wohl auch ein Wunsch an die nächste Bundesregierung, das auch ehestmöglich anzugehen.
Ja. Wir sollten die Captives in Österreich zügig auf den Weg bringen. Es gibt aus meiner Sicht keine Zeit zu verlieren. Weil wir wissen alle über die Schwierigkeiten und Herausforderungen für die Unternehmen, für den Wirtschaftsstandort. Wir können damit den Wirtschaftsstandort stärken. Und wenn wir innovativ sein wollen, müssen wir den Tellerrand hinausschauen.